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VfGH vom 27.02.1995, B262/94

VfGH vom 27.02.1995, B262/94

Sammlungsnummer

14008

Leitsatz

Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs infolge Annahme drohender Überfremdung; keine Bedenken gegen die Bewilligungspflicht des Rechtserwerbs von Todes wegen durch nicht zu den gesetzlichen Erben zählende, ausländische Rechtsnachfolger wegen unsachlicher Diskriminierung von Lebensgefährten

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In den Jahren 1962 und 1965 erwarb ein österreichischer Staatsbürger je eine Grundparzelle eines Grundstückes in Wängle; auf der im Jahre 1962 erworbenen Teilfläche errichtete er ein Wohnhaus, das von seinem damaligen Arbeitgeber, einem Staatsangehörigen der Bundesrepublik Deutschland, finanziert wurde. Einem Vertrag aus dem Jahre 1967, wonach das Grundstück der minderjährigen Tochter seines Arbeitgebers übergeben werden sollte, wurde im Jahre 1968 die grundverkehrsbehördliche Zustimmung ebenso rechtskräftig versagt wie einem Kauf- und Übergabsvertrag aus dem Jahre 1971, aufgrund dessen die nunmehrige Beschwerdeführerin - die Witwe des eingangs genannten deutschen Staatsangehörigen - das Grundstück erwerben sollte. Auch ein im Jahre 1974 neuerlich geschlossener Kaufvertrag zwischen denselben Vertragsparteien wurde grundverkehrsbehördlich nicht genehmigt. Im Rahmen dieses Verfahrens wurde erstmals offengelegt, daß der österreichische Staatsbürger seinerzeit zwar in seinem Namen das Grundstück erworben habe, dessen Besitz und Genuß jedoch von Anbeginn an der nunmehrigen Beschwerdeführerin - wie ihr verstorbener Ehemann deutscher Staatsangehörigkeit - zukommen sollte. Mit letztwilliger Verfügung vom schließlich vermachte der am kinderlos und unverheiratet verstorbene österreichische Staatsbürger das Grundstück der Beschwerdeführerin, mit der er (nachdem deren Ehegatte verstorben war) eine Lebensgemeinschaft eingegangen war.

Diesem Rechtserwerb wurde hinsichtlich der westlichen Teilfläche des Grundstückes samt darauf befindlichem Wohnhaus von der nach § 13 Abs 1 litb des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), und hinsichtlich der östlichen Teilfläche (einer Wiese) von der nach § 13 Abs 1 lita GVG 1983 gebildeten Grundverkehrsbehörde I. Instanz die Zustimmung versagt.

2. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem bekämpften Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen, wobei die belangte Behörde wiederum getrennt absprach, nämlich hinsichtlich der westlichen Teilfläche (samt darauf befindlichem Wohnhaus) in der Zusammensetzung gemäß § 13 Abs 4 Z 2, hinsichtlich der östlichen Teilfläche (einem Wiesenstück) in der Zusammensetzung gemäß § 13 Abs 4 Z 1 GVG 1983.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

4. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde (s. § 28 iVm. § 40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Die Beschwerdeführerin behauptet, daß die bei Erlassung des angefochtenen Bescheides "jedenfalls mittelbar" zur Anwendung gelangte Rechtsvorschrift des § 3 Abs 2 lita GVG 1983, wonach ein Rechtserwerb durch ausländische Rechtsnachfolger (s. § 1 Abs 1 Z 2 GVG 1983) nur dann keiner grundverkehrsbehördlichen Zustimmung bedarf, wenn diese zu den gesetzlichen Erben zählen, dem in Art 7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG verankerten Gleichheitssatz widerspreche, da die Diskriminierung von Lebensgefährten "nicht zuletzt aufgrund der geänderten Lebensverhältnisse und Wertvorstellungen" sachlich nicht mehr zu rechtfertigen sei.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof hegte bislang keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen (s. VfSlg. 13164/1992). Das Beschwerdevorbringen veranlaßt ihn nicht, von dieser Rechtsauffassung abzurücken.

Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit genereller Normen hat unabhängig davon zu erfolgen, ob die Beschwerdeführerin als Ausländerin das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz für sich in Anspruch nehmen kann (vgl. VfSlg. 9758/1983, 11282/1987). Doch teilt der Verfassungsgerichtshof das vorgebrachte Bedenken schon deshalb nicht, weil dem Gesetzgeber ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (s. zB VfSlg. 11639/1988, 12182/1989, 12688/1991) und er nicht schlechthin verhalten ist, bei Gestaltung eines Rechtsgebietes an die Grundsätze eines anderen Rechtsgebietes anzuknüpfen (vgl. VfSlg. 12833/1991). Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg. 10064/1984 aussprach, unterscheiden sich Lebensgemeinschaften von Ehen so wesentlich, daß der Gesetzgeber keineswegs genötigt ist, die beiden Gemeinschaften in jeder Hinsicht gleichzustellen. Insbesondere beruht die eheliche Gemeinschaft auf einer rechtlichen Institution, die ein wesentliches Element der rechtlichen Ordnung menschlicher Beziehungen bildet, während für die nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine vergleichbare rechtliche Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht besteht (s. auch VfSlg. 4678/1964). Der Verfassungsgerichtshof hegt aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken, an dieser Rechtsprechung festzuhalten. Wie die belangte Behörde nämlich in ihrer Gegenschrift im Ergebnis zutreffend dartut, würde eine Gleichbehandlung der Lebensgefährtin mit der Ehegattin den Zielsetzungen des GVG 1983 widersprechen.

