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OGH vom 31.01.2007, 8Ob143/06x

OGH vom 31.01.2007, 8Ob143/06x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Parteien 1. Heinz A*****, 2. Mag. Christian A*****, beide vertreten durch Muhri & Werschitz Partnerschaft von Rechtsanwälten GmbH in Graz, wider die beklagten Parteien 1. H***** OHG, ***** 2. Robert E*****, 3. Walheide E*****, alle vertreten durch Schmid & Horn Rechtsanwälte GmbH in Graz, wegen 4.295,88 EUR sA (Rekursinteresse 4.116,70 EUR sA), über den Rekurs der Kläger gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 3 R 90/06m-19, womit über Berufung der Beklagten das Urteil des Bezirksgerichtes Graz vom , GZ 42 C 391/05y-14, in seinem klagestattgebenden Teil aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger sind jeweils Hälfteeigentümer der Liegenschaft mit der Grundstücksadresse H***** in ***** G*****.

Die Erstbeklagte ist seit 1955 Mieterin von im Haus gelegenen Geschäftsräumlichkeiten mit einer Nutzfläche von 58,32 m² sowie einem Kellerabteil. Der Zweitbeklagte und die Drittbeklagte sind persönlich haftende Gesellschafter der Erstbeklagten.

Im Mietvertrag war zunächst keine Indexierung des Mietzinses vorgesehen. Im März 1975 traf die Erstbeklagte mit den Rechtsvorgängern der Kläger eine Wertsicherungsvereinbarung. Mit Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Graz vom , GZ 6 Msch 6/99f-20, wurde rechtskräftig festgestellt, dass der angemessene Hauptmietzins für das Geschäftslokal, in dem die Erstbeklagte ein Kaffeehaus betreibt, „per" August 1998 monatlich 21.660 S 1.574,09 EUR) beträgt. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass der 90 %ige Gesellschaftsanteil des Erich E***** im Erbweg (Einantwortung rechtskräftig seit ) auf den Zweitbeklagten übergegangen war. Der bis zur Erhöhung geschuldete Hauptmietzins betrug netto 4.656,80 S 338,42 EUR).

Die Kläger begehren zuletzt 4.295,88 EUR sA an - rechnerisch unstrittigen - Differenzen zwischen den seit bis einschließlich Februar 2006 vorgeschriebenen und den bezahlten Mietzinsen für das Geschäftslokal. Diese Differenzen beruhen ausschließlich darauf, dass die Erstbeklagte nur den im Vorverfahren als angemessen festgestellten Hauptmietzins von 1.574,09 EUR, nicht aber die von den Klägern seit vorgeschriebene Wertsicherungserhöhung bezahlte. Die Kläger bringen dazu vor, dass nach ständiger Rechtsprechung des OGH Wertsicherungsvereinbarungen in Altverträgen ihre Gültigkeit behielten und nicht auf ihre Angemessenheit überprüft werden könnten. Im Übrigen sei der vorgeschriebene Hauptmietzins inklusive Wertsicherungserhöhung ohnedies angemessen.

