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OGH vom 31.08.1994, 8ObA223/94

OGH vom 31.08.1994, 8ObA223/94

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Haselmann und Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Johann L*****, 2. Konrad R*****, beide vertreten durch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für OÖ, 4020 Linz, Volksgartenstraße 40, diese vertreten durch Dr.Aldo Frischenschlager, Dr.Dieter Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Feststellungsinteresse S 51.000,--), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 32/93-9, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 13 Cga 225/92-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.624,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger ist seit dem Jahre 1975 und der Zweitkläger seit dem Jahre 1982 als Vertragsbediensteter bei der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung beschäftigt. Rechtsträger dieses Instituts ist der Bund. Seit Beginn ihres Dienstverhältnisses wurden sie - entsprechend dem Erlaß des Bundesministers für soziale Verwaltung vom - an den von der Anstalt eingenommenen Taxen mit einem bestimmten Prozentsatz beteiligt; daneben erhielten sie die im Vertragsbedienstetengesetz 1948 festgelegte Entlohnung. Mit Erlaß des Bundeskanzleramtes (Bundesministerium für Gesundheit und öffentlichen Dienst) vom wurde eine stufenweise Absenkung und ab dem Jahre 1998 der vollständige Entfall der Taxanteile verfügt.

Mit der Behauptung, im Jahre 1992 seien durch die Neuregelung erstmals finanzielle Nachteile für sie entstanden, begehrten die Kläger die Feststellung, daß die Beklagte ihnen weiterhin Taxanteile entsprechend dem Erlaß des Bundesministerium für soziale Verwaltung vom , Zl. V-67.769-L/59, zu bezahlen habe. Der Anspruch sei gemäß § 863 ABGB durch vorbehaltlose Gewährung Inhalt ihrer Einzeldienstverträge geworden.

Die Beklagte bestritt die Berechtigung des Klagebegehrens und beantragte dessen Abweisung. Mangels Vorliegens eines gültigen Sondervertrages gemäß § 36 VBG 1948 hätten die Kläger keinen über die gesetzlichen Bezüge hinausgehenden Entlohnungsanspruch. Gegenteilige ministerielle Erlässe seien in der unzutreffenden Annahme ergangen, daß eine gesetzliche Grundlage bestehe. Sie seien jedenfalls mit dem Inkrafttreten des Lebensmittelgesetzes 1975 außer Kraft getreten. Die Entlohnungsansprüche der Kläger seien im VBG 1948 abschließend geregelt. Auf allfällige Belohnungen bestehe kein gesetzlicher Anspruch. Die mangelnde gesetzliche Grundlage für die Auszahlung von Taxanteilen sei auch im Rechnungshofbericht 1981 gerügt worden. Dieser gesetzwidrige Zustand sei durch den Erlaß vom - aus Billigkeitsgründen bloß stufenweise - beseitigt worden.

Das Gericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, die es rechtlich dahin qualifizierte, daß die Bestimmung des § 36 VBG 1948, die für Sonderverträge die Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen fordere, auch eine Schutzfunktion zugunsten des Dienstgebers habe. Ein derartig genehmigter Sondervertrag liege im gegenständlichen Fall nicht vor. Ohne Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen könne aber weder schriftlich noch durch konkludentes Handeln ein einzelvertraglicher Anspruch wirksam begründet werden.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Es erklärte, § 36 VBG 1948 sei in zweifacher Hinsicht als Schutzvorschrift konzipiert: Einerseits solle der Bund als Dienstgeber vor Verträgen bewahrt werden, die ihm (in der Regel finanzielle) Belastungen bringen, wie sie normalerweise durch die Anwendung des VBG 1948 nicht entstehen. Andererseits soll der Dienstnehmer vor leichtfertigen Vereinbarungen, die ihm geringere Rechte gewähren als die normalen Bestimmungen des VBG 1948 geschützt werden. Das Fehlen der individuellen Genehmigung eines Sondervertrages durch den Bundeskanzler und den Bundesminister für Finanzen bewirke, daß die von den normalen gesetzlichen Bestimmungen abweichenden Vereinbarungen nicht wirksam werden. Das Zustimmungserfordernis stelle aus den dargestellten Erwägungen keine bloß interne Formvorschrift dar. Abgesehen davon, daß die Genehmigung von Sonderverträgen ausdrücklich zu erfolgen habe, mangle es auch an jeglichem Anhaltspunkt für eine schlüssige Genehmigung der nach den Klagsbehauptungen konkludent getroffenen Vereinbarung über die Auszahlung von Taxanteilen. § 36 VBG 1948 sei verfassungsrechtlich unbedenklich, da es nicht unsachlich sei, daß der Bund als Dienstgeber trachte, untragbaren Belastungen aufgrund des Abschlusses von Sonderverträgen entgegenzuwirken.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhobenen Revision der Kläger kommt keine Berechtigung zu.

§ 36 Abs. 1 VBG 1948 normiert, daß in Ausnahmefällen im Dienstvertrag Regelungen getroffen werden können, die von diesem Bundesgesetz abweichen. Solche Dienstverträge sind als Sonderverträge zu bezeichnen und bedürfen der Genehmigung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen. Die ursprüngliche Fassung dieser Gesetzesstelle sah nur das Erfordernis der Genehmigung durch das Bundeskanzleramt vor. Durch die 11.VBG-Novelle, BGBl. 1966/110, wurde als zusätzliches Erfordernis auch die Genehmigung des Bundesministers für Finanzen eingefügt. Entgegen der Ansicht der Revisionswerber widerspricht das Genehmigungserfