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OGH vom 18.08.2022, 12Os62/22t

OGH vom 18.08.2022, 12Os62/22t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Dr. Blecha in der Strafsache gegen Mag. * H* und einen Beschuldigten wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 34 St 160/21k der Staatsanwaltschaft Graz, über die von der Generalprokuratur gegen eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Oberstaatsanwältin Mag. Ramusch LL.M. LL.M., zu Recht erkannt:

Spruch

Im Strafverfahren gegen Mag. * H* wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 1, 224 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 34 St 160/21k der Staatsanwaltschaft Graz, verletzt die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vom über die Beendigung des Ermittlungsverfahrens § 190 Z 1 StPO sowie §§ 12 und 225a StGB.

Text

Gründe:

[1] Die Staatsanwaltschaft Graz führte zu AZ 34 St 160/21k ein Strafverfahren gegen Mag. * H* und einen Beschuldigten jeweils wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach „§§ 223 Abs 1, 224 StGB“, „in eventu“ der Datenfälschung nach § 225a StGB (ON 1.2).

[2] Demnach stand die Beschuldigte im Verdacht, zu einem „nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 2021 [...] einen falschen Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft GrazUmgebung, somit eine falsche inländische öffentliche Urkunde mit dem Vorsatz hergestellt“ zu haben, „dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich dafür, dass“ dem Mittäter der Beschuldigten „eine zur Verhütung der Weiterverbreitung von SARSCoV2 [...] vorgeschriebene Absonderung von der bescheiderlassenden Behörde angeordnet wurde, verwendet [werde]“ (ON 3 S 1).

[3] Am stellte die Staatsanwaltschaft Graz das Ermittlungsverfahren „gemäß § 190 Z 1 StPO“ mit folgender Begründung ein: „Das Ermittlungsverfahren ergab nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit [vgl aber 11 Os 124/19y], dass die Beschuldigten die Fälschung des Absonderungsbescheides selbst vornahmen. Da bloß das Verwenden einer ausgedruckten Urkunde eine strafbare Handlung nach § 223 Abs 2 StGB darstellt, hingegen das Verwenden einer [gemeint: einer nicht ausgedruckten] elektronisch gefälschten Urkunde nicht, liegt im gegenständlichen Fall kein strafbares Verhalten vor.“ (ON 1.6).

[4] Zugleich leitete die Staatsanwaltschaft Graz gegen unbekannte Täter ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Vergehens der Datenfälschung nach § 225a StGB ein und brach es gemäß § 197 Abs 1 und 2 StPO ab (ON 1.6).

[5] Gegen die Entscheidung über die Beendigung des Ermittlungsverfahrens gegen Mag. H* richtet sich die von der Rechtsschutzbeauftragten angeregte, zur Wahrung des Gesetzes erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Generalprokuratur (§ 23 Abs 1a StPO), worin Nachstehendes ausgeführt wird:

„Das Vergehen der Datenfälschung nach § 225a StGB begeht, wer durch Eingabe, Veränderung, Löschung oder Unterdrückung von Daten falsche Daten mit dem Vorsatz herstellt oder echte Daten mit dem Vorsatz verfälscht, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden. Das Delikt kann nicht nur von demjenigen begangen werden, der die Daten unmittelbar verfälscht, sondern auch von jener Person, die einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt (§ 12 StGB; Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 2 ff; Manhart in Preuschl/Wess, Wirtschaftsstrafrecht § 225a Rz 29). Kommt eine Strafbarkeit nach § 225a StGB mangels unmittelbarer Täterschaft nicht in Betracht, so bleibt die Tatbegehung daher keineswegs generell straflos, vielmehr ist auch die Tatbegehung als Bestimmungs- oder Beitragstäter nach § 12 zweiter und dritter Fall StGB zu prüfen.

Anfechtungsgegenstand einer auf Anregung des Rechtsschutzbeauftragten im Zusammenhang mit der Beendigung eines Ermittlungsverfahrens nach § 23 Abs 1a StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft selbst (RIS-Justiz RS0130620).

Bezugspunkt einer solchen Anfechtung ist demnach der von der Staatsanwaltschaft dieser Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt (RIS-Justiz RS0130620 [T1]), wie und soweit er sich (fallbezogen) aus den gemäß § 194 StPO erfolgten Verständigungen ergibt (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 6 und 18/10; Schroll/Oshidari, WK-StPO § 23 Rz 20; siehe überdies [bei nicht ausreichend erkennbarer Sachverhaltsgrundlage] RIS-Justiz RS0118977 [T8, T14]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 46, 50 ff).

