OGH vom 26.11.2013, 9ObA105/13a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Brigitte Augustin und Mag. Andreas Hach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. J***** O*****, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** AG, *****, vertreten durch Mag. Judith Morgenstern, Rechtsanwältin in Wien, wegen Rechnungslegung, Zahlung und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 31/13z 17, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 19 Cga 3/12t 13, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der Beklagten vom bis beschäftigt.
Am schloss der Vorstand der Beklagten mit dem zuständigen Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (BV) über eine zusätzliche Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung ab. Dadurch wurde die bisherige kollektivvertragliche Pensionsvereinbarung in ein Pensionskassensystem übergeführt.
Die Betriebsvereinbarung enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
„ ...
§ 2 Geltungsbereich:
(1) Zeitlicher Geltungsbereich:
Diese Betriebsvereinbarung beginnt mit und wird unbefristet abgeschlossen.
(2) Persönlicher Geltungsbereich:
Sie gilt für alle Arbeitnehmer,
1. die zum über eine Pensionszusage des Arbeitgebers verfügen oder
2. deren Dienstverhältnis zum Arbeitgeber nach dem begonnen hat, und die vom BRA vertreten werden.
§ 3 Anwartschaften:
Die vom Arbeitgeber an die Pensionskasse entrichteten Beiträge und das gegebenenfalls überwiesene Deckungserfordernis ergeben eine Anwartschaft auf die in § 10 angeführten Leistungen. ...
Die Höhe der Anwartschaften ergibt sich aus der Höhe der Beiträge bzw des überwiesenen Deckungserfordernisses, dem Geschäftsplan der Pensionskasse und dem Veranlagungserfolg der für die Alterspension bestimmten Beitragsteile.
§ 4 Beiträge des Arbeitgebers:
(1) Laufende Beiträge:
Der Arbeitgeber leistet
1. für den Arbeitnehmer (Anwartschafts-berechtigten) gemäß § 2 Abs 2 Z 1 [Alt Arbeitnehmer mit Pensionszusage] ...
2. für den Arbeitnehmer (Anwartschafts-berechtigten) gemäß § 2 Abs 2 Z 2 [Neu-Arbeitnehmer] …
Zeiten, in denen der Arbeitnehmer gegen Entfall der Bezüge karenziert ist, gelten nicht als Dienstzeit. Für solche Zeiten leistet der Arbeitgeber daher keinen Beitrag.
Endet das Dienstverhältnis unterjährig, erfolgt eine Anrechnung der Beiträge nur entsprechend der tatsächlichen Dauer des Dienstverhältnisses.
Fällt eine Invaliditätspension oder für die Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs 2 Z 1 eine vorzeitige Alterspension an, erfolgt die Finanzierung des zur Leistungserbringung allenfalls fehlenden Kapitals durch die Einbringung eines einmaligen Nachschusses durch den Arbeitgeber unter der Annahme, dass der Arbeitnehmer Beiträge geleistet hat.
Ist bei Anwendung des § 10 lit d) der Veranlagungserfolg unter Berücksichtigung der Auflösung einer allenfalls vorhandenen Schwankungsrückstellung geringer als der Rechnungszins, leistet der Arbeitgeber auch den sich aus dieser Differenz ergebenden Beitrag (Nachschusspflicht).
...
§ 7 Unverfallbarkeit der Anwartschaften:
Scheidet ein Anwartschaftsberechtigter gemäß § 2 Abs 2 Z 1 vor Eintritt eines Leistungsfalles aus dem Dienstverhältnis aus, so werden seine bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens erworbenen Anwartschaften auf Alterspension sowie Hinterbliebenenpension bei Tod als Pensionsbezieher unverfallbar im Sinne des Betriebspensionsgesetzes. ...
Über die unverfallbaren Ansprüche kann vom Ausscheidenden in folgender Weise disponiert werden:
a) Umwandlung in eine beitragsfrei gestellte Anwartschaft
b) …
...
Gibt der Ausscheidende binnen sechs Monaten ab Beendigung des Arbeitsverhältnisses keine diesbezügliche Erklärung ab, so wird die Anwartschaft gemäß lit a) beitragsfrei gestellt.
...
§ 10 Leistungen:
a) Aus der Zusatzvorsorge gebühren die Alterspension, die vorzeitige Alterspension bzw die Invaliditätspension und die Hinterbliebenenpensionen (Witwen , Witwer , Waisenpension).
b) ...
c) ...
d) Valorisierung: Die Leistungen werden jährlich zum 1. 1. entsprechend der Differenz zwischen dem Rechnungszins (derzeit 6,5 %) und dem erzielten rechnungsmäßigen Überschuss der Veranlagungs- und Risikogemeinschaft im vorangegangenen Geschäftsjahr valorisiert, sofern die gesetzlich vorgeschriebene Dotierung der Schwankungsrückstellung nicht einen davon abweichenden Valorisierungssatz notwendig macht.
…
§ 12 Vorzeitige Alterspension
a) …
b) Höhe der Leistung
…
Gehalt, Beitragsleistungen und Alterspension werden auf ein Ausscheiden mit 60 (Frauen)/65 (Männer) projiziert. Hieraus wird ein projizierter Deckungsgrad (Alterspension in Prozent des Gehalts) errechnet.
...
c) …
§ 13 Invaliditätspension
a) …
b) Höhe der Leistung
…
c) …
§ 19 Einstellen der Beitragszahlung
Gemäß § 6 Abs 1 des Betriebspensionsgesetzes kann der Arbeitgeber, falls sich seine wirtschaftliche Lage nachhaltig so verschlechtert, dass die Zahlung der Beiträge an die Pensionskasse eine Gefährdung des Weiterbestands des Unternehmens zur Folge hätte, die Beitragszahlung einstellen (Widerruf). …
Die bis zum Widerruf erworbenen Anwartschaften bleiben dem Arbeitnehmer erhalten.
…
§ 20 Einschränken oder Aussetzen der Beitragszahlung
Gemäß § 6 Abs 6 Betriebspensionsgesetz kann der Arbeitgeber bei Vorliegen zwingender wirtschaftlicher Gründe die Beitragszahlung temporär einschränken oder aussetzen.
…
Bei Einschränken oder Aussetzen der Firmenbeiträge kann der Anwartschaftsberechtigte
a) …
b) …
c) (auch) die Beiträge des Arbeitgebers übernehmen. “
Der Kläger ist aus der Pensionskasse noch nicht leistungsberechtigt, sondern mangels Erklärung über die Verwendung des „Anwartschaftsbetrags“ („Unverfallbarkeitsbetrags“) beitragsfrei gestellter Anwartschaftsberechtigter.
Der Kläger begehrt in Form einer Stufenklage , die Beklagte zu verpflichten, ihm Rechnung über die gemäß § 4 iVm § 10 BV fälligen Nachschüsse an die Pensionskasse zu seinen Gunsten ab dem zu legen, nämlich einer allfälligen Differenz aus dem Veranlagungserfolg unter Berücksichtigung der Auflösung einer allenfalls vorhandenen Schwankungsrückstellung und dem vereinbarten Rechnungszins in Höhe von 6,5 % pa, um ersichtlich zu machen, welcher Fehlbetrag ihm seit dem aufgrund der Nichteinhaltung dieser Nachschusspflicht aus der BV vom entstanden sei sowie die Zahlung des sich ergebenden Betrags bei der Pensionskasse. Weiters begehrt er die Feststellung, dass die Leistung der zukünftigen Beiträge der Beklagten an die Pensionskasse zu seinen Gunsten derart zu erfolgen habe, dass bei Nichterreichung des Mindestveranlagungsergebnisses die Beklagte ihrer Nachschusspflicht nachzukommen und den Nachschuss unverzüglich an die Pensionskasse einzuzahlen habe, indem die Beklagte für den Fall, dass der Veranlagungserfolg unter Berücksichtigung der Auflösung einer allenfalls vorhandenen Schwankungsrückstellung geringer sei als der Rechnungszins, auch den sich aus dieser Differenz ergebenden Betrag zu leisten habe, damit der vereinbarte Rechnungszins von jährlich 6,5 % pa erreicht werde. Obwohl der in der BV zugesicherte Veranlagungserfolg von 6,5 % pa für die Jahre 2008 bis 2010 nicht erreicht worden sei, habe die Beklagte entgegen § 4 Abs 1 Z 2 letzter Satz BV keine Nachschüsse an die Pensionskasse geleistet.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass sich aus der BV keine Nachschussverpflichtung für Anwartschaftsberechtigte während der Anwartschaftsphase ableiten lasse.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Anspruch auf Valorisierung bzw Nachschuss des Dienstgebers bestehe nur in der Leistungsphase, nicht aber in der Anwartschaftsphase. Die BV sehe nur eine jährliche Valorisierung der bereits errechneten Pensionsleistung, nicht aber eine Nachschusspflicht des Dienstgebers in der Anwartschaftsphase vor.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Nach der Entscheidung 9 ObA 92/10k seien zwar Leistungen aus dem Unverfallbarkeitsbetrag zu valorisieren. Im Anlassfall liege aber noch keine Pensionsleistung iSd § 10 lit a) BV und somit auch keine Leistung aus dem Unverfallbarkeitsbetrag vor. Die ordentliche Revision erachtete es für zulässig, weil der Auslegung der BV im Hinblick auf den davon betroffenen größeren Personenkreis erhebliche Bedeutung zukomme.
