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OGH vom 23.11.1993, 10ObS184/93

OGH vom 23.11.1993, 10ObS184/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Heinrich Matzke und Herbert Lohr in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J***** U*****, vertreten durch Partnerschaft Waldbauer, Paumgarten, Naschberger, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt öff. Bediensteter, Josefstädterstraße 80, 1081 Wien, vertreten durch Dr.Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Versehrtenrente, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 5 Rs 49/93-45, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cgs 8/92-39, teilweise, bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1.) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinem stattgebenden Teil dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger für den Dienstunfall vom ab bis zusätzlich zu der mit Vergleich vom gewährten Versehrtenrente von 30 vH der Vollrente eine Versehrtenrente von 10 vH der Vollrente als Dauerrente zu gewähren.

2.) den

Beschluß

gefaßt:

Im übrigen (hinsichtlich des Rentenbegehrens für die Zeit ab ) wird das angefochtene Urteil aufgehoben und in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erlitt am einen Dienstunfall. Die beklagte Partei erbrachte für die Folgen dieses Unfalles vorerst Rentenleistungen. Mit Bescheid vom sprach sie aus, daß dem Kläger ab eine Versehrtenrente von 20 vH der Vollrente gebühre und lehnte für die Zeit ab die Leistung einer Versehrtenrente mit der Begründung ab, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 10 vH liege. In dem über die vom Kläger gegen diesen Bescheid eingebrachte Klage eingeleiteten Verfahren schlossen die Parteien vor dem Erstgericht bei der Tagsatzung vom einen Vergleich, in dem sich die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger für die Folgen des Dienstunfalles vom ab eine Versehrtenrente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente als Dauerrente zu gewähren. Der Kläger hatte bei diesem Unfall einen Sprung in der linken Kniescheibe erlitten. Es besteht nunmehr keine Bewegungseinschränkung und keine Bandinstabilität; Anzeichen für eine Meniskusschädigung und eine vermehrte Abnützung des Kniegelenkes fehlen. Eine vermehrte Abnützung im Bereich der Knorpelschichte an den femuro-patellaren Gleitlagern und an den Gelenksflächen besteht nicht. Röntgenologisch besteht im Vergleich zur rechten Seite kein Unterschied. Die Beweglichkeit des linken Kniegelenkes ist ebenso frei wie rechts. Aufgrund des Dienstunfalles vom besteht zumindest seit dem keine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt.

Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Partei einen weiteren Unfall, den der Kläger am erlitten hatte, als Dienstunfall, erkannte dem Kläger hiefür vom bis eine vorläufige Versehrtenrente im Ausmaß von 20 vH der Vollrente zu und sprach aus, daß dem Kläger für die Zeit ab für diesen Unfall keine Rentenleistung gebühre, weil die MdE unter 10 vH betrage. Bei diesem Dienstunfall erlitt der Kläger eine Schulterprellung rechts, eine knöcherne Absprengung am rechten Ellenbogen mit einer infizierten Wunde, eine geringgradige Teillähmung des Nervus ulnaris sowie eine Prellung der Rippen rechts, eine Hüftprellung rechts, einen fraglichen Muskeleinriß und eine Hautabschürfung am rechten Oberschenkel. Nachdem sich die Beschwerden bis 1990 nicht gebessert hatten, fand im Jänner 1990 eine Revision des Nervus ulinaris statt und im April 1990 ein operativer Eingriff an der rechten Schulter. Als Unfallsfolgen bestehen eine leichte Bewegungseinschränkung an der rechten Schulter sowie ein Druckschmerz über dem Ansatz des m. Deltoideus. Die durch die Folgen dieses Unfalls bedingte Minderung der Erwerbfähigkeit beträgt ab 10 vH.

Gegen den Bescheid vom richtet sich die vorliegende Klage. Der Kläger begehrt (nach Modifizierung des ursprünglich gestellten Begehrens), die beklagte Partei zu verpflichten, ihm für die Folgen des Unfalles vom über den hinaus eine Versehrtenrente von 10 vH der Vollrente zusätzlich zu der bereits gewährten Rente für den ersten Arbeitsunfall, sohin eine Rente im Ausmaß von insgesamt 40 vH der Vollrente zu leisten. Die Folgen des Unfalls vom bedingten auch für die Zeit ab eine MdE von 10 vH.

