OGH vom 28.01.2014, 10ObS188/13i

OGH vom 28.01.2014, 10ObS188/13i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist Straße 1, wegen Ausgleichszulage, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 102/13v 9, womit das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 30 Cgs 58/13y 5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Staatsbürger der Republik Kosovo. Im April 2009 wurde ihm das Visum „D“ für Saisoniers erteilt, das ihn zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet von maximal sechs Monaten berechtigte. Im Mai 2009 erlitt er einen Arbeitsunfall, bei dem er schwer verletzt wurde. Seit bezieht er eine Invaliditätspension und eine Versehrtenrente. Ab wurde ihm eine Ausgleichszulage in wechselnder Höhe zuerkannt; diese betrug im März 2013 222,71 EUR. Zuletzt wurde ihm mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft E***** vom eine Aufenthaltsbewilligung gemäß § 69a NAG (wegen besonderen Schutzbedürfnisses) bis zum erteilt. Im September 2012 stellte der Kläger bei der Bezirkshauptmannschaft E***** einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer „Rot Weiß Rot Karte plus“ (§ 41a Abs 3 NAG). Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen und die aufschiebende Wirkung der Berufung ausgeschlossen. In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen der §§ 41a Abs 3, 69a NAG nicht vorlägen. Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 64 AVG sei notwendig, um ein Ausweisungsverfahren anhängig machen zu können. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Berufung an das Bundesministerium für Inneres. Dessen Entscheidung lag zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch nicht vor.

Mit Bescheid vom stellte die beklagte Partei fest, dass der Anspruch des Klägers auf Ausgleichszulage mit mangels Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ende.

Das Erstgericht wies das gegen diesen Bescheid erhobene Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihm über den hinaus die Ausgleichszulage zu gewähren, ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Rechtlich ging es mit ausführlicher Begründung im Wesentlichen davon aus, mangels Vorliegens eines rechtskräftigen Bescheides sei die verwaltungsrechtliche Vorfrage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von den Gerichten zu beurteilen. Der Kläger habe zuletzt ausschließlich einen Zweckänderungsantrag (§ 2 Abs 1 Z 12 NAG), nicht aber einen Verlängerungsantrag (§ 2 Abs 1 Z 11 NAG) gestellt. Da seine Aufenthaltsbewilligung wegen besonderen Schutzbedürfnisses nach § 69a NAG bereits am abgelaufen sei und mit dem Zweckänderungsantrag lediglich der Umstieg auf einen anderen Aufenthaltstitel mit anderem Zweckumfang während der Geltung des bisherigen Aufenthaltstitels und keine Verlängerung des Aufenthaltsrechts in Österreich beantragt worden sei, könne unabhängig vom Ausgang des verwaltungsbehördlichen Berufungsverfahrens nicht davon ausgegangen werden, dass er sich seit noch rechtmäßig im Inland aufhalte. Während nämlich nach § 24 Abs 1 NAG ein Antragsteller nach Stellung eines Verlängerungsantrags unbeschadet fremdenpolizeilicher Bestimmungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, fehle eine vergleichbare Regelung für den Fall der Stellung eines Zweckänderungsantrags.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zu entscheiden war, sondern die Entscheidung von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist als unzulässig zurückzuweisen.

1. Gemäß § 292 Abs 1 ASVG in der hier bereits maßgebenden Fassung des Budgetbegleitgesetzes (BudgetbegleitG) 2011, BGBl I 2010/111, gebührt die Ausgleichszulage zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Pensionsberechtigten, setzt aber einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass durch das Abstellen auf den „rechtmäßigen Aufenthalt“ ein Gleichklang der Ausgleichszulagenregelung mit dem europäischen und österreichischen Aufenthaltsrecht hergestellt werden soll (ErläutRV 981 BlgNR 24. GP 206).

2. Im Revisionsverfahren ist nicht strittig, dass der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Strittig ist lediglich die Frage, ob es sich dabei um einen rechtmäßigen Aufenthalt handelt. Ob die für die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts notwendigen Voraussetzungen vorliegen, hat das Gericht im Rahmen der Beurteilung des Anspruchs auf Ausgleichszulage grundsätzlich selbstständig zu prüfen (10 ObS 152/13w).

3. Die Unterbrechung des Rechtsstreits im Sinne des § 190 ZPO im Hinblick auf ein anhängiges Verwaltungsverfahren liegt im Ermessen des Gerichts. Es kann sein Verfahren unterbrechen oder von der Unterbrechung absehen und die von der Verwaltungsbehörde zu entscheidende Frage als „Vorfrage“ selbst lösen. Eine Anfechtung der Ablehnung der Unterbrechung, welche Form immer diese auch hat, ist gemäß § 192 Abs 2 ZPO ausgeschlossen. Eine Mängelrüge wegen unterbliebener Verfahrensunterbrechung ist ausschließlich dann statthaft, wenn die Unterbrechung im Gesetz zwingend vorgeschrieben ist (RIS Justiz RS0037020 [T4], Fucik in Rechberger , ZPO 3 § 192 ZPO Rz 2 mwN). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es begründet daher keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, wenn das Berufungsgericht dem in der Berufung enthaltenen Antrag auf Unterbrechung des Rechtsstreits bis zum Vorliegen der Berufungsentscheidung des Innenministeriums im Verfahren über den Zweckänderungsantrag auf Erteilung einer „ Rot Weiß Rot Karte plus“ nicht gefolgt ist.

4. Der Kläger, der nicht EWR Bürger oder Schweizer Bürger ist, ist „Drittstaatsangehöriger“ iSd § 2 Abs 1 Z 6 NAG. Für seinen rechtmäßigen Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet ist die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung konstitutiv ( Muzak/Pinter 3 , Fremden-und Asylrecht, 15. Nachtrag, 25).

3. Bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts als Tatbestandsvoraussetzung für den Anspruch auf Ausgleichszulage handelt es sich um eine Frage des Verwaltungsrechts. Der Oberste Gerichtshof ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Verwaltungsrechts aber nicht berufen (RIS Justiz RS0113455 [T3]). Mangels einer Leitfunktion in Verwaltungssachen wären nur grobe Beurteilungsfehler der Vorinstanzen zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit zu korrigieren. Inwiefern die von den Vorinstanzen vertretene Rechtsansicht in den maßgeblichen Bestimmungen des NAG keine Deckung finden sollte, wird in der Revision aber nicht ausgeführt. Mit dem Vorbringen, es sei „nicht nachvollziehbar“, warum gemäß § 24 Abs 1 NAG bei Einleitung eines Verlängerungsverfahrens nach § 41a Abs 3 NAG weiterhin ein rechtmäßiger Aufenthalt gegeben sein soll, nicht aber bei Einleitung des Zweckänderungsverfahrens, weshalb der Kläger auch im Zeitraum nach Ablauf der Aufenthaltsbewilligung am bis zum Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über den Zweckänderungsantrag „weiterhin rechtmäßig in Österreich bleiben können müsse“, wird jedenfalls kein grober Beurteilungsfehler aufgezeigt.

Die Revision ist aus diesen Gründen mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.