OGH vom 01.07.2003, 10ObS188/02y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Peter Scherz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Frederik P*****, vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 35/02v-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Krems an der Donau als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cgs 279/00p-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang des Zuspruchs einer Versehrtenrente im Ausmaß von 50 vH der Vollrente sowie einer Zusatzrente für Schwerversehrte vom bis und einer Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente vom bis für die Folgen des Arbeitsunfalles vom sowie im Kostenpunkt aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Im Übrigen werden die Entscheidungen der Vorinstanzen - im Zuspruch einer Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente als Dauerrente ab - als Teilurteil bestätigt. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger erlitt am als KFZ-Mechanikerlehrling im Betrieb der Raiffeisen-Lagerhaus Zwettl regGenmbH einen Arbeitsunfall.
Mit Schreiben vom , das bei der beklagten Partei am einlangte, begehrte der Kläger die Zuerkennung einer Versehrtenrente für die Folgen seines am erlittenen Arbeitsunfalls.
Mit Bescheid vom hat die beklagte Partei den Unfall des Klägers als Arbeitsunfall anerkannt, die durch diesen Unfall verursachten Verletzungen sowie die Bemessungsgrundlage mit 227.292,80 S festgestellt, die Gewährung einer Rente für die Zeit vom (Tag nach Wegfall des Krankengeldanspruchs) bis abgelehnt und dem Kläger ab bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH eine Versehrtenrente von monatlich 2.239,70 S 162,77 EUR) als Dauerrente gewährt. Die Ablehnung der Gewährung einer Rente für die Zeit vom bis wurde damit begründet, dass eine Unfallsanzeige nicht innerhalb von 2 Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls erstattet worden sei. Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage des Klägers mit dem Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, ihm für die Folgen des Arbeitsunfalls vom ab eine Versehrtenrente von mehr als 20 vH der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß als Dauerrente zu gewähren.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei für schuldig, dem Kläger für die Folgen des Arbeitsunfalls vom eine Versehrtenrente im Ausmaß von 50 vH der Vollrente für die Zeit vom bis sowie eine Versehrtenrente für Schwerversehrte für diesen Zeitraum und eine Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente ab dem als Dauerrente zu zahlen.
Es traf folgende Feststellungen:
Am Tag des Unfalls des Klägers verfasste eine Angestellte der Dienstgeberin des Klägers eine Unfallsanzeige, wozu sie das von der beklagten Partei aufgelegte Formblatt verwendete. Entweder noch am selben Tag oder am nächsten Tag sandte sie dieses Formular der beklagten Partei per Post zu. Zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls aber innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall, kamen im Zug routinemäßiger Besuche Außendienstmitarbeiter der beklagten Partei zur Dienstgeberin des Klägers. Dabei kam auch der Unfall des Klägers zur Sprache. Der Anspruch des Klägers wurde innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall nicht von Amts wegen festgestellt. Der Kläger brachte auch keinen Antrag auf Feststellung ein. Die durch den Arbeitsunfall herbeigeführte Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers betrug vom bis 50 vH und seit dem 20 vH.
Im Rahmen der Beweiswürdigung führte das Erstgericht aus, dass die Unfallsanzeige im Anstaltsakt der beklagten Partei nicht vorhanden sei, besage nichts. Es sei ohne weiteres möglich und entspreche der Lebenserfahrung, dass in einem entsprechend großen Bürobetrieb einzelne Schriftstücke falsch eingeordnet, irrtümlich fehlerhaft zusammengeheftet, falsch abgelegt werden oder sonst in Verstoß geraten.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass dem Kläger die Versehrtenrente mit dem Tag nach dem Wegfall des Krankengelds zuzuerkennen gewesen sei, weil ihm der Beweis gelungen sei, dass die Unfallsanzeige vom Dienstgeber rechtzeitig erstatten worden sei.
Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung erhobenen Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und gab folgendes als Feststellung des Erstgerichts wieder: "Die Unfallsanzeige des Dienstgebers aus dem Jahr 1994 ist im Anstaltsakt der Beklagten nicht vorhanden. Es ist ohne weiteres möglich, dass im entsprechend großen Bürobetrieb der beklagten Partei einzelne Schriftstücke falsch eingeordnet, irrtümlich fehlerhaft zusammengeheftet, falsch abgelegt worden oder sonst in Verstoß geraten sind."
Der Rüge der beklagten Partei, es sei nicht nachvollziehbar, wie das Erstgericht zur Auffassung komme, dass die Unfallmeldung bei der beklagten Partei eingelangt und bei ihr in Verstoß geraten sei, hielt es entgegen, für das Inverstoßgeraten der Unfallsanzeige bei der beklagten Partei spreche, dass sich im Anstaltsakt auch eine Unfallsanzeige des Krankenhauses Zwettl nicht finde, obwohl in diesem Krankenhaus die Tatsache, dass es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe, bekannt gewesen sei. Dass das Krankenhaus entgegen § 363 Abs 1 ASVG ebenfalls keine Unfallsanzeige an die beklagte Partei abgesandt oder beide Unfallsanzeigen am Postweg verloren gegangen seien, erscheine jedenfalls unwahrscheinlicher, als dass beide Schriftstücke gemeinsam bei der beklagten Partei in Verstoß geraten seien. Es begegne daher keinen Bedenken, wenn das Erstgericht die Feststellung getroffen habe, dass die mit datierte Unfallsanzeige bei der beklagten Partei eingelangt und dort in Verstoß geraten sei. Im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge führte es noch aus, nach den getroffenen Feststellungen sei die Unfallsanzeige kurz nach dem Unfall bei der beklagten Partei eingelangt.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im klageabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist im Sinn des Aufhebungsantrags teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Unfallsanzeige am Tag des Unfalls oder am Tag danach vom Dienstgeber abgesandt wurde, traf jedoch keine Feststellung, dass die Unfallanzeige bei der beklagten Partei eingelangt ist, geschweige denn wann sie einlangte. Obwohl das Berufungsgericht nach seinen eigenen Ausführungen die erstgerichtlichen Feststellungen zur Gänze übernommen hat, hält es bei der Behandlung der Beweisrüge der Berufungswerberin fest, dass Erstgericht habe festgestellt, dass die Unfallanzeige tatsächlich bei der beklagten Partei eingelangt sei. Seinen Rechtsausführungen legte das Berufungsgericht sodann die Tatsachenannahme zugrunde, die Unfallanzeige sei kurz nach dem Unfall bei der beklagten Partei eingelangt. Die von der Revisionswerberin dem Sinne nach aufgezeigte Aktenwidrigkeit liegt demnach vor. Das Berufungsgericht hat nicht eigene Feststellungen treffen, sondern nur die erstgerichtlichen Feststellungen wiedergeben wollen. Dabei ist ihm ein Übertragungswiderspruch unterlaufen (vgl Fasching IV 317 f). Seine Tatsachenannahme ist nicht auf eine Ergänzung oder Wiederholung des Beweisverfahrens zurückzuführen, sondern ausschließlich Ergebnis aktenwidriger Übertragung erstinstanzlicher Feststellungen, wird doch eine Feststellung wiedergegeben, die im Ersturteil gar nicht enthalten ist. Anstelle der aktenwidrigen (Wiedergabe der) Feststellung ist die durch den Akteninhalt gedeckte und vom Berufungsgericht nach seiner Absicht übernommene Feststellung des Erstgerichts, dass die Unfallanzeige am Tag des Unfalls oder am Tag danach mit Post an die