Davon ausgehend kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit angenommen werden, dass die Beschuldigte H* den Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung selbst gefälscht habe (ON 1.6 S 1).

Auf Basis einer offenbar verfehlten Rechtsansicht hat es die Staatsanwaltschaft jedoch unterlassen, den Sachverhalt dahingehend zu prüfen und zu klären (vgl 17 Os 33/15d), ob die Beschuldigte H* den Tatbestand des § 225a StGB allenfalls als Bestimmungs- oder Beitragstäterin (§ 12 zweiter oder dritter Fall StGB) erfüllt hat, obwohl die bisherigen Verfahrensergebnisse, wonach die Beschuldigte – ihrer Verantwortung zufolge – den (elektronisch erstellten) Absonderungsbescheid‚ ,aus dem Internet gekauft‘ habe (ON 5.2 S 3 und ON 5.5 S 4), eine Beteiligung (§ 12 StGB) an einer von einem unbekannten Täter durchgeführten Datenfälschung zumindest indizieren (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600 f; RIS-Justiz RS0099689, RS0118580).

Die rechtliche Beurteilung der Staatsanwaltschaft, mangels Verfälschung der Daten durch die Beschuldigte H* selbst sei deren Strafbarkeit nach § 225a StGB nicht gegeben, ist demnach – mangels Berücksichtigung allfälliger (indizierter) Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft – verfehlt, weshalb ihre Entscheidung, das Ermittlungsverfahren gegen die Genannte wegen § 225a StGB gemäß § 190 Z 1 StPO einzustellen, mit dem Gesetz nicht in Einklang steht.“

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

[6] Ein begonnenes Strafverfahren (§ 1 Abs 2 StPO) ist von der Staatsanwaltschaft anstelle von weiteren Ermittlungen (vgl § 212 Z 2 StPO) jederzeit einzustellen, wenn (unter anderem) der ihm zugrundeliegende Sachverhalt – als wahr unterstellt – keiner (hier) strafbaren Handlung subsumierbar ist (§ 190 Z 1 StPO; vgl Ratz,Verfahrensführung und Rechtsschutz Rz 564). Indem die Staatsanwaltschaft die Verantwortung der Beschuldigten, den falschen (iSv unechten [vgl Reindl-Krauskopf in WK² StGB § 225a Rz 4 f mit Beispielen aus der Judikatur], in der Einstellungsbegründung als „elektronische Urkunde“ bezeichneten) elektronischen Absonderungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft GrazUmgebung im Internet „gekauft“ zu haben (ON 5.2 S 3, ON 5.5 S 4), ihrer Entscheidung zugrundelegte (maW als wahr unterstellte) und in rechtlicher Hinsicht zur Ansicht gelangte, dass auf Basis dieses Sachverhalts die strafbare Handlung (erkennbar) nach § 225a StGB nicht begründet wird, ist die Entscheidung über die Beendigung des Ermittlungsverfahrens gesetzwidrig.

[7] Denn – wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt – begeht nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung nach § 225a StGB, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder sonst zu ihrer Ausführung beiträgt (§ 12 StGB; Manhart in Preuschl/Wess, Wirtschaftsstrafrecht § 225a Rz 29; vgl allgemein zu § 12 StGB Fabrizy in WK² StGB § 12 Rz 2 ff, 10 und 16). Ausgehend von der gegenteiligen und daher verfehlten Rechtsansicht, dass nur die eigenhändige Herstellung falscher Daten (§ 12 erster Fall StGB) den Tatbestand des § 225a StGB verwirklicht, unterließ die Staatsanwaltschaft die Klärung des Sachverhalts in Richtung der (durch den geschilderten Inhalt der Beschuldigtenvernehmung) Beteiligung der Mag. H* nach § 12 zweiter oder dritter Fall StGB an der Herstellung falscher Daten durch eine unbekannte Täterschaft (vgl 17 Os 33/15d; Ratz, WKStPO § 292 Rz 18/10).

[8] Diese Gesetzesverletzung wirkt sich nicht zum Nachteil der Beschuldigten aus, sodass es mit ihrer Feststellung sein Bewenden hat (§ 292 vorletzter Satz StPO; vgl Ratz, WKStPO § 292 Rz 18/11).

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00062.22T.0818.000

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