OGH vom 30.05.2017, 8ObA23/17s

OGH vom 30.05.2017, 8ObA23/17s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Hübner und Mag. Andreas Schlitzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Beer & Steinmair Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** K*****, vertreten durch Plankel Mayrhofer & Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 7.241,99 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 92/16i-28, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der hier vorliegende Fall ist mit der zuletzt zu 8 ObA 54/16y entschiedenen Rechtssache vergleichbar. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof die auch hier aufgeworfenen Fragen beantwortet.

2. Für den Anlassfall ist der vom Erstgericht festgehaltene Umstand maßgebend, dass die Provisionszahlungen der Produktgesellschaft an die Klägerin nicht „ratierlich“ entsprechend den (periodischen) Zahlungen durch den Kunden (an die Produktgesellschaft) erfolgten, sondern dass jeweils nach Abschluss des Geschäfts zwischen der Produktgesellschaft und dem Kunden die gesamte der Klägerin zustehende Provision von der Produktgesellschaft an die Klägerin überwiesen wurde. Dazu hat das Erstgericht, dessen Beurteilung vom Berufungsgericht bestätigt wurde, zutreffend darauf hingewiesen, dass für den Vermittler (Agenten) im Verhältnis zur einseitig zwingenden Bestimmung des § 9 Abs 2 HVertrG günstigere vertragliche Regelungen nach dem Günstigkeitsprinzip aufrecht bleiben (siehe dazu 8 ObA 19/15z und 8 ObA 22/15s).

Da die Klägerin zu jedem zugrunde liegenden Geschäftsfall die gesamte Provision ausgezahlt erhalten hat, wurden auch die korrespondierenden Provisionen vom Beklagten bereits zur Gänze verdient. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob der Provisionsanspruch des Handelsvertreters (Agenten) nach § 9 Abs 2 HVertrG (anders als nach § 26b leg cit) auch schon dann zur Gänze entsteht, wenn das Geschäft durch den Kunden – durch Zahlung der ersten Prämie – (teilweise) ausgeführt wird, was im Übrigen zu bejahen wäre, stellt sich auch hier nicht.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass es im Anlassfall wegen teilnichtiger Vertragslage nicht um die Rückforderung von Provisionsvorschüssen, sondern von bereits verdienten (entstandenen) Provisionen gehe, erweist sich nicht als korrekturbedürftig.

3. Für den Anlassfall ergibt sich, dass die Rückforderung von Teilen der bereits verdienten Provision nur nach den einseitig zwingenden Vorgaben des § 9 Abs 3 HVertrG (bzw des § 26b Abs 2 leg cit) zulässig ist. Die Behauptungs- und Beweislast zur Rückforderung verdienter Provisionen nach § 9 Abs 3 HVertrG ist in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ebenfalls bereits geklärt.

Nach der Entscheidung 8 ObA 19/15z ist bei einer Kündigung oder Änderung eines Vertrags durch den Kunden („auch auf Wunsch eines Kunden“) nicht zu vermuten, dass die Umstände dafür nicht in der Sphäre des Unternehmens liegen. Auch die Behauptung, eine Prämienfreistellung oder eine Prämienreduktion liege objektiv nicht in der Sphäre der Klägerin oder der Produktgesellschaft, begründet keine Vermutung und enthebt die Klägerin daher nicht von ihrer Behauptungslast. Maßgebend ist vielmehr, dass die Stornierung (Kündigung) oder Vertragsänderung (Prämienfreistellung, Prämienreduzierung) nicht von der Produktgesellschaft (oder der Klägerin selbst) ausgegangen ist, nicht durch ihr Verhalten veranlasst wurde oder der Auflösungs- oder Änderungsgrund nicht sonst von ihr zu vertreten ist. Dementsprechend müsste der Unternehmer zu jedem einzelnen Stornierungs- oder Änderungsfall einen konkreten Sachverhalt behaupten, aus dem sich die genannten Konsequenzen schlüssig ableiten lassen.

In der Entscheidung 8 ObA 54/16y wurde bereits dargelegt, dass im gegebenen Zusammenhang auch der Entscheidung 9 ObA 47/15z nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist, sondern auch diese Entscheidung an der Notwendigkeit eines Vorbringens dazu, wessen Sphäre der Auflösungsgrund (Änderungsgrund) zuzurechnen ist, festhält.

Die typisch einzelfallbezogene Beurteilung der Vorinstanzen, dass ein schlagwortartiger Hinweis auf Stornierungsgründe wie etwa „Kündigung“, „Konvertierung“ oder „Rückkauf“ für ein schlüssiges Vorbringen nicht genüge, entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Die Berücksichtigung jener Stornierungsfälle, zu denen die Klägerin ein näheres Vorbringen erstattet hat, würde – worauf die Vorinstanzen hingewiesen haben – zu keinem anderen Ergebnis führen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin genügt auch das Vorbringen nicht, die Kündigungsschreiben der Kunden seien mit Hilfe des Beklagten übermittelt worden, weil sich auch daraus die Beweggründe für die einzelnen Kündigungen nicht entnehmen lassen. Da der Klägerin zumindest die Hintergründe für die Vertragsentwicklung bekannt sein müssen, kann auch nicht von einem Beweisnotstand ausgegangen werden. Zumindest hätte sie aber auch Derartiges schlüssig darlegen müssen.

4. Insgesamt gelingt es der Klägerin nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00023.17S.0530.000

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