beklagte Partei abgesandt wurde, zu setzen (1 Ob 530/88; 9 ObA 2120/96x ua; Fasching, Lehrbuch2 Rz 1915). Auf der Grundlage der erstinstanzlichen Feststellungen ist die Sache aber im Umfang des Begehrens einer Versehrtenrente für den Zeitraum vom bis nicht entscheidungsreif. Leistungen aus der Unfallversicherung fallen, wenn innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls weder der Anspruch von Amts wegen festgestellt noch ein Antrag auf Feststellung des Anspruches gestellt wurde mit dem Tag der späteren Antragstellung bzw mit dem Tag der Einleitung des Verfahrens an, das zur Feststellung des Anspruchs führt (§ 86 Abs 4 Satz 1 ASVG). Wird aber eine Unfallsanzeige innerhalb von zwei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalls erstattet, so gilt der Zeitpunkt des Einlangens der Unfallsanzeige beim Unfallversicherungsträger als Tag der Einleitung des Verfahrens, wenn dem Versicherten zum Zeitpunkt einer späteren Antragstellung oder Einleitung des Verfahrens noch ein Anspruch auf Rentenleistungen zusteht (§ 86 Abs 4 Satz 2 ASVG). Da feststeht, dass innerhalb von zwei Jahren ab Eintritt des Versicherungsfalls () weder ein Antrag auf Feststellung einer Versehrtenrente gestellt noch ein Anspruch von Amts wegen festgestellt wurde, dem Kläger aber zum Zeitpunkt der Antragstellung am noch ein Anspruch auf Rentenleistung zustand, fiele die vom Kläger begehrte Leistung nur dann mit dem Tag nach dem Wegfall des Krankengeldes (§ 204 Abs 1 ASVG), nämlich dem , an, wenn innerhalb dieser Zweijahresfrist eine Unfallsanzeige erstattet worden wäre.
Unter Bezugnahme auf den Wortlaut des § 86 Abs 4 Satz 2 ASVG und die Geschichte dieser Norm sowie im Hinblick auf das für Leistungsansprüche in der Unfallversicherung in § 361 Abs 1 Z 2 ASVG verankerte Amtswegigkeitsprinzip legte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SSV-NF 8/41 dar, dass unter Unfallsanzeige im Sinn dieser Bestimmung nicht nur Unfallsanzeigen nach § 363 Abs 1 ASVG zu verstehen sind. Bei (auch) amtswegig zu erbringenden Leistungen entsteht nämlich die Leistungspflicht (Entscheidungspflicht) des Versicherungsträgers bereits in dem Zeitpunkt, in dem alle materiellen Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn der Versicherungsträger diese kennt. Diese Kenntnis kann dem Versicherungsträger auf verschiedene Weise verschafft werden. In Frage kommen Meldungen der Leistungsempfänger, Unfallsanzeigen der Dienstgeber, Anzeigen von Berufskrankheiten durch Ärzte, Anträge der Leistungsempfänger usw (SSV-NF 8/41 mwN). Diese Meldungen, Anzeigen und Anträge sind jedoch bei von Amts wegen zu erbringenden Leistungen keine selbständigen formellen Leistungsvoraussetzungen, weil die bloße Kenntnis der materiellen Voraussetzungen für das Tätigwerden des Versicherungsträgers genügt und es nicht darauf ankommt, wie er diese Kenntnis erlangt hat (SSV-NF 8/41 mwN). So stellt eine dem Unfallversicherungsträger übermittelte Ambulanzkarte, in der die Verletzungen des Versicherten angeführt sind und sich ein Hinweis auf einen Arbeitsunfall findet, jedenfalls im Zusammenhang mit einem vom Versicherten ausgefüllten und an den Unfallversicherungsträger rückgemittelten Fragebogen eine Unfallsanzeige im Sinn des § 86 Abs 4 Satz 2 ASVG dar (SSV-NF 8/11). Eine (materielle) Unfallsanzeige ist auch in einem von der chirurgischen Ambulanz eines Krankenhauses an den Unfallsversicherungsträger erstatteten "Erstbericht Arbeitsunfall", der neben den Personaldaten