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OGH vom 30.09.2005, 9ObA104/05t

OGH vom 30.09.2005, 9ObA104/05t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Dr. Herbert Stegmüller als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans Kröppel, Rechtsanwalt in Kindberg, gegen die beklagte Partei Gyula F*****, vertreten durch Dr. Tassilo Neuwirth ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 9.827,93 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 23/05i-57, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Zur Klageforderung:

Ob und in welchem Umfang das Gericht vom Mäßigungsrecht nach § 2 DHG Gebrauch macht, ist immer eine Frage des Einzelfalls, die regelmäßig nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO ist. Von einer dessen ungeachtet die Zulässigkeit der Revision rechtfertigenden krassen Fehlbeurteilung der zweiten Instanz kann in keiner Weise die Rede sein. Dass der durch den Unfall gesundheitlich und finanziell schwerst betroffene Beklagte im Verfahren Gegenforderungen (auch restliche Lohnforderungen) geltend macht, steht der von der zweiten Instanz vorgenommenen Mäßigung nicht entgegen.

Zur Gegenforderung:

Nach § 179 Abs 1 VersVG kann die Unfallversicherung auch gegen Unfälle genommen werden, die einem anderen zustoßen. Für diesen Fall enthält § 179 Abs 2 VersVG eine Auslegungsregel, die besagt, dass die Versicherung „im Zweifel" als für Rechnung des anderen genommen („Fremdversicherung") gilt. Wird eine Versicherung gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen, vom Versicherungsnehmer für eigene Rechnung genommen, so ist gemäß § 179 Abs 3 VersVG zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Zustimmung des anderen erforderlich, weil jede Spekulation mit der Gesundheit Dritter ohne deren Einverständnis unterbunden werden soll (Prölss/Martin, VersVG27 § 179 Rz 8). Die Rechtsbeziehung zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherten werden bei der Versicherung für fremde Rechnung im Hinblick auf die Verfügungsmacht des Versicherungsnehmers als eine Art gesetzliches Treuhandverhältnis angesehen (SZ 67/88; SZ 67/213; RIS-Justiz RS0080862; RS0080863; RS0080792; Schauer, Das österreichische Versicherungsrecht³ 170; Honsell, Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 179 Rz 19), aus dem der Versicherte - wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgesprochen hat - grundsätzlich berechtigt ist, den von der Versicherung an den Versicherungsnehmer bezahlten Betrag „herauszuverlangen" (SZ 2003/86; 9 ObA 178/02w).

All das wird von der Revisionswerberin nicht in Frage gestellt. Sie weist aber darauf hin, dass nach dem Inhalt der von ihr vorgelegten Polizze im Versicherungsvertrag vereinbart wurde, „dass im Versicherungsfalle die Versicherungsleistung Dauerinvalidität und Unfalltod zu je 50 % zwischen dem Versicherungsnehmer und der versicherten Person bzw im Ablebensfall den gesetzlichen Erben geteilt wird". Insofern sei daher der Versicherungsvertrag (nur) teilweise auf fremde Rechnung geschlossen worden.

Auf diesen Einwand ist das Berufungsgericht zu Recht nicht inhaltlich eingegangen, weil er nicht durch erstinstanzliches Vorbringen gedeckt ist und daher gegen das Neuerungsverbot verstößt. In erster Instanz war nicht strittig, dass Versicherungsnehmer der abgeschlossenen Unfallversicherung die Klägerin und Versicherter der Beklagte war. Darüber hinausgehende Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem Versicherer wurden weder behauptet noch festgestellt. Der Inhalt vorgelegter Urkunden kann entsprechende Behauptungen ebenso wenig ersetzen, wie Angaben in der Parteienvernehmung. Auch der Hinweis, dass die Auslegung einer Urkunde rechtliche Beurteilung sei, ist in diesem Zusammenhang verfehlt, weil der nun ins Treffen geführte Urkundeninhalt nicht behauptet und daher (zu Recht) auch nicht festgestellt wurde. Vorgebracht wurde von der Klägerin lediglich, dass sie mit dem Beklagten (also nicht mit dem Versicherer) eine Teilungsvereinbarung getroffen habe. Diese Behauptung wurde nicht als erwiesen angenommen.

Da somit unstrittig war, dass die Versicherung „gegen Unfälle, die einem anderen zustoßen" (§ 179 Abs 1 VersVG) geschlossen wurde, ist das Erstgericht mangels gegenteiliger Behauptungen und Feststellungen iSd Zweifelsregel des § 179 Abs 2 VersVG von einer Versicherung auf fremde Rechnung ausgegangen. Die der Klägerin obliegende Behauptung anders lautender Vereinbarungen im Versicherungsvertrag konnte sie im Berufungsverfahren nicht mehr nachtragen.

Auf den Umstand, dass mangels einer (erwiesenen) Zustimmung des Beklagten der Versicherungsvertrag - soweit von einer Versicherung auf eigene Rechnung auszugehen wäre - unwirksam gewesen wäre, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden. Ebenso wenig muss erörtert werden, ob und mit welchen Folgen sich der Dritte (hier also der Beklagte), dessen Schutz § 179 Abs 3 VersVG ja bezweckt, auf die mangels Zustimmung zur Versicherung auf eigene Rechnung bewirkte (hier teilweise) Unwirksamkeit des Vertrages berufen kann.