In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgabe.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
I. Schon die Vorentscheidung 9 ObA 92/10k (krit Eberhartinger/Widner , Zur sachgerechten Interpretation einer Pensionskassen Vereinbarung, ecolex 2011, 1033; Resch , Auslegung einer Betriebsvereinbarung als beitrags oder leistungsorientierte Pensionskassenzusage? RdW 2012/230, 220) hatte eine Auslegung der auch hier zu beurteilenden Betriebsvereinbarung zum Gegenstand. Es können daher zunächst die bereits darin dargelegten und auch für den vorliegenden Fall maßgeblichen grundsätzlichen Erwägungen nutzbar gemacht werden:
1. Das Pensionskassengesetz stellt den rein organisationsrechtlichen Rahmen für die sondergesetzlich ermöglichte Übertragung der Pensionsleistungspflicht auf eine Pensionskasse zur Verfügung. Nach wirksamer Übertragung der Leistungspflicht an die Pensionskasse schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur mehr die Beitragsleistung an die Pensionskasse. Soweit er seine Pflicht zur Beitragsleistung erfüllt, wird er von der direkten Leistungsverpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer befreit. Ein abgesehen von der Beitragszahlung weiterer Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber kann demnach grundsätzlich nur im Fall einer Nachschusspflicht bestehen. Regelmäßig ist nur bei leistungsorientierten Pensionsmodellen eine Deckungslücke iSd § 5 Z 3 PKG und damit eine Nachschusspflicht anzunehmen. Zur Frage, in welchen Fällen den Arbeitgeber eine Nachschusspflicht trifft, enthält das Pensionskassengesetz allerdings keine Aussage; sie ist vielmehr durch Auslegung der Übertragungsvereinbarung (Leistungszusage) zu beantworten (RIS Justiz RS0119398).
2. Die Auslegung von Übertragungs-vereinbarungen (auch) in Form von Betriebsvereinbarungen hat objektiv nach den Regeln der §§ 6 und 7 ABGB zu erfolgen (RIS Justiz RS0050963). In erster Linie ist bei der Auslegung einer Betriebsvereinbarung der Wortsinn auch im Zusammenhang mit den übrigen Regelungen zu erforschen und die sich aus dem Text der Betriebsvereinbarung ergebende Absicht der Betriebsvereinbarungsparteien zu berücksichtigen (vgl RIS Justiz RS0010089; 9 ObA 123/12x). Bei der Auslegung muss zumindest im Zweifel unterstellt werden, dass die Parteien eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen und daher eine Ungleichbehandlung der Normadressaten vermeiden wollten (vgl RIS Justiz RS0008897; RS0008828). Dabei steckt der äußerst mögliche Wortsinn die Grenze jeglicher Auslegung ab (RIS Justiz RS0008796).
3. Ohne Erklärung des vor dem Leistungsanfall aus dem Dienstverhältnis ausgeschiedenen Dienstnehmers iSd § 7 der BV über die Verwendung des „Anwartschaftsbetrags“ („Unverfallbarkeitsbetrags“) wird die Anwartschaft beitragsfrei gestellt. Dies bedeutet, dass für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis von der Beklagten keine weiteren (laufenden) Beiträge mehr gezahlt werden. Dies ändert aber nichts an der Unverfallbarkeit des Anwartschaftsbetrags, der in der Pensionskasse veranlagt bleibt.