des Patienten einschließlich seines Dienstgebers, Krankenversicherungs- und Unfallsversicherungsträgers Angaben über Zeit, Ort und Hergang des (Arbeits)unfalls, die diagnostizierten Folgen und die vorgesehene Behandlung enthält, zu erblicken. Damit wird nämlich der Unfallversicherungsträger in die Lage versetzt, unverzüglich ein Feststellungsverfahren einzuleiten und die Tatsachen feststellen zu lassen, die für die Ermittlung, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung in Betracht kommt, erforderlich sind (SSV-NF 8/41). Das Erstgericht stellte fest, dass jedenfalls innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall im Zug routinemäßiger Besuche von Außendienstmitarbeitern der beklagten Partei bei der Dienstgeberin des Klägers auch dessen Unfall zur Sprache gekommen sei. Die beklagte Partei hat diese Feststellung in ihrer Berufung mit Beweisrüge bekämpft. Das Berufungsgericht hat dieser Rüge keine Relevanz beigemessen, weil es davon ausging, die schriftliche Unfallsanzeige der Dienstgeberin sei bei der beklagten Partei eingelangt und dort in Verlust geraten. Dies rügt die beklagte Partei in ihrer Revision als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Die Feststellung des Erstgerichts reicht indes nicht für die Annahme einer (materiellen) Unfallsanzeige iSd § 86 Abs 4 Satz 2 ASVG, die auch formlos erstattet werden kann. Nach Einlangen einer Unfallsanzeige lässt der Unfallversicherungsträger unverzüglich die Tatsachen feststellen, welche für die Ermittlung, ob und in welcher Höhe eine Entschädigung in Betracht kommt, erforderlich sind (§ 364 ASVG). Bescheide über die Feststellung von Leistungen aus der Unfallversicherung sind binnen sechs Monaten nach dem Einlangen der Unfallsanzeige (nach dem Einlangen des Antrages) zu erlassen (§ 368 Abs 1 ASVG). Den §§ 361 Abs 1 Z 2 iVm § 364, § 368 ASVG ist zu entnehmen, dass der Unfallversicherungsträger in Leistungssachen zur amtswegigen Einleitung und Fortsetzung des Verfahrens nach Kenntniserlangung des den Versicherungsfall begründenden Sachverhalts verpflichtet ist. Der Tag des Einlangens einer rechtzeitigen Unfallsanzeige beim Unfallversicherungsträger gilt als Tag der Einleitung des Verfahrens (§ 86 Abs 4 Satz 2 ASVG). Unfallsanzeigen sollen daher den Versicherungsträger in die Lage versetzen, ein Feststellungsverfahren einzuleiten. Um eine Mitteilung über ein Unfallgeschehen an den Versicherungsträger als Unfallanzeige ansehen zu können, muss im Hinblick auf diesen Zweck zumindest aus den Umständen hervorgehen, dass damit der Unfall gemeldet werden soll. Dies wird regelmäßig anzunehmen sein, wenn der Versicherte, der Dienstgeber, eine meldepflichtige Stelle oder sonst jemand mit der Mitteilung an den Versicherungsträger herantritt. Hingegen kann dies ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht angenommen werden, wenn bei einem Routinebesuch von Außendienstmitarbeitern beim Dienstgeber des Versicherten dessen Unfall zur Sprache kommt, weil ein Außendienstmitarbeiter regelmäßig davon ausgehen kann, dass der Dienstgeber die ihm in § 363 Abs 1 ASVG aufgegebene - strafbewehrte (§ 111 ASVG) - Verpflichtung zur Unfallsanzeige in der dort vorgesehenen Form erfüllt hat. Hätten im vorliegenden Fall die Außendienstmitarbeiter nachgefragt, ob der Unfall bereits der beklagten Partei vom Dienstgeber angezeigt wurde, so wäre ihnen dies bestätigt worden, sodass die Außendienstmitarbeiter keinen Anlass für weitere Schritte gehabt hätten.