Die beklagte Partei beantragt die Abweisung der Klage. Die Verletzungen, die der Kläger bei dem Unfall vom erlitten habe, seien so weit abgeheilt, daß eine MdE im berentungsfähigen Ausmaß nicht mehr vorliege. Im weiteren beantragte die Beklagte die Überprüfung der Unfallfolgen im Sinne einer Feststellung der Gesamtminderung der Erwerbfähigkeit, weil das Erstgericht über eine Gesamtrente unter Einbeziehung der Unfallfolgen nach beiden Dienstunfällen abzusprechen habe.

Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, dem Kläger für die Folgen des Dienstunfalles vom ab eine Versehrtenrente von 10 vH der Vollrente als Dauerrente zusätzlich zur bestehenden Versehrtenrente von 30 vH für die Folgen des Dienstunfalles vom , sohin 40 vH der Vollrente im gesetzlichen Ausmaß unter Berücksichtigung der bereits erfolgten Zahlungen bis längstens zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Verfahrens zu gewähren. Bei Schädigung eines Versicherten durch mehrere Versicherungsfälle sei nur innerhalb der ersten beiden Jahre nach dem letzten Versicherungsfall die Gewährung einer Rente für jeden einzelnen Versicherungsfall zulässig. Dann sei eine Gesamtrente zu bilden; diese Verpflichtung treffe im Rahmen der sukzessiven Kompetenz auch das Arbeits- und Sozialgericht. Dies bedeute, daß dem Kläger für die Folgen des letzten Dienstunfalles ab - ab da liege ein abgeschlossener Zustand vor - bis eine Versehrtenrente von 10 vH gebühre. Ab diesem Zeitpunkt bis stehe dem Kläger eine Gesamtrente von 40 vH zu. Da die beklagte Partei aber bescheidmäßig nicht über eine Gesamtrente abgesprochen habe, der Versicherungsträger aber nach Einbringung einer Klage in einer Sozialrechtssache nach § 65 Abs 1 ASGG dem Kläger diejenige Leistung, die Gegenstand der Klage ist, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vorläufig insoweit zu gewähren habe, als dies dem außer Kraft getretenen Bescheid entspreche, sei dem Kläger vorläufig bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens eine Gesamtrente in der Höhe von 40 vH zuzuerkennen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge, änderte jedoch in teilweiser Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die beklagte Partei verpflichtete, dem Kläger für die Folgen beider Dienstunfälle vom bis eine Versehrtenrente in der Höhe von 40 vH der Vollrente als Gesamtdauerrente zu gewähren. Werde ein Versicherter neuerlich durch einen Arbeitsunfall geschädigt, so sei nicht nur der Grad der Versehrtheit durch die einzelnen Verletzungen zu beurteilen und eine Addition vorzunehmen, sondern es müsse berücksichtigt werden, inwieweit sich die Unfallsverletzungen in ihrer Gesamtheit auswirken. Betrage die durch die neuerliche Schädigung allein bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH, so sei die Entschädigung aus diesen mehreren Versicherungsfällen gemäß § 210 ASVG (§ 108 Abs 1 B-KUVG) festzustellen, sofern die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 20 vH betrage. Bei der Einschätzung, bei der eine Bindung an die Grundlagen der Berechnung der zuvor gewährten Einzelrenten nicht bestehe, sei die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit durch die mehreren Arbeitsunfälle zu berücksichtigen. Das Erstgericht sei im Rahmen der sukzessiven Kompetenz berufen gewesen, diese Einschätzung vorzunehmen, auch wenn die beklagte Partei über die Gesamtrente nicht bescheidmäßig entschieden habe. Aufgrund des festgestellten Sachverhaltes sei davon auszugehen, daß ab eine Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit, die 20 vH übersteige, nicht mehr gegeben sei, vielmehr die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund des Vorunfalles weggefallen sei und der Zweitunfall lediglich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vH bedinge. Damit erweise sich das Klagebegehren auf Zuerkennung einer Gesamtrente von 40 vH der Vollrente als nicht berechtigt. Das Erstgericht sei aber nicht gehalten gewesen, die Gesamtrente erst ab dem Ende des Zweijahreszeitraumes festzustellen. Dies sei vielmehr bereits zu einem davor liegenden Zeitpunkt zulässig gewesen, sofern die Unfallsverletzungen bereits konsolidiert waren. Fest stehe, daß im Zeitraum von bis konsolidierte Verletzungsfolgen vorlagen, die insgesamt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 40 vH bedingten. Damit erweise sich der Zuspruch einer Gesamtrente von 40 vH der Vollrente für diesen Zeitraum als berechtigt. Dem weitergehenden Begehren des Klägers komme hingegen keine Berechtigung zu. Der Anspruch des Klägers sei mit dem beschränkt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Begehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Vorerst macht der Revisionswerber geltend, die beklagte Partei habe in ihrer Berufung lediglich einen Aufhebungsantrag gestellt; das Berufungsgericht sei daher nicht berechtigt gewesen, aufgrund der Berufung der beklagten Partei das erstgerichtliche Urteil abzuändern. Dem kann nicht gefolgt werden. Die beklagte Partei stellte in ihrer Berufung den Antrag "das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen". Wohl trifft es zu, daß ein Aufhebungsantrag nach der Rechtsprechung regelmäßig den Antrag auf Abänderung der Entscheidung nicht in sich schließt (JBl 1959, 457; ZfRV 1974, 115). Dies wird in der letztzitierten Entscheidung vor allem damit begründet, daß ein Abänderungsantrag die gewünschte Sachentscheidung eindeutig bestimmt bezeichnen müsse. Die Parteien sind allerdings nicht gehalten, sich in ihren Anträgen der verba legalia zu bedienen. Hier beantragte die beklagte Partei wohl die Aufhebung der Entscheidung, doch schließt der Wortlaut des Antrages das Begehren auf Abänderung in sich; anders kann der Beisatz "und das Klagebegehren abzuweisen" nicht verstanden werden. Die angestrebte meritorische Sachentscheidung wird in dem Antrag ausdrücklich bezeichnet. Der Antrag war daher grundsätzlich eine taugliche Grundlage für eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

