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OGH vom 27.02.2012, 9ObA117/11p

OGH vom 27.02.2012, 9ObA117/11p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Dr. Klaus Mayr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Antragstellers Österreichischer Gewerkschaftsbund gewerkschaft vida, 1020 Wien, Johann Böhm Platz 1, vertreten durch Dr. Walter Silbermayr, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband der Autobus , Luftfahrt , und Schifffahrtunternehmungen, 1040 Wien, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, über den gemäß § 54 Abs 2 ASGG gestellten Feststellungsantrag den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Bezeichnung des Antragsgegners wird wie aus dem Kopf der Entscheidung ersichtlich berichtigt.

II. Die Anträge, der Oberste Gerichtshof möge feststellen, dass die von privaten Autobusbetrieben dienstplanmäßig festgelegten Pausen an Umkehrplätzen bzw Wendestellen, an denen vom Arbeitgeber

1. keine Pauseneinrichtungen bereit gestellt werden, hilfsweise

2. keine Pauseneinrichtungen wie Toiletten, Waschgelegenheiten, Möglichkeiten der Essenszubereitung und Sitzgelegenheiten bereit gestellt werden, hilfsweise

3. keine Pauseneinrichtungen wie Toiletten und Waschgelegenheiten bereit gestellt werden, hilfsweise

4. keine Pauseneinrichtungen wie Toiletten bereit gestellt werden,

als volle Arbeitszeiten zu entlohnen sind, werden abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Der Antragsteller ist eine kollektivvertragsfähige Körperschaft gemäß § 4 Abs 2 ArbVG (RIS Justiz RS0051126). Für den Bereich der Wirtschaftskammer ist zu beachten, dass die Kollektivvertragsfähigkeit auch deren Unterorganisationen wie Fachgruppen und Fachverbänden zukommt (§ 3 WKG; 9 ObA 147/05s; Reissner in ZellKomm² § 4 ArbVG Rz 7). Die Antragsgegnerin weist zu Recht darauf hin, dass der im Antrag als Antragsgegner bezeichnete „Fachverband für Autobusunternehmungen“ nicht mehr existiert. Dies führt allerdings nicht zur Zurückweisung des Antrags mangels Passivlegitimation des Antragsgegners.

Das Verfahren gemäß § 54 Abs 2 ASGG ist nach den Grundsätzen des außerstreitigen Zweiparteienverfahrens mit Dispositionsmaxime zu führen ( Neumayr in ZellKomm² § 54 ASGG Rz 24; RIS Justiz RS0085732). Mangels eigener Regelung sind die Vorschriften der ZPO über die Richtigstellung der Parteibezeichnung auch im Verfahren außer Streitsachen anzuwenden (RIS Justiz RS0005758). Gemäß § 235 Abs 5 ZPO ist die Bezeichnung der Partei ua auf diejenige Person richtig zu stellen, gegen die nach dem Inhalt der Klage in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise das Klagebegehren erhoben worden ist. In der Bundessparte Transport und Verkehr der Wirtschaftskammer wurde der „Fachverband für Autobus , Luftfahrt und Schifffahrtunternehmungen“ errichtet (§ 6 Z 2 Fachorganisationsordnung FOO der Antragsgegnerin), der gemäß § 13 iVm § 14 Abs 32 FOO Gesamtrechtsnachfolger des bisherigen „Fachverbandes für Autobusunternehmungen“ insbesondere auch in Bezug auf die Rechtsstellung als Vertragspartner von Kollektivverträgen ist. Die Bezeichnung des Antragsgegners war daher auf den nach dem Vorbringen und dem Begehren des Antrags klar und deutlich (RIS Justiz RS0035060; RS0039446) als Antragsgegner gemeinten Gesamtrechtsnachfolger des im Antrag genannten Fachverbands richtig zu stellen (vgl auch Rechberger/Klicka in Rechberger , ZPO³ § 235 Rz 12).

II. Der Antragsteller richtete seinen Antrag ursprünglich auch gegen einen weiteren Antragsgegner, den Fachverband für das Güterbeförderungsgewerbe der Wirtschaftskammer Österreichs. Er zog den Antrag gegen diesen Antragsgegner jedoch am zurück.