4. Die BV begründet Ansprüche auf zusätzliche Versorgungsleistungen („Zusatzvorsorge“) zur Alterspension, vorzeitigen Alterspension, Invaliditätspension und Hinterbliebenenpension (§ 10 lit a) BV).
5. In der Entscheidung 9 ObA 92/10k kam der Oberste Gerichtshof zum Ergebnis, dass sich bei Zurückbleiben des Veranlagungserfolgs hinter dem Rechnungszins die in § 4 Abs 1 letzter Absatz BV normierte Nachschusspflicht des Arbeitgebers generell auf alle Pensionsleistungen iSd § 10 lit a) BV erstrecke, zu der auch die unverfallbaren Anwartschaften („Unverfallbarkeits-betrag“) iSd § 7 lit a) BV gehörten. Dazu wurde soweit hier wesentlich näher ausgeführt:
„ Nach § 10 lit d) der BV werden sämtliche Pensionsleistungen iSd § 10 lit a), somit auch die Leistungen aus dem Unverfallbarkeitsbetrag, grundsätzlich bis zum Rechnungszinssatz (unter Berücksichtigung einer speziellen Deckelung) valorisiert. Schon inhaltlich besteht ein systematischer Zusammenhang zwischen dieser Bestimmung und der Regelung über die Nachschusspflicht in § 4 Abs 1 letzter Absatz der BV. Dieser Zusammenhang wird durch den ausdrücklichen Verweis in § 4 Abs 1 letzter Absatz auf § 10 lit d) bestätigt. Demnach trifft den Arbeitgeber 'bei Anwendung des § 10 lit d)', also im Hinblick auf die Valorisierung der Pensionsleistungen eine Nachschusspflicht, wenn der Veranlagungserfolg hinter dem Rechnungszins zurückbleibt. Während § 10 lit d) den Anspruch auf Valorisierung beschreibt, regelt § 4 Abs 1 letzter Absatz spiegelbildlich dazu die Nachschusspflicht des Arbeitgebers, um die Valorisierung decken zu können und auf diese Weise die zugesagte Wertentwicklung abzusichern. Da die Nachschusspflicht des Arbeitgebers dessen Beitragsleistung betrifft, ist diese auch systematisch richtig im Rahmen des § 4 der BV geregelt. Der Vorwurf der Beklagten, die Vorinstanzen würden die Regelungen über die Leistungserbringung (§ 10) mit jenen über die Beitragsaufbringung (§ 4) vermengen, ist somit nicht gerechtfertigt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten regelt § 10 der BV nicht den Vorgang der Auszahlung der Pensionsleistungen, sondern beschreibt vielmehr die Leistungsansprüche aus der Zusatzvorsorge, die den Arbeitnehmern 'gebühren'. Die Regelung über die Valorisierung der Leistungsansprüche nach Maßgabe des Rechnungszinses betrifft somit die Wertsteigerung des Deckungskapitals, das jährlich zu valorisieren ist. Der Ansicht der Beklagten, § 10 lit d) sehe eine Inflationsanpassung nur während der Leistungsphase vor, ist damit nicht beizutreten.
…
Für das Vorliegen einer selbständigen Regelung in § 4 Abs 1 letzter Absatz der BV, die sich nicht auf den vorhergehenden Absatz bezieht, spricht auch der Klammerausdruck ('Nachschusspflicht'). Zunächst handelt es sich bei der Bezeichnung 'Nachschusspflicht' um den für ein leistungsorientiertes Pensionskassenmodell charakteristischen Ausdruck. Der Hervorhebung dieses Begriffs kommt vor allem dann ein vernünftiger Sinngehalt zu, wenn dieser als Abgrenzung zur speziellen Regelung im vorhergehenden Absatz verstanden wird, die einen lediglich einmaligen Nachschuss für einen Sonderfall betrifft. Die Verwendung des Wortes 'auch' in § 4 Abs 1 letzter Absatz spricht keineswegs gegen die Formulierung einer weiteren, gesonderten Nachschussleistung.
...
Die Auslegung der zu Grunde liegenden Betriebsvereinbarung über eine zusätzliche Alters , Invaliditäts und Hinterbliebenenversorgung führt somit insgesamt zum Ergebnis, dass sich bei Zurückbleiben des Veranlagungserfolgs hinter dem Rechnungszins die in § 4 Abs 1 letzter Absatz normierte Nachschusspflicht des Arbeitgebers generell auf alle Pensionsleistungen iSd § 10 lit a) erstreckt, zu der auch die unverfallbaren Anwartschaften ('Unverfallbarkeitsbetrag') iSd § 7 lit a) gehören. “
6. Der Entscheidung 9 ObA 92/10k lag, wie aus dem Urteil des Berufungsgerichts (OLG Wien 7 Ra 47/10y) ersichtlich, ein Begehren des (dortigen) Klägers zugrunde, das darauf abzielte, die (dortige und auch hier) Beklagte für die Jahre bis einschließlich 2008 zur Leistung eines entsprechenden Nachschusses an die Pensionskasse zu verpflichten, damit die Beklagte rückwirkend mit (= Pensionsantritt des Klägers) an den Kläger eine monatliche Pension nach der BV auszahlen könne, bei der ein monatlicher Veranlagungserfolg von zumindest 6,5 % berücksichtigt worden sei. Der Oberste Gerichtshof hat in 9 ObA 92/10k entgegen der Annahme des Revisionswerbers nicht generell ausgesprochen, dass „Anwartschaften der Valorisierungsregelung der BV unterlägen“. Dazu bestand auch kein Anlass. Mit seiner Ausführung, die in § 4 Abs 1 letzter Absatz BV normierte Nachschusspflicht des Arbeitgebers erstrecke sich generell auf alle Pensionsleistungen iSd § 10 lit a) BV, zu der auch die unverfallbaren Anwartschaften („Unverfallbarkeitsbetrag“) iSd § 7 lit a) BV gehörten, wurde lediglich dem Argument der Beklagten, bei den Leistungen aus einer unverfallbaren Anwartschaft iSd § 7 BV handle es sich um keine Pensionsleistung iSd § 10 lit a) BV, widersprochen. Anders als in der Vorentscheidung, in der erst ab der Leistungsphase Nachschüsse eingeklagt wurden, geht es im vorliegenden Fall um die Frage, ob die Beklagte bereits während der Anwartschaftsphase eine Pflicht zur Valorisierung und allfälligen Leistung eines Nachschusses trifft.
II. Dazu ist Folgendes auszuführen:
1. Schon der oben wiedergegebene Wortlaut des § 10 BV, der die Überschrift „Leistungen“ trägt, spricht gegen die vom Kläger gewünschte Auslegung. Nach lit d) dieser Bestimmung werden „Leistungen“ valorisiert. Diese Leistungen sind unter lit a) des § 10 BV taxativ aufgezählt. Es handelt sich um die Alterspension, die vorzeitige Alterspension bzw die Invaliditätspension und die Hinterbliebenenpensionen (Witwen , Witwer , Waisenpension). Valorisiert werden demnach Pensionsleistungen , also Leistungen, die während der Leistungsphase gewährt werden. Eine Valorisierung von bloß unverfallbaren Anwartschaften während der Anwartschaftsphase , in der die Beklagte beitragsfrei gestellt ist (§ 7 lit a) BV), sieht die BV nicht vor.
2. Dieses Auslegungsergebnis steht der vom Revisionswerber geforderten Berücksichtigung des gerechten Interessenausgleichs zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht entgegen. Sein Argument, die Nachschusspflicht sei von Arbeitnehmerseite als Ausgleich für den hoch angesetzten und die Beklagte wegen des dadurch geringeren Deckungserfordernisses bevorzugenden Rechnungszins von 6,5 % ausgehandelt worden, lässt sich dem Text der BV in der vom Revisionswerber gewünschten Form nicht entnehmen. Eine aus dem Text nicht hervorgehende Absicht der Betriebsvereinbarungsparteien hat aber außer Betracht zu bleiben (vgl RIS Justiz RS0010088; 8 ObA 52/03k).