Als Mangel macht der Revisionswerber weiter geltend, daß die Beweisaufnahme durch die Beiziehung eines weiteren ärztlichen Sachverstänigen unterblieben sei. Dies war bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat sich mit diesem Anfechtungspunkt auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, daß der gerügte Mangel nicht vorliege. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates, daß auch in Sozialrechtssachen Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden können (SSV-NF 1/32, 3/115 uva)

Aus § 71 Abs 2 ASGG kann für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts abgeleitet werden. Danach hat der Versicherungsträger nach Einbringung einer Klage in Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 1, 6 der 8 ASGG dem Kläger diejenige Leistung, die Gegenstand der Klage ist, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens vorläufig insoweit zu gewähren, als dies dem außer Kraft getretenen Bescheid entspricht. Diese Bestimmung relativiert nur § 71 Abs 1 ASGG, der das Außerkrafttreten des mit der Klage angefochtenen Bescheides normiert, dahin, daß eine aufgrund des außer Kraft getretenen Bescheides bestandene Zahlungspflicht ungeachtet des Außerkrafttretens aufrecht bleibt. Die Bestimmung wendet sich an den Sozialversicherungsträger und bildet keine Grundlage für eine Entscheidung des Gerichtes. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes ist daher, soweit es seine Entscheidung auf § 71 Abs 2 ASGG gründete, verfehlt.

In seiner Revision wendet sich der Kläger auch dagegen, daß die Vorinstanzen eine Gesamtrente bildeten und bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen hiefür. Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Die Feststellungen gestatten keine abschließende Beurteilung der Frage, ob die Voraussetzungen für die Gesamtrentenfeststellung gegeben sind.

Gemäß § 108 Abs 1 B-KUVG (§ 210 Abs 1 ASVG) ist die Entschädigung dann, wenn ein Versehrter neuerlich durch einen Dienstunfall oder eine Berufskrankheit geschädigt wird und die durch die neuerliche Schädigung allein verursachte Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 10 vH beträgt, die Entschädigung aus diesen mehreren Versicherungsfällen nach Maßgabe der Abs 2 bis 4 festzustellen, sofern die Gesamtminderung der Erwerbsfähigkeit 20 vH .... erreicht.