Der Antragsteller begehrt wie aus dem Spruch ersichtlich und bringt dazu im Wesentlichen vor:

Bei privaten Autobuslinien komme es häufig vor, dass an den Umkehrplätzen bzw Wendestellen von Buslinien längere Stehzeiten auftreten. In diesen Zeiten seien in den Dienstplänen häufig Pausenzeiten festgelegt, was zur Folge habe, dass diese Zeiten nicht entlohnt werden. Busfahrer könnten in diesen Zeiten den Bus verlassen, um vorhandene Pauseneinrichtungen wie etwa Toiletten, Waschanlagen, Möglichkeiten der Essenszubereitung oder der Einnahme von Erfrischungen und Sitzgelegenheiten zu benutzen. Es gebe jedoch Wendestellen bzw Umkehrmöglichkeiten ohne jegliche Pauseneinrichtungen, die sich etwa in abgelegenen Gegenden oder gewissermaßen auf „freiem Feld“ befänden. Dennoch seien auch in solchen Fällen in den Dienstplänen privater Autobusbetriebe Stehzeiten als Pausenzeiten eingetragen, obwohl nicht einmal die Möglichkeit bestehe, etwa ein WC aufzusuchen oder sich die Hände zu waschen.

Gegenstand des Antrags sei, ob bei privaten Autobusbetrieben dienstplanmäßig eingeteilte Pausen an Umkehrplätzen bzw Wendestellen, an denen vom Arbeitgeber keine Pauseneinrichtungen bereitgestellt werden, als volle Arbeitszeiten zu entlohnen seien. Die aus § 11 AZG resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer in einem bestimmten Ausmaß Ruhepausen zu gewähren, beinhalte nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine inhaltliche Komponente. Die §§ 27, 28 ASchG legten Mindestanforderungen für den Aufenthalt während der Arbeitspausen fest. Danach habe der Arbeitgeber neben den Sanitäreinrichtungen wie Waschgelegenheiten und Toiletten auch Sitzgelegenheiten mit Rückenlehne und Tische zur Einnahme von Mahlzeiten sowie Einrichtungen zum Wärmen und zum Kühlen von mitgebrachten Speisen und Getränken zur Verfügung zu stellen. Solche Pauseneinrichtungen habe der Arbeitgeber gemäß den §§ 29 und 31 ASchG nicht nur in festen Arbeitsstätten, sondern auch außerhalb derselben einzurichten. Solche Pauseneinrichtungen gebe es zwar im Bereich der privaten Autobuslinien auch in Form des Expedits an bestimmten Wendeplätzen; diese Expedite bestünden jedoch nicht in ausreichender Anzahl. Die fehlenden Pauseneinrichtungen im Bereich des Verkehrsdiensts seien ein zu beseitigender Missstand, worauf ein gemeinsames Sozialpartnerpapier vom Mai 2011 hinweise. Solange dieser Missstand nicht beseitigt sei, sei jedenfalls zu gewährleisten, dass Stehzeiten an Umkehrplätzen bzw Wendestellen ohne entsprechende Pauseneinrichtungen als Arbeitszeiten zu entlohnen seien, weil es sich dabei nur um fiktive Pausenzeiten handle.

Der Antragsgegner bestritt in seiner Stellungnahme, dass der vorliegende Antrag den Anforderungen des § 54 Abs 2 ASGG entspreche. Der Oberste Gerichtshof habe die hier aufgeworfene Rechtsfrage bereits in der Entscheidung 8 ObA 56/97m behandelt und ausdrücklich festgehalten, dass jede gesetzliche oder kollektivvertragliche Grundlage dafür fehle, dass eine Pause für Arbeitnehmer in privaten Autobusbetrieben nur dann als nicht zu bezahlende Pause zu werten wäre, wenn die Pausenzeit bestimmte „inhaltliche“ Kriterien erfülle. Seit diesem Erkenntnis habe sich weder die gesetzliche noch die kollektivvertragliche Rechtslage verändert, sodass eine entschiedene Rechtssache vorliege bzw das Feststellungsinteresse fehle.