3. Dass die Beklagte, sollte sie während der Anwartschaftsphase insolvent werden, keine Nachschüsse mehr leisten könne, gilt auch für die Leistungsphase. Im Gegensatz zu der bis zur Übertragung auf die Pensionskasse bestandenen direkten Leistungszusage bleiben die unverfallbaren Anwartschaften in der Pensionskasse trotz einer allfälligen Insolvenz der Beklagten sogar erhalten und die Leistungsberechtigten können bei Leistungsanfall noch Pensionskassenleistungen beziehen.
4. Auch die §§ 19 und 20 BV vermögen das vom Kläger gewünschte Auslegungsergebnis nicht zu tragen. Beide Bestimmungen setzen einen Anspruch auf laufende Beitragsleistungen des Arbeitgebers voraus, sind jedoch weder Anspruchsgrundlage für die begehrte Valorisierung des vorhandenen Deckungskapitals während der Anwartschaftsphase noch für die Leistung entsprechender Nachschüsse durch die Beklagte.
5. Das von den Vorinstanzen unter Berufung auf Resch (Auslegung einer Betriebsvereinbarung als beitrags- oder leistungsorientierte Pensionskassenzusage? RdW 2012/230, 220 [222]) gebrauchte Argument für ihr Auslegungsergebnis, die Normierung einer Nachschusspflicht erst in der Leistungsphase habe durchaus Sinn, könne doch erst der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Pensionist nicht mehr auf die Pensionsentwicklung sinnvoll reagieren, während eine noch im Erwerbsleben befindliche Person typischerweise durch Umschichtung von laufenden Einkünften in die Alterssicherung disponieren könne, wird auch vom erkennenden Senat geteilt. Dass es so der Revisionswerber Anwartschaftsberechtigten im Einzelfall aus finanziellen Gründen nicht möglich sei, allfällige Kapitalmarktverluste durch das Ansparen weiterer Rücklagen wettzumachen, widerspricht diesem grundsätzlichen und vom Wortlaut der BV getragenen Sinn der Regelung nicht.
6. Auch mit dem Hinweis des Revisionswerbers auf ein vorliegendes Mischsystem zwischen einer rein beitragsorientierten und einer rein leistungsorientierten Pensionszusage ist für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Die in der BV für bestimmte Sonderfälle (Invaliditätspension und für Arbeitnehmer gemäß § 2 Abs 2 Z 1 BV vorzeitige Alterspension) geregelte Nachschusspflicht der Beklagten (§ 4 Abs 1 vorletzter Absatz BV) soll grundsätzlich sicherstellen, dass auch in diesen Fällen rechnerisch jene Beiträge bei Pensionsantritt berücksichtigt werden, die bis zum „regulären“ Pensionsantritt von der Beklagten geleistet worden wären (vgl zur Höhe § 12 lit b) und § 13 lit b) BV). Dies lässt aber keinen zwingenden Rückschluss darauf zu, dass die Betriebsvereinbarungsparteien eine Valorisierung des Deckungskapitals während der Anwartschaftsphase vereinbaren wollten.
7. Das Auslegungsergebnis der Vorinstanzen ist entgegen der Annahme des Revisionswerbers nicht unsachlich. Die in § 10 lit d) zweiter Satz BV vorgesehene Deckelung der Höhe des Valorisierungsprozentsatzes und die in § 10 lit d) dritter Satz BV vorgesehene allfällige Anrechnung des sich daraus ergebenden Guthabens auf die Beiträge des Arbeitgebers sollten erkennbar ein sozial gerechtes und angemessenes Verhältnis zwischen den Bezügen von aktiven und bereits ausgeschiedenen Mitarbeitern schaffen. Die Wertsicherung des Deckungskapitals in der Anwartschaftsphase erfolgt nach der sich aus dem Text der BV ergebenden Absicht der Betriebsvereinbarungsparteien ausschließlich über die Veranlagung am Kapitalmarkt.
8. Zusammengefasst besteht nach Umwandlung der unverfallbaren Ansprüche in eine beitragsfrei gestellte Anwartschaft iSd § 7 lit a) BV für das vorhandene Deckungskapital (den „Unverfallbarkeitsbetrag“) in der Anwartschaftsphase keine Pflicht der Beklagten zur Valorisierung iSd § 10 lit d) BV.
Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:009OBA00105.13A.1126.000