OGH vom 08.07.2022, 12Os57/22g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. MichelKwapinski und Dr. Brenner sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. im Verfahren zur Unterbringung des G* B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 51 Hv 8/22v44, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGHGeo 2019 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteilwurde die Unterbringung des G* B* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet.
[2] Danach hat er in G* unter dem Einfluss einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer paranoiden Schizophrenie,
I. von Anfang 2021 bis Ende September 2021 dadurch, dass er seine Mutter D* B* am Körper misshandelte und gegen sie gerichtete „vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben und gegen die Freiheit mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach §§ 107a, 108 und 110 StGB“ beging, und zwar indem er ihr oftmals wiederholt Tritte versetzte und sie fest schüttelte sowie bei einem Vorfall am ein Handy nach ihr warf und sie mit Gewalt zum Verlassen seiner Wohnung zwang, gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt,
II. von Sommer 2021 bis Ende September 2021 dadurch, dass er seinem Hund wiederholt grundlos massive Schläge und Tritte versetzte, „das Maul zuband“, ihn am Geländer bei großer Hitze so festmachte, dass sich das Tier nicht bewegen konnte, und ihn „massiv an der Leine hinter sich herzerrte“, ein Tier roh misshandelt,
und somit Taten begangen, die (jeweils) als Vergehen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (I.) und der Tierquälerei nach § 222 Abs 1 Z 1 StGB (II.) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen ist nicht im Recht.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4, nominell Z 5) zuwider wurde die in Rede stehende Urkunde in der Hauptverhandlung verlesen und somit dem Beweisantrag entsprochen (ON 43 S 67).
[5] Mit dem Vorbringen, dass die Annahme eines wiederholten festen Schüttelns eine Mutmaßung darstelle, der Betroffene bei seiner Vernehmung lediglich von ihm als erwünscht erachtete Antworten gegeben habe und die Zeugen keine Wahrnehmungen zu einer vom Betroffenen ausgeübten Gewalt gehabt hätten, bekämpft die weitere Beschwerde (nominell Z 5 und teils Z 9 lit a) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (vgl § 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung die tatrichterliche Beweiswürdigung.
[6] Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Ausübung von Gewalt (§ 107b Abs 2 StGB) und die von § 107b StGB geforderte Eignung (vgl Winkler, SbgK § 107b StGB Rz 110)mit der Behauptung bloß „wehrhaften Verhaltens“, eines „milieubedingten Streits“, schlichter „Schreiereien“, eines nicht gezielten Wurfs und eines einmaligen „Arschtritts“ in Abrede stellt, argumentiert sie prozessordnungswidrig nicht auf Basis der Urteilskonstatierungen (US 3 ff; vgl RISJustiz RS0099810). Gleiches gilt für das Vorbringen, wonach die subjektive Tatseite fehle (US 5).
[7] Soweit die Rüge Mutmaßungen zu den Gründen für das Weinen von D* B* und das wiederholt fluchtartige Verlassen der Wohnung des Betroffenen anstellt, wird der nominell angesprochene Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (vgl zum Fehlen des Erfordernisses einer tatsächlichen Beeinflussung der Lebensführung erneut Winkler, SbgK § 107b Rz 110).
[8] Indem die Beschwerde (nominell Z 9 lit a) eigene Erwägungen zum Beweiswert der Zeugenaussagen anstellt und daraus andere Schlussfolgerungen als die Tatrichter zieht, greift sie abermals bloß deren Beweiswürdigung an.
[9] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert mit der Behauptung eines Handelns in „Disziplinierungsabsicht“ und in Wahrnehmung der Verantwortung als Hundebesitzer sowie eines Fehlens der subjektiven Tatseite wiederum nicht auf Basis der Urteilskonstatierungen (US 4 f).
[10] Schließlich stellt auch die Kritik (offenbar) an der (erkennbar sämtliche Kriterien des § 21 Abs 1 StGB einschließenden [US 11 f]) Gefährlichkeitsprognose (nominell Z 11), die Unbescholtenheit des Betroffenen und sein ordentlicher Lebenswandel seien nicht berücksichtigt und hätte eine Auseinandersetzung mit einem „ärztlichen Entlassungsschreiben“ über die Behandlung und den Zustand des Betroffenen in den ersten sechs Wochen nach den Taten nicht stattgefunden, bloß ein Berufungsvorbringen dar (vgl RISJustiz RS0118581 [T11]; Ratz, WKStPO § 281 Rz 716 ff, insbes Rz 720). Gleiches gilt für die Forderung bedingter Nachsicht (RISJustiz RS0099865).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00057.22G.0708.000 |
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