Für das Vorliegen einer Pause iSd §§ 11, 13c AZG sei lediglich Voraussetzung, dass deren Lage und Dauer im Vorhinein erkennbar sei und dem Arbeitnehmer die Zeit zur freien Nutzung überlassen bliebe. Ein Verstoß gegen Vorschriften des ASchG über die Pausengestaltung habe nicht die Folge, dass eine bestimmte Ruhezeit als Arbeitszeit anzusehen sei. Vielmehr sei als Sanktion für einen solchen Verstoß eine Verwaltungsstrafe gemäß § 130 ASchG vorgesehen. Darüber hinaus seien Autobusse auch keine Arbeitsstätten iSd §§ 27, 28 ASchG, woran auch die Bestimmungen der §§ 29 und 31 ASchG nichts änderten. Auch aus dem anwendbaren Kollektivvertrag für Dienstnehmer in privaten Autobusbetrieben ergebe sich keine Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers. Dieser enthalte lediglich ergänzende Pausenregelungen für Autobuslenker, die alle unstrittig erfüllt seien. Er biete keine Grundlage für die Rechtsansicht des Antragstellers, dass während der Pausen besondere Pauseneinrichtungen zur Verfügung stehen müssten, sondern enthalte als Ausgleich dafür, dass die Lenker während der üblichen Essenszeiten sich nicht zu Hause oder in der Betriebsstätte des Unternehmens aufhalten, spezielle Regelungen zur Spesenvergütung in der Lohnordnung.

Der Feststellungsantrag ist nicht berechtigt.

1. Gemäß § 13b AZG umfasst die Arbeitszeit für Lenker die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen sowie die Zeiten der Arbeitsbereitschaft ohne die in § 13c AZG geregelten Ruhepausen (vgl § 2 Abs 1 Z 1 AZG). Ruhepausen (§ 11 AZG) dienen hingegen der Erholung des Arbeitnehmers (9 ObA 121/08x). Sie müssen deshalb im Voraus, spätestens zu ihrem Beginn, umfangmäßig festliegen und echte Freizeit sein (9 ObA 102/03w): der Arbeitnehmer muss daher von Arbeitsverpflichtungen befreit sein, sodass er über diese Zeit selbst verfügen kann (RIS Justiz RS0102995; Grillberger in Grillberger , AZG² § 2 Rz 5 mwH). Die zeitliche Lage der Ruhepausen bestimmt § 11 AZG nicht näher, doch ist aus Wortlaut und Zweck der Ruhepause abzuleiten, dass sie nicht am Beginn oder Ende der Arbeitszeit liegen darf, sondern dem Erholungsbedarf gerecht werden muss (9 ObA 102/03w). Die in § 16 AZG geregelte Einsatzzeit von Lenkern umfasst die zwischen zwei Ruhezeiten (zum Begriff vgl § 12 AZG) anfallende Arbeitszeit und die Arbeitszeitunterbrechungen, zu denen auch die Ruhepausen gehören ( Pfeil in Grillberger , AZG² § 16 Rz 2).

Die Bestimmungen des hier anzuwendenden Bundeskollektivvertrags für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben (idF des Rahmens , in weiterer Folge: KV) lauten auszugsweise:

„ III. ARBEITSZEIT

[…]

2. Fahrpersonal:

a) Allgemeines

[…] Die Arbeitszeit für Lenker umfasst die Lenkzeiten, die Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und die Zeiten der Arbeitsbereitschaft ohne die Ruhepausen. […]

[…]

d) Ruhepausen

Allgemein

Die tägliche unbezahlte Ruhepause beträgt […]

[…]

h) Einsatzzeit

Die Einsatzzeit umfasst die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit und die Arbeitszeitunterbrechungen (einschließlich der täglichen unbezahlten Ruhepause im Ausmaß von insgesamt höchstens eineinhalb Stunden pro Tag). […]

[…]

IV. STEHZEITEN (WARTEZEITEN)

1. Fahrplanmäßig konzessionierter periodischer Personentransport:

a) Die sich aufgrund des Fahrplans ergebenden Stehzeiten (Umkehrzeiten) der Wagenlenker und des sonstigen Fahrpersonals, bis einschließlich sechs Stunden täglich, werden wie volle Arbeitszeiten entlohnt, wobei sich der Lenker vom Fahrzeug entfernen kann.

[...]“

2. Zum hier anzuwendenden Kollektivvertrag hat der Oberste Gerichtshof schon ausgesprochen, dass, soweit die Einsatzzeit nicht Arbeitszeit iSd § 13b AZG umfasst, sondern auf Ruhepausen iSd § 11 AZG entfällt, nach dem Gesetz keine Entlohnung zusteht. Zugunsten der Arbeitnehmer bestimmt der Kollektivvertrag, dass die täglichen unbezahlten Lenk und Ruhepausen (damals in Pkt III Z 2 lit d KV noch als „unbezahlte Essenspausen“ bezeichnet) ein Höchstausmaß von 1 ½ Stunden täglich nicht überschreiten dürfen. Steh und Wartezeiten (damals „Steh , Warte und Umkehrzeiten“ gemäß Pkt III Z 2 lit d KV), welche Zeiten der Arbeitsbereitschaft und über das Ausmaß von täglich 1 ½ Stunden übersteigende Ruhepausen umfassen, sind gemäß Pkt IV Z 1 lit a KV bis einschließlich sechs Stunden täglich wie volle Arbeitszeiten zu entlohnen (9 ObA 308/92; RIS Justiz RS0051919).

In 8 ObA 56/97m einem zwischen dem Antragsteller und dem Rechtsvorgänger des Antragsgegners gemäß § 54 Abs 2 ASGG geführten Verfahren hielt der Oberste Gerichtshof an dem in 9 ObA 308/92 erzielten rechtlichen Ergebnis, dass eine unbezahlte Essenspause in die Steh und Wartezeit verlegt werden kann, fest. Nach Ansicht des Antragstellers im damaligen Verfahren sollte nur dann eine unbezahlte Essenspause im Sinn der Bestimmungen des Kollektivvertrags vorliegen, wenn der Arbeitgeber einen geschlossenen und geheizten Raum mit der Möglichkeit, mitgebrachte Speisen aufzuwärmen und einzunehmen zur Verfügung stellt, oder die Möglichkeit besteht, sich in einem nicht mehr als fünf Gehminuten vom Standort des Busses gelegenen Gasthof zu verpflegen. Dem hielt der Oberste Gerichtshof entgegen, dass dafür jede gesetzliche oder kollektivvertragliche Grundlage fehle.

3. Daran ist auch für die sich aus den bereits dargestellten Bestimmungen des AZG und des anzuwendenden Kollektivvertrags ergebende geltende Rechtslage festzuhalten. Der Antragsteller beruft sich auch gar nicht auf die Bestimmungen des Kollektivvertrags zur Stützung seiner Rechtsansicht, dass die aus § 11 AZG resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer in einem bestimmten Ausmaß Ruhepausen zu gewähren auch eine inhaltliche Komponente beinhalte, sondern stützt sich dazu auf die Bestimmungen der §§ 27 bis 29 und 31 ASchG.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass der Begriff der Ruhepause in den Bestimmungen des AZG und im ersten Teil des hier anzuwendenden Kollektivvertrags abschließend geregelt ist (8 ObA 56/97m). Die den Schutz und die Sicherheit von Arbeitnehmern an Arbeitsstätten und Baustellen (§§ 2 Abs 3, 19 ASchG) bezweckenden Vorschriften der §§ 27 bis 29 und 31 ASchG enthalten keine Regelung des Begriffs der Arbeitspause, sondern setzen diesen wie etwa ausdrücklich § 28 Abs 1 ASchG vielmehr voraus. Darüber hinaus könnten Verstöße gegen die genannten Bestimmungen des ASchG eine Verwaltungsübertretung iSd § 130 ASchG (insb § 130 Abs 1 Z 15 ASchG) mit den dort ausschließlich normierten Folgen darstellen. Selbst wenn man dem Antragsteller folgen wollte, dass diese Bestimmungen im hier behaupteten Sachverhalt anwendbar wären, könnte mangels rechtlicher Grundlage ein allfälliger Verstoß des Arbeitgebers gegen sie nicht die vom Antragsteller begehrte Feststellung zur Folge haben, dass unbezahlte Ruhezeit als zu bezahlende Arbeitszeit abgegolten wird.

Der Feststellungsantrag ist daher abzuweisen.