Gegen die übrigen bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Bestimmungen bringt die Beschwerde keine Bedenken vor; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden.

1.3. Die Beschwerdeführerin wurde deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.1. Die Beschwerdeführerin erachtet sich deshalb im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt, weil sie durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung weder als Vermächtnisnehmerin das ihr zugedachte Legat noch als Erbin bücherliches Eigentum am unbeweglichen Nachlaß erwerben könne. Abgesehen davon, daß deshalb der durch die Rechtsordnung besonders geschützte Grundbuchstand von der zivilrechtlich gültigen außerbücherlichen Rechtslage abweiche und die Verkehrsfähigkeit der Liegenschaft eingeschränkt sei, habe die belangte Behörde ihre Entscheidung getroffen, ohne entsprechende Ermittlungen zur Höhe des Ausländeranteiles in Wängle vorzunehmen und ohne auf die Besonderheiten des Einzelfalles abzustellen. Die Beschwerdeführerin bewohne nämlich "zumindest halbjährlich" das betreffende Wohnhaus, in das sie "zur Sicherung ihres nicht bloß vorübergehenden Wohnbedarfes erhebliche, pfandrechtlich besicherte Geldmittel investiert hat, die es ausgeschlossen erscheinen lassen, daß es sich dabei um eine - den (Ausländer)Grundverkehrsinteressen abträgliche - spekulative Kapitalanlage handelt." Überdies sei die Beschwerdeführerin durch ihre "beinahe 30-jährige Wohnsitznahme" in das soziale Leben der Gemeinde Wängle "voll" integriert und werde bereits als "einheimische Mitbürgerin" angesehen.

2.2.1. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann verletzt sein, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellenden Fehler begangen hätte (vgl. etwa VfSlg. 11470/1987, 11635/1988, ). Auch eine denkunmögliche Würdigung des Sachverhaltes ist einer derartigen Gesetzlosigkeit gleichzuhalten (s. VfSlg. 12901/1991).

2.2.2. Ein solcher Fehler ist dem angefochtenen Bescheid nicht anzulasten. Die belangte Behörde gelangte aufgrund eines verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum Schluß, daß sich 7,4 % der Wohnungen in der Gemeinde Wängle im Eigentum ausländischer Staatsangehöriger befänden und das Ausmaß des in ausländischer Hand befindlichen Grundbesitzes rund 2,7 ha betrage; damit drohe in der Gemeinde Überfremdung einzutreten. Unter dieser Voraussetzung erscheint die Annahme der Überfremdung jedenfalls denkmöglich. Das Gesetz gibt überdies keine Anhaltspunkte dafür, daß innerhalb des ausländischen Grundbesitzes etwa danach, wie weit sich ausländische Rechterwerber bereits assimiliert haben, unterschieden werden dürfte (vgl. VfSlg. 8501/1979, 13303/1992, 13459/1993).

2.3. Die Beschwerdeführerin wurde deshalb nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.

3.1. Im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter erachtet sich die Beschwerdeführerin deswegen verletzt, weil die Landesgrundverkehrsbehörde bei Beschlußfassung nicht gehörig zusammengesetzt gewesen sei, da sie nicht über den Rechtserwerb zur Gänze, sondern getrennt, nämlich über eine land- und forstwirtschaftliche und über eine nicht land- und forstwirtschaftliche Grundstücksteilfläche, entschieden habe.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nach Art 83 Abs 2 B-VG (auch) durch unrichtige Zusammensetzung einer an sich zuständigen Kollegialbehörde verletzt (VfSlg. 11336/1987, 12280/1990, 12957/1991, ).

Der administrative Instanzenzug ist als Einheit aufzufassen; wird die sachliche Zuständigkeit auch nur in unterer Instanz gesetzwidrig in Anspruch genommen, so ist das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt, und zwar auch dann, wenn in oberer Instanz die zuständige Behörde eingeschritten ist (zB VfSlg. 5700/1968, 9599/1983, 11061/1986).

3.3. Der angefochtene Bescheid verletzt die Beschwerdeführerin nicht im genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen sind sowohl in erster als auch in zweiter Instanz jeweils die richtig zusammengesetzten Behörden eingeschritten. Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GVG 1983 unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes land- und forstwirtschaftliche Grundstücke. Für diese Grundstücke war gemäß § 13 Abs 1 lita GVG 1983 Grundverkehrsbehörde I. Instanz die auf Grund des § 9 des Tiroler Höfegesetzes eingerichtete Höfekommission; in zweiter Instanz hatte die Landesgrundverkehrsbehörde gemäß § 13 Abs 4 Z 1 leg.cit. zu entscheiden. Es ist unbestritten, daß die östliche Teilfläche der Liegenschaft landwirtschaftlich genutzt wird. Deshalb haben insoweit in erster und zweiter Instanz die richtig zusammengesetzten kollegialen Grundverkehrsbehörden entschieden.

Bei der westlichen Teilfläche hingegen handelt es sich um ein Grundstück im Sinne des § 1 Abs 1 Z 2 GVG 1983 ("Ausländergrunderwerb"). Diesbezüglich war ohne Zweifel in erster Instanz die Grundverkehrsbehörde gemäß § 13 Abs 1 litb und in zweiter Instanz jene gemäß § 13 Abs 4 Z 2 GVG 1983 zuständig; diese sind hier insoweit auch tätig geworden.

Da in erster und zweiter Instanz jeweils die richtig zusammengesetzte kollegiale Grundverkehrsbehörde entschieden hat, wurde die Beschwerdeführerin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

4. Die Beschwerde erweist sich deshalb insgesamt als unbegründet; sie war daher abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte

gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.