OGH 28.10.2015, 9ObA119/15p
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat des Landeskrankenhauses *****, gegen die beklagte Partei Land *****, vertreten durch Pitschmann & Santner Anwaltspartnerschaft in Feldkirch, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 32/15s-11, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Art V NSchG-Nov 1992 sieht Schutzmaßnahmen für das Krankenpflegepersonal vor, das in den in Art V § 1 Z 1 NSchG-Nov 1992 beschriebenen Krankenanstalten oder in Pflegestationen von Pflegeheimen beschäftigt ist und Nachtschwerarbeit im Sinne des § 2 leistet (Art V § 1 Z 2 NSchG-Nov 1992). Für jeden Nachtdienst gebührt diesem Krankenpflegepersonal ein Zeitguthaben im Ausmaß von zwei Stunden für Nachtdienste, die nach dem geleistet werden (Art V § 3 Abs 1 Z 2 NSchG-Nov 1992).
Nach Art V § 2 Abs 1 NSchG-Nov 1992 leistet Nachtschwerarbeit ein Arbeitnehmer, der in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens sechs Stunden in den in Art V § 2 Abs 1 Z 1 bis 17 NSchG-Nov 1992 aufgezählten Einrichtungen beschäftigt ist und während dieser Zeit unmittelbar Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten leistet, sofern nicht in diese Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Ausmaß Arbeitsbereitschaft fällt.
Zwischen den Parteien des gegenständlichen Feststellungsverfahrens nach § 54 Abs 1 ASGG ist nicht weiter strittig, dass unter dem Begriff „erhebliches Ausmaß“ etwa ein Drittel der gesamten Bezugsgröße zu verstehen ist. Es herrscht jedoch Streit darüber, ob als Bezugsgröße die Mindestzeitdauer von sechs Stunden oder die tatsächlich von den (mehr als drei) vom Feststellungsbegehren betroffenen Arbeitnehmern der Beklagten zwischen 22 Uhr und 6 Uhr geleistete Nachtarbeit von acht Stunden heranzuziehen ist. Während nach Ansicht des klagenden Betriebsrats der Beklagten Nachtschwerarbeit schon dann vorliegt, wenn in der Nachtarbeitszeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens vier Stunden faktische unmittelbare Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten geleistet wird, gewährt die Beklagte den von der Klage betroffenen Mitarbeitern das nach Art V § 3 Abs 1 NSchG-Nov 1992 vorgesehene Zeitguthaben erst dann, wenn diese während der von ihnen tatsächlich verrichteten Nachtarbeit von acht Stunden faktische unmittelbare Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten im Ausmaß von sechs Stunden leisten.
Das Berufungsgericht teilte den Standpunkt des klagenden Betriebsrats und stellte fest, dass das im Landeskrankenhaus ***** beschäftigte, in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten stehende und von Art V § 1 Z 1 NSchG-Nov 1992 erfasste Krankenpflegepersonal für jeden Nachtdienst, bei dem es in der Zeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr mindestens sechs Stunden in einer Unfallambulanz, Notfallambulanz oder chirurgischen Ambulanz mit unmittelbarer Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten beschäftigt ist und hievon mindestens vier Stunden faktische unmittelbare Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten leistet, Anspruch auf ein Zeitguthaben von zwei Stunden iSd Art V § 3 Abs 1 Z 2 NSchG-Nov 1992 hat.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision zeigt keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RIS-Justiz RS0103384 [T5]). Die hier strittige Rechtsfrage wurde vom Obersten Gerichtshof bereits mit ausführlicher Begründung beantwortet (8 ObA 274/98x = SZ 72/115) und die Entscheidung auch der Begründung zu 9 ObA 66/05d zugrunde gelegt. Sie fand auch keine Kritik in der Lehre (vgl Windisch-Graetz in Aigner/Kletečka/Kletečka-Pulker/Memmer, Handbuch Medizinrecht, Kap IV. 3. 1. 9. 1.).
In der Entscheidung 8 ObA 274/98x stellte der Oberste Gerichtshof in einem Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG fest, dass die durch Art V § 1 Z 1 der NSchG-Nov 1992 erfassten Arbeitnehmer bereits dann Anspruch auf die Leistungen gemäß § 3 dieses Gesetzes haben, wenn die zeitlichen Anspruchsvoraussetzungen des Art V § 2 Abs 1 erster Satz dieses Gesetzes in der Weise erfüllt sind, dass bei Zutreffen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen während der Nachtarbeit von zumindest sechs Stunden in diese Zeit vom Arbeitnehmer verrichtete unmittelbare Betreuungs- und Behandlungsarbeit im Ausmaß von zumindest vier Stunden fällt.
Der Oberste Gerichtshof zog in dieser Entscheidung einen Vergleich mit dem dieselbe generelle Einschränkung bezüglich des zulässigen Anteils der Arbeitsbereitschaft enthaltenden Art VII NSchG und führte aus, dass insbesondere der Vergleich mit Art VII Abs 2 Z 6 NSchG, in der der Gesetzgeber das für die Begünstigung erforderliche Ausmaß der belastenden Arbeitsbedingungen je nach Intensität der Belastung unterschiedlich mit vier bzw zwei Stunden festsetzt, zeigt, dass mit der ersteren zeitlichen Einschränkung wohl der in Absatz 1 enthaltenen negativen Bedingung bezüglich des Anteils der Arbeitsbereitschaft Rechnung getragen wird. Der Lehrmeinung von B. Schwarz/Ziniel (Nachtschwerarbeitsgesetz, 1997, 93 ff) folgend hielt der Oberste Gerichtshof ausdrücklich fest, dass Art V § 2 Abs 1 NSchG-Nov 1992 dahin auszulegen ist, dass der Anteil der unmittelbaren Betreuungs- und Behandlungsarbeit mindestens vier Stunden betragen muss, um die Voraussetzungen für die Begünstigung nach diesem Gesetz zu erfüllen.
Damit hat der Oberste Gerichtshof klar zum Ausdruck gebracht, dass unabhängig von der konkreten Dauer der während der Nachtarbeitszeit (22 Uhr bis 6 Uhr) verrichteten Arbeit, solange sie nur mindestens sechs Stunden beträgt, eine bereits vier Stunden verrichtete (faktische) unmittelbare Betreuungs- und Behandlungsarbeit für Patienten als Nachtschwerarbeit gilt und zum Anspruch auf ein Zeitguthaben nach Art V § 3 Abs 1 NSchG-Nov 1992 führt.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des/der Beklagten zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Arbeitsrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00119.15P.1028.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
JAAAD-93159