Die Beklagten wenden dazu ein, dass durch die vorgeschriebene Wertsicherungserhöhung die Angemessenheitsgrenze des § 16 Abs 9 MRG überschritten werde. Eine Geltendmachung der sich durch die Wertsicherungserhöhung ergebenden Unangemessenheit des Hauptmietzinses stehe auch einem „Altmieter" zu, wenn die Vorschreibung des angemessenen Hauptmietzinses auf einer gesetzlichen Hauptmietzinserhöhung (hier nach § 12a Abs 3 MRG) beruhe. Das Erstgericht, das ein Teilbegehren von 179,18 EUR sA wegen Bejahung eines Mietzinsminderungsanspruches der Erstbeklagten für die Bestandzinsperioden Dezember 2005 bis Februar 2006 rechtskräftig abwies, verpflichtete die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 4.116,70 EUR sA. Das Erstgericht erachtete rechtlich, dass vor dem geschlossene zulässige Wertsicherungsvereinbarungen wirksam blieben und nicht auf ein Überschreiten der Angemessenheitsgrenze des § 16 Abs 1 MRG überprüfbar seien. Das Berufungsgericht gab der dagegen von den Beklagten erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil im Umfang der Klagestattgebung auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht, wobei es aussprach, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle, ob nach einer auf § 12a Abs 3 MRG gestützten einseitigen Mietzinsanhebung durch Anwendung der ursprünglich getroffenen Wertsicherungsvereinbarung die für Geschäftsräumlichkeiten geltenden Mietzinsobergrenzen des § 16 Abs 1 MRG überschritten werden könnten.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass der Vermieter von Geschäftsräumlichkeiten als Ausgleich für einen aufgezwungenen „Mieterwechsel" den angemessenen Mietzins verlangen dürfe, den er bei Neuvermietung erhalten würde. Die Vermieter hätten davon 1998 Gebrauch gemacht und den ursprünglich vereinbarten, seit 1975 vertraglich wertgesicherten Hauptmietzins, der niedriger als der angemessene Hauptmietzins nach § 16 Abs 1 MRG gewesen sei, gemäß § 12a Abs 2 MRG bis zu dem nach § 16 Abs 1 MRG zulässigen Betrag einseitig angehoben. Der Mietzins werde seither nicht aufgrund Willenseinigung der Vertragspartner, sondern aufgrund der vom Gesetz eingeräumten einseitigen Vertragsänderung durch die Vermieter gebildet. Dieser einseitig angehobene Hauptmietzins unterliege anders als der vereinbarte Hauptmietzins nur innerhalb der durch § 16 Abs 9 Satz 1 MRG gesetzten Grenzen einer vertraglichen Wertsicherung. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, er habe durch die Anwendung einer zuvor wirksam geschlossenen Wertsicherungsvereinbarung und einer danach erfolgten einseitigen Mietzinserhöhung das Ergebnis erzielen wollen, dass damit die Mietzinsobergrenzen des MRG überschritten werden könnten. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen über den jeweils ortsüblichen Mietzins zu treffen haben. Der dagegen von den Klägern erhobene Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unstrittig ist, dass die Wertsicherungsvereinbarung 1975 zulässig getroffen wurde (§ 16 Abs 1 Z 4 MG in der anzuwendenden Fassung; siehe auch Zingher, Mietengesetz17 § 16 MG Anm 8). Ebenfalls unstrittig ist, dass die ursprüngliche Hauptmietzinsvorschreibung von 1574,09 EUR netto, die von der Erstbeklagten auch bezahlt wird, darauf beruht, dass infolge Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen des § 12a Abs 3 MRG die Eigentümer den Hauptmietzins 1998 auf das angemessene Ausmaß erhöhten.

Auch der in erster Instanz eingewendete Mietzinsminderungsanspruch der Beklagten ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Ausschließlich strittig zwischen den Parteien ist somit nur noch, ob die vom Vermieter aufgrund der Wertsicherungsvereinbarung 1975 vorgeschriebenen Erhöhungen des nun geschuldeten angemessenen Hauptmietzinses auf ihre Angemessenheitsgrenze hin überprüft werden können.

Schon die Urfassung des MRG regelte in § 16 Abs 6 MRG, dass dann, wenn sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins ergibt als nach § 16 Abs 1 bis 5 MRG zulässig ist, der übersteigende Teil unwirksam ist. § 44 Abs 1 MRG in der Stammfassung des Gesetzes sah vor, dass eine Wertsicherungsvereinbarung in einem vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossenen Mietvertrag über eine Wohnung, für die nunmehr § 16 Abs 2 gilt, insoweit rechtsunwirksam ist, als eine allfällige Erhöhung das im § 16 Abs 4 vorgesehene Maß übersteigt. § 44 Abs 2 MRG behandelte die Voraussetzungen für ein Ermäßigungsbegehren des Hauptmieters einer vor gemieteten Wohnung.

