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OGH vom 02.04.2009, 8Ob14/09f

OGH vom 02.04.2009, 8Ob14/09f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Hon.-Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Glawischnig und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.-Prof. DDr. Walter H*****, vertreten durch Dr. Petra Patzelt, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. Susanne H*****, vertreten durch Dr. Christoph Brandweiner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung, über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg „als Berufungsgericht" vom , GZ 21 R 149/00h-102, mit dem der Antrag der klagenden Partei auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als verspätet zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Aus Anlass des Rekurses wird der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 21 R 149/00h-02 als nichtig behoben.

Text

Begründung:

Mit Urteil vom wies das Bezirksgericht Salzburg das Begehren des Klägers auf Scheidung aus dem Alleinverschulden der Beklagten ab und schied die Ehe nach § 55 Abs 3 EheG mit dem Ausspruch, dass der Kläger die Zerrüttung überwiegend verschuldet habe.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger, soweit sein auf § 49 EheG gestütztes Klagebegehren abgewiesen wurde, Berufung; zugleich ließ er sein hilfsweise auf § 55 EheG gestütztes Scheidungsbegehren - ohne Anspruchsverzicht - fallen. Die Beklagte erklärte ausdrücklich, der - als Klagseinschränkung bezeichneten - Zurücknahme der Klage um das Eventualbegehren nach § 55 Abs 3 EheG nicht zuzustimmen. In der Folge trat mehrjähriges Ruhen des Verfahrens ein. Am begehrte die Beklagte die Fortsetzung des Verfahrens.

Mit am beim Erstgericht eingelangtem Schriftsatz zog der Kläger die gesamte Klage unter Anspruchsverzicht zurück. Die Beklagte erklärte, dass sie auch der Zurücknahme der Klage durch den Kläger nicht zustimme. Das Berufungsgericht stellte hierauf mit Beschluss vom fest, dass sowohl die Zurücknahme der Klage als auch die „Einschränkung des Klagebegehrens um das auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Eventualbegehren" wirkungslos sei, und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Dieser Beschluss des Berufungsgerichts wurde der Klagevertreterin am (das Datum 25. „7." 2007 am Rückschein bei ON 88 ist ein offenkundiger Schreibfehler) zugestellt. Am wurde der an das Bezirksgericht Salzburg adressierte Rekurs des Klägers zur Post gegeben. Dieses wies den Rekurs als verspätet zurück. Das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Klägers nicht Folge; die Rekursfrist betrage im Zivilprozess gewöhnlich 14 Tage. Selbst wenn mit Rücksicht auf den von der Rechtsprechung kraft Analogie erweiterten Anwendungsbereich des § 521a ZPO die Zweiseitigkeit des Rekurses gegen den Beschluss des Berufungsgerichts über die Feststellung der Wirkungslosigkeit der Zurücknahme der Klage als auch der „Einschränkung" des Klagebegehrens um das auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Eventualbegehren zu bejahen sei, folge daraus nicht, dass die Rechtsmittelfrist in diesem Fall auch vier Wochen betrage. Das Rekursgericht sprach weiters aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit seinem am eingelangten Schriftsatz erhob der Kläger gegen die Entscheidung des Rekursgerichts außerordentlichen Revisionsrekurs und stellte für den Fall, dass diesem nicht Folge gegeben werde, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung seines Rekurses gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom . Der das Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof und den Wiedereinsetzungsantrag enthaltende Schriftsatz wurde beim Bezirksgericht Salzburg eingebracht. Mit Beschluss vom wies der Oberste Gerichtshof den Revisionsrekurs zurück (8 Ob 28/08p).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesgericht Salzburg „als Berufungsgericht" den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers als verspätet zurück. Es führte aus, dass es über den Wiedereinsetzungsantrag wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist gegen den berufungsgerichtlichen Beschluss vom „funktionell als Erstgericht" zu entscheiden habe. Auf die weitere inhaltliche Begründung des Zurückweisungsbeschlusses ist mangels Relevanz für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht einzugehen. Gegen diesen Beschluss richtet sich der fristgerechte Rekurs des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rekurses gegen den Beschluss des Berufungsgerichts vom stattgegeben werde; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der angefochtene Beschluss ist nichtig.