§ 109 Abs 2 B-KUVG ordnet an, daß spätestens vom Beginn des dritten Jahres nach dem Eintritt des neuerlichen Versicherungsfalles an die Rente nach dem Grad der durch alle Versicherungsfälle verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit festzustellen ist. Gemäß § 108 Abs 5 B-KUVG gebührt dem Versehrten unter den Voraussetzungen des Abs 1, solange die Gesamtrente nach Abs 2 nicht festgestellt ist, eine Rente entsprechend dem Grade der durch die neuerliche Schädigung allein verursachten Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der Bestimmung des § 108 Abs 5 B-KUVG (§ 210 Abs 4 ASVG) liegt ein dem § 107 Abs 1 B-KUVG (§ 209 Abs 1 ASVG) vergleichbarer Zweck zu Grunde. Der Zeitraum von zwei Jahren, während dessen nach § 107 Abs 1 B-KUVG eine vorläufige Rente gewährt werden kann bzw während dessen nach § 108 Abs 5 B-KUVG die Rente aufgrund des neuerlichen Unfalles gesondert zu gewähren ist, dient dazu, die Konsolidierung der Unfallfolgen abzuwarten. Die Entscheidung über die endgültige Rentenleistung soll erst erfolgen, wenn die Folgen des Unfalls in ihren dauernden Auswirkungen endgültig abschätzbar sind. Dann soll die Dauerrente (§ 107 Abs 1 B-KUVG) bzw Gesamtrente (§ 108 Abs 5 B-KUVG) festgesetzt werden (idS auch SSV-NF 3/24). Für diese Entscheidung hat der Gesetzgeber in beiden Fällen eine Frist von zwei Jahren gesetzt. Der Oberste Gerichtshof hat dazu ausgesprochen, daß dann, wenn der Versicherungsträger die zwingende gesetzliche Vorschrift des § 209 Abs 1 ASVG nicht eingehalten hat, die vorläufige Rente mit der Rechtsfolge des § 183 Abs 2 ASVG hinsichtlich der Neufeststellung in die Funktion der Dauerrente tritt (SSV-NF 6/76 mwN). Die vorläufige Rente sei für den Versicherten gegenüber der Gewährung der Dauerrente die ungünstigere Lösung, weil erst durch die Dauerrente die Rechtslage endgültig festgelegt werde und erst dann eine Änderung der Rentenleistung nur mehr bei Änderung der Verhältnisse möglich sei. Eine Entscheidung des Versicherungsträgers über die Dauerrente nach Ablauf der Zweijahresfrist ohne Bindung an die Grundlagen für die Gewährung der vorläufigen Rente sei daher ausgeschlossen.

Dem ist der Fall der Gewährung einer Gesamtrente vergleichbar. Auch hier ordnet das Gesetz an, daß spätestens vom Beginn des dritten Jahres an die Rente als Gesamtrente zu gewähren ist. Nur innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren kommt der Gewährung der gesonderten Renten für die einzelnen Unfälle insofern provisorischer Charakter zu, als durch die Bildung der Gesamtrente in diese Leistungsansprüche eingegriffen werden darf; nach Ablauf von zwei Jahren soll hingegen die Rechtsposition des Versehrten eine gesicherte sein. Ein Eingriff in die nach Ablauf der Zweijahresfrist bestehenden Ansprüche ist daher nicht ohne weiteres zulässig. Versäumt der Versicherungsträger diese Frist, so überdauern die gesonderten Rentenleistungen als Dauerrenten den Zweijahreszeitraum; die Bildung einer Gesamtrente ist dann gemäß § 94 B-KUVG (§ 183 ASVG) nur mehr bei einer Änderung der Verhältnisse zulässig. Bei dieser Neufeststellung ist nach den Grundsätzen des § 108 Abs 2 B-KUVG vorzugehen.

Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei in dem den ersten Unfall betreffenden Verfahren zu 47 Cgs 18/88 des Erstgerichtes bei der Tagsatzung vom einen Vergleich geschlossen, mit dem sie sich verpflichtete, dem Kläger für die Folgen des ersten Dienstunfalles eine Versehrtenrente von 30 vH ab als Dauerrente zu gewähren. Die Gewährung dieser Versehrtenrente erfolgte sohin zu einem Zeitpunkt, zu dem die Zweijahresfrist nach dem zweiten Unfall bereits abgelaufen war. Der zweite Unfall war der beklagten Partei auch bekannt, zumal sie bereits mehr als 5 Monate vor Abschluß des Vergleiches den Bescheid erlassen hatte, der die Grundlage der vorliegenden Klage bildet. Die beklagte Partei hat daher innerhalb der Zweijahresfrist des § 108 Abs 2 B-KUVG eine Gesamtrente nicht festgesetzt, sondern vielmehr nach Ablauf dieses Zeitraumes eine ausdrücklich nur den ersten Unfall betreffende Dauerrente (im Weg eines gerichtlichen Vergleiches) gewährt.

Es trifft zu, daß dann, wenn die beklagte Partei eine entsprechende Einwendung erhebt, die Entscheidung über die Gewährung einer Gesamtrente auf das Gericht übergeht. Der Umstand, daß der Versicherungsträger über die Bildung einer Gesamtrente nicht abgesprochen hat, steht der Entscheidung des Gerichtes über die Gesamtrente grundsätzlich nicht entgegen (SSV-NF 3/24, 128). Das Gericht kann jedoch über eine Gesamtrente nur dann absprechen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür erfüllt sind. Wie dargestellt, hat jedoch hier die beklagte Partei nach Ablauf des Zweijahreszeitraumes ab dem zweiten Unfall eine Dauerrente für den ersten Unfall gewährt, die ohne Änderung der Verhältnisse der Gesamtrentenbildung entgegensteht.

Fest steht, daß seit keine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aufgrund des ersten Unfalles besteht. Ungeprüft blieb, ob seit der vergleichsweisen Rentengewährung vom eine Änderung im Zustand des Klägers eingetreten ist, oder ob allenfalls diese Beurteilung nur das Ergebnis einer anderen Einschätzung bei unverändertem Zustand ist (SSV-NF 3/86 uva). Im letzten Fall stünde jedoch, wie oben dargestellt, die nach Ablauf der Zweijahresfrist ab dem zweiten Unfall erfolgte Feststellung der Dauerrente nach dem ersten Unfall der Feststellung einer Gesamtrente im Wege (idS SSV-NF 3/86). Für die Frage, ob eine Gesamtrente zu bilden ist, ist daher entscheidend, ob seit der Gewährung der Dauerrente mit Vergleich vom für die Folgen des ersten Unfalles eine Änderung bezüglich dieser Unfallfolgen eingetreten ist. In diesem Punkt erweist sich das Verfahren ergänzungsbedürftig. Sollte eine Änderung in den Folgen nach dem ersten Unfall seit dem Vergleichsabschluß vom nicht eingetreten sein, so wäre von der Zuerkennung der Rente im Ausmaß von 30 vH der Vollrente für den ersten Unfall auszugehen und im vorliegenden Verfahren nur über den Rentenanspruch aufgrund des zweiten Unfalles abzusprechen. Hat sich der Zustand des Klägers hingegen seit der Zuerkennung der Rente aufgrund des ersten Unfalles wesentlich geändert, so wäre im Sinne der entsprechenden Einwendung der beklagten Partei die Bildung einer Gesamtrente zulässig.

Das Berufungsgericht erkannte dem Kläger eine Versehrtenrente als Gesamtrente im Ausmaß von 40 vH für die Zeit vom bis zu. Der Kläger wendet sich gegen diesen Zuspruch, soweit ihm damit eine Gesamtrente zuerkannt wurde, und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Mit der Klage begehrte er letztlich, die beklagte Partei zur Gewährung einer Versehrtenrente von 10 vH der Vollrente zusätzlich zur bereits zuerkannten Dauerrente zu verpflichten. Die beklagte Partei ließ den stattgebenden Teil des berufungsgerichtlichen Urteiles unangefochten. Da nicht feststeht, ob die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Gesamtrente erfüllt sind und daher über eine Gesamtrente nicht abgesprochen werden kann, der Zuspruch einer Rentenleistung von insgesamt 40 vH bis jedoch unbekämpft blieb, war das angefochtene Urteil in seinem stattgebenden Teil dahin abzuändern, daß dem Kläger zusätzlich zu der mit Vergleich vom gewährten Versehrtenrente von 30 vH der Vollrente eine Versehrtenrente von 10 vH der Vollrente für die Folgen des zweiten Unfalls zuzuerkennen war. Über die Ansprüche des Klägers für die Zeit ab wird nach Ergänzung des Verfahrens abzusprechen sein.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO iVm § 2 ASGG.