Die herrschende Lehre und Rechtsprechung vertrat außerhalb des Anwendungsbereiches des § 44 MRG in der Stammfassung (also insbesondere für Geschäftslokale) die Auffassung, dass zwar die Zulässigkeit einer vor dem in Bezug auf eine Geschäftsräumlichkeit geschlossenen Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses nach dem bei Vertragsabschluss geltenden Recht zu beurteilen sei. Ein nach dem gestelltes Erhöhungsbegehren des Vermieters, das auf eine in dieser Vereinbarung enthaltene Wertsicherungsklausel gestützt wird, könne allerdings - aber immer nur in dem den Ausgangspunkt der Erhöhung übersteigenden Teil - darauf überprüft werden, ob nun die Angemessenheitsgrenze überschritten werde (SZ 56/110; siehe ferner Vonkilch, Die Überprüfung der Wertsicherung und die Mietrechtsentwicklung, wobl 2000, 212 [213] mwN aus Lehre und Rechtsprechung).

Durch das am in Kraft getretene 3. WÄG wurde einerseits (Art II Abschn I Z 35) § 44 MRG aufgehoben und andererseits die bisherige Regelung des § 16 Abs 6 MRG nahezu unverändert als § 16 Abs 9 MRG übernommen. Die Übergangsbestimmung des Art II Abschn II Z 5 des 3. WÄG hält dazu wörtlich fest: „Eine vor dem Inkrafttreten des I. Abschnittes geschlossene und nach den damaligen Bestimmungen rechtswirksame Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses oder ein Begehren nach § 46 Abs 2 in der bisherigen Fassung und deren (dessen) Wertsicherung behält ihre (seine) Rechtswirksamkeit. Eine nach den damaligen Bestimmungen rechtsunwirksame Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses bleibt rechtsunwirksam." Würth (Würth/Zingher, WohnR 94 Anm 10 zu Art II Abschn II) versteht diese Übergangsvorschrift als Durchbrechung der Vorschrift des ersten Satzes des § 16 Abs 9 MRG, wonach die Erhöhung kraft Wertsicherung den für neue Mietzinsvereinbarungen zulässigen Betrag nicht überschreiten dürfe. In der Rechtsprechung (5 Ob 151/95; 5 Ob 81/99v; 5 Ob 11/00d) wird ebenfalls die Auffassung vertreten, dass Art II Abschn II Z 5 des 3. WÄG § 16 Abs 9 MRG durchbricht, wenn eine im Abschlusszeitpunkt zulässige und wirksame Wertsicherungsvereinbarung getroffen worden war. Für nach 1982 geschlossene Hauptmietzinsvereinbarungen über Geschäftsräume, für deren Mietzinsbildung bereits § 16 Abs 1 MRG galt, ist § 16 Abs 9 MRG heranzuziehen. Für jene „Altverträge" hingegen, die vor geschlossen wurden, behält nicht nur die ursprüngliche Hauptmietzinsvereinbarung samt Wertsicherungsvereinbarung ihre Wirkung, sondern es ist auch eine Überprüfung der bei diesen Altverträgen eingetretenen Wertsicherung nach § 16 Abs 9 MRG ausgeschlossen. Insofern ist die Regelung des § 16 Abs 9 MRG nicht anzuwenden (so grundsätzlich auch Vonkilch aaO 213 ff, der sich lediglich dagegen wendet, die Übergangsbestimmung des 3. WÄG so auszulegen, dass Wertsicherungserhöhungen, die zwischen und dem Inkrafttreten des 3. WÄG eintraten, auch im Falle der Unangemessenheit „praktisch rückwirkend saniert" werden können). Es ist somit den Klägern darin beizupflichten, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine vor zulässig getroffene Wertsicherungsvereinbarung bei im Abschlusszeitpunkt gegebener freier Mietzinsbildung zulässig bleibt und insofern § 16 Abs 9 MRG nicht anzuwenden ist. Damit ist aber noch nicht die Frage beantwortet, ob diese Grundsätze auch dann zu gelten haben, wenn - wie hier - die Wertsicherungsvereinbarung nicht auf einen ursprünglich zulässig vereinbarten Hauptmietzinses anzuwenden ist, sondern auf einen im Geltungsbereich des MRG aufgrund gesetzlicher Mietzinsbildungserhöhungsvorschriften erhöhten Hauptmietzins, im Anlassfall auf einen im Sinne des § 12a Abs 3 MRG erhöhten angemessenen Hauptmietzins. Schon zu § 12 Abs 3 MRG idF vor dem 3. WÄG wurde in der Rechtsprechung klargestellt, dass der Vermieter aufgrund einer seinerzeit vereinbarten Wertsicherung diese auch dann vom Unternehmenserwerber (hier: von der Mieterin nach Eintritt des „Machtwechsels") verlangen kann, wenn er in seinem Antrag nach § 12 Abs 3 MRG auf Feststellung des angemessenen Hauptmietzinses darauf nicht ausdrücklich Bezug genommen hat (8 Ob 570/92; generell zur Möglichkeit, den erhöhten angemessenen Hauptmietzins wertgesichert zu begehren siehe RIS-Justiz RS0070440). Der erkennende Senat pflichtet nun dem Rekursgericht darin bei, dass eine im Geltungsbereich des MRG erfolgte einseitige gesetzliche Erhöhung des vor Inkrafttreten des MRG zulässig frei vereinbarten Hauptmietzinses nicht dem Fall gleichzuhalten ist, dass die Wertsicherungsvereinbarung auf den ursprünglich zulässig frei vereinbarten Hauptmietzins anzuwenden ist. Vielmehr liegt im Fall einer einseitigen gesetzlichen Erhöhung des Hauptmietzinses (hier aufgrund des Vorliegens des Tatbestandes des § 12a Abs 3 MRG) eben keine auf ihre Angemessenheit nicht überprüfbare Vereinbarung in einem vor dem geschlossenen „Altvertrag" vor. Die von den Klägern gewünschte „Kombination" dahin, dass der im Geltungsbereich des MRG gesetzlich erhöhte nunmehrige angemessene Hauptmietzins aufgrund der ursprünglichen Wertsicherungsvereinbarung unüberprüfbar erhöht werden kann, also ein Überschreiten der Angemessenheitsgrenze des § 16 Abs 1 MRG durch die Anwendung der alten Wertsicherungsvereinbarung nicht geltend gemacht werden kann, würde zu dem unbilligen Ergebnis führen, dass der „Altmieter", der eine oftmals gravierende gesetzliche Erhöhung des ursprünglich vereinbarten Hauptmietzinses hinzunehmen hat, gegenüber einem Mieter, der nach dem mietete, dadurch benachteiligt ist, dass er das Überschreiten der Angemessenheitsgrenze des § 16 Abs 1 MRG durch Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung nicht geltend machen kann. Im hier zu beurteilenden Fall wird der vom Mieter zu entrichtende Hauptmietzins nach den Regeln des § 16 Abs 1 MRG gebildet. Es ist daher nur konsequent, auch § 16 Abs 9 MRG auf diesen nicht vertraglich, sondern aufgrund eines gesetzlichen Erhöhungstatbestandes geschuldeten Hauptmietzins anzuwenden. Dass der Gesetzgeber bei Schaffung der Bestimmungen des § 12a MRG bzw § 12 Abs 3 MRG aF den Eingriff in Altverträge so weit ausdehnen wollte, dass bei Vorliegen eines gesetzlichen Erhöhungstatbestandes letztlich sogar mehr als der angemessene Hauptmietzins bezahlt werden soll, kann nicht unterstellt werden.

Zutreffend ist somit das Rekursgericht davon ausgegangen, dass der Einwand der Beklagten, durch die Wertsicherungserhöhung sei die Angemessenheitsgrenze des § 16 Abs 1 MRG verletzt worden, beachtlich ist. Der Auftrag des Rekursgerichtes, das - von den Klägern ausdrücklich bestrittene - Vorbringen der Beklagten zu überprüfen, wonach die von den Klägern geltend gemachte Wertsicherungserhöhung Unangemessenheit des Hauptmietzinses nach sich zieht, beruht daher auf einer zutreffenden Rechtsauffassung.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.