Gemäß § 148 Abs 1 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei dem Gericht einzubringen, bei dem die versäumte Prozesshandlung vorzunehmen war. Bei Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist dies das Erstgericht (RIS-Justiz RS0036584; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny2 § 148 ZPO Rz 1; Gitschthaler in Rechberger, ZPO3 §§ 148-149 Rz 10; Feil, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand [1993] Rz 22; Fink, Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Zivilprozeßrecht [1994] 143).

Der Rechtsansicht des Landesgerichts Salzburg, dass es den (deklarativen) Beschluss vom „funktionell als Erstgericht" gefasst habe und daher auch über den Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist gegen diesen Beschluss entscheidungsbefugt sei, kann nicht gefolgt werden. Ein selbständiger Zwischenstreit aus Anlass eines Berufungsverfahrens, wie etwa im Falle der Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrags wegen Versäumung der Berufungsverhandlung (Zechner in Fasching/Konecny2 § 519 ZPO Rz 90 mwN; Gitschthaler aaO) lag hier nicht vor. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung 6 Ob 673/86 (6 Ob 674/83 = JBl 1987, 519 = EvBl 1987/111) gerade im Zusammenhang mit einem Beschluss wie dem vorliegenden ausdrücklich festgehalten, dass es sich bei den deklarativen Beschlüssen nach § 483 Abs 3 letzter Satz ZPO „unzweifelhaft" um solche des Berufungsgerichts handle und dessen Beschlüsse daher grundsätzlich nur im Rahmen des § 519 ZPO anfechtbar seien. Der hier relevante Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem dieses feststellte, dass sowohl die Zurücknahme der Klage als auch die „Einschränkung" des Klagebegehrens um das auf § 55 Abs 3 EheG gestützte Eventualbegehren wirkungslos seien, berührt auch unmittelbar den Rechtsschutzantrag, der Gegenstand des Berufungsverfahrens war bzw nach wie vor ist (vgl Zechner aaO Rz 91 mwN). Zutreffend wurde daher auch der Rekurs gegen diesen Beschluss beim Bezirksgericht Salzburg als Erstgericht eingebracht (und von diesem als verspätet zurückgewiesen). Diese Zurückweisung ihrerseits führte letztlich - wenn auch erst nach Bestätigung des erstgerichtlichen Beschlusses durch das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht - dazu, dass der Kläger die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung des Rechtsmittels gegen den berufungsgerichtlichen Beschluss vom beantragte und diesen - ebenfalls zutreffenderweise - an das funktionell zuständige Erstgericht adressierte.

Wird der Wiedereinsetzungsantrag bei einem funktionell unzuständigen Gericht eingebracht, so führt dies zur Zurückweisung. Eine amtswegige Überweisung an das zuständige Gericht findet nicht statt (Deixler-Hübner aaO § 148 Rz 4; Gitschthaler aaO). Die Rechtsprechung stuft das Übergehen der Ordnung der funktionellen Zuständigkeit in analoger Anwendung des § 477 Abs 1 Z 3 ZPO als Nichtigkeit ein (10 ObS 9/01y [zweitinstanzliche Sachentscheidung nach erstgerichtlicher Klagezurückweisung]; 7 Ob 287/00g [Erlassung einer einstweiligen Verfügung durch das Berufungsgericht]; 8 Ob 18/98z [Verletzung erstgerichtlicher Entscheidungskompetenz durch das Berufungsgericht im Verfahren über eine Wiederaufnahmsklage]; 6 Ob 823/83 = SZ 57/13 [Zurückweisung [auch] der Klage aus Anlass eines Rekurses gegen die Abweisung eines Sicherungsantrags]; Zechner aaO § 503 ZPO Rz 101). Da das Landesgericht Salzburg sohin ungeachtet des Umstands, dass der Wiedereinsetzungsantrag (richtigerweise) an das zuständige Erstgericht adressiert war (ON 97), als funktionell unzuständiges Berufungsgericht die Entscheidungskompetenz über diesen Wiedereinsetzungsantrag an sich gezogen hat, ist sein Beschluss analog § 477 Abs 1 Z 3 ZPO nichtig.

Über den (ohnehin) beim Bezirksgericht Salzburg als Erstgericht eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag wird daher dieses zu entscheiden haben.