Ziel der Regelung des § 86 Abs 4 Satz 2 ASVG ist, Leistungen für die Vergangenheit auch dann zu gewähren, wenn nur die Unfallsanzeige rechtzeitig erfolgt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass die Zweijahresfrist nur dann gewahrt ist, wenn die Unfallsanzeige innerhalb dieser Frist beim Versicherungsträger eingelangt ist. Diese Frist ist eine materiellrechtliche Frist, weshalb der Postlauf in die Frist einzurechnen ist (SSV-NF 7/64 mit ausführlicher Begründung; 10 ObS 263/93). Kommt es für die Wahrung der Frist auf den Zeitpunkt des Einlangens der Unfallsanzeige beim Versicherungsträger an, so sind darüber Feststellungen zu treffen. Dies hat das Erstgericht unterlassen. Es hat lediglich die Absendung der Unfallsanzeige der Dienstgeberin mit der Post am Tag des Unfalls oder am Tag danach festgestellt. Anhaltspunkte, dass die Absendung eingeschrieben erfolgte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Ein Erfahrungssatz, dass gewöhnliche Briefe immer zugehen, besteht aber nicht, sodass ein Anscheinsbeweis des Zugangs durch den Beweis der - nicht eingeschriebenen - Absendung nicht zulässig ist (JBl 1984, 487; Rummel in Rummel³ ABGB § 862a Rz 9). Es gibt auch keinen Rechtssatz, dass bei bewiesenem Absenden eines - nicht eingeschriebenen - Briefes mit der Post der Zugang beim Adressaten zu vermuten wäre (JBl 1984, 487; RIS-Justiz RS0014065). Die Tatsache der Abgabe einer gewöhnlichen Sendung an die Post bewirkt keine Beweislastumkehr (7 Ob 675/89 = wbl 1990, 26). Wohl gibt es in Sozialrechtssachen keine subjektive Beweisführungslast, doch geht die objektive Beweislast (Feststellungslast) hinsichtlich der rechtsbegründenden Tatsachen zu Ungunsten des klagenden Versicherten (SSV-NF 1/48 = SZ 60/23; SSV-NF 9/23 ua). Da die Tatsacheninstanzen alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen haben (§ 87 Abs 1 ASGG), fallen bei Unaufklärbarkeit eines wesentlichen Umstands die Folgen der objektiven Beweislast dem, der eine günstige Rechtsfolge geltend macht, nur dann, aber auch stets dann zur Last, wenn der genannte Nachweis nicht zu erbringen ist (SSV-NF 9/23). Demnach trifft den Kläger das Risiko, wenn das Einlangen der Unfallsanzeige des Dienstgebers bei der beklagten Partei vor Ablauf der Zweijahresfrist nicht festgestellt werden kann, aber gleichzeitig auch das Nichtvorliegen dieser Tatsache nicht feststeht.
Davon ausgehend kann über das Begehren einer Versehrtenrente für den Zeitraum bis noch nicht entschieden werden. In diesem Punkt bedarf es offenbar einer Verhandlung erster Instanz, um die Sache spruchreif zu machen, weshalb insoweit die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Streitsache an das Erstgericht zurückzuverweisen waren. Das Erstgericht wird zunächst zu prüfen haben, ob und wann die schriftliche Unfallsanzeige der Dienstgeberin bei der beklagten Partei eingelangt ist. Sollte dies nicht feststellbar sein, wird das Erstgericht Feststellungen über die Umstände und den Inhalt der Gespräche über den Unfall mit den Außendienstmitarbeitern der beklagten Partei zu treffen haben, denn erst dann kann abschließend beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für die Annahme einer Unfallmeldung gegeben sind. Gegen den nach den Feststellungen zu bejahenden, den bekämpften Bescheid insoweit wiederholenden (§ 71 Abs 2 ASGG) Zuspruch der Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente ab , wurde schon in der Berufung der beklagten Partei nichts geltend gemacht, sodass dieser als Teilurteil zu bestätigen war.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.