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VfGH vom 11.06.2007, b251/07

VfGH vom 11.06.2007, b251/07

Sammlungsnummer

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Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 5.040,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführer erhielten infolge des Todes des Dipl.Ing. Dr. J M L verschiedene Vermögenswerte. Der UFS, Außenstelle Wien, schrieb den Beschwerdeführern daraufhin jeweils Erbschaftssteuer vor.

2. Dagegen richten sich die gemäß Art 144 B-VG erhobenen Beschwerden, in denen die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verfassungswidrigkeit u.a. des § 1 Abs 1 Z 1 ErbStG behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , G54/06, G235/06 ua., § 1 Abs 1 Z 1 ErbStG als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988). Im - hier allerdings nicht gegebenen - Fall einer Beschwerde gegen einen Bescheid, dem ein auf Antrag eingeleitetes Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, muss dieser verfahrenseinleitende Antrag überdies vor Bekanntmachung des dem unter Pkt. II.1. genannten Erkenntnis zugrunde liegenden Prüfungsbeschlusses des Verfassungsgerichtshofes eingebracht worden sein ().

3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am . Die vorliegenden Beschwerden sind beim Verfassungsgerichtshof am eingelangt, waren also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihnen jeweils zugrunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung der angefochtenen Bescheide die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

III. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG abgesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Da die gegen gleichartige Bescheide gerichteten Beschwerden im Zuge einer gemeinsamen Rechtsvertretung eingebracht wurden, war (nur) der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag zuzusprechen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , B953/03 und B954/03). In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 540,-- sowie Eingabengebühren in der Höhe von € 1.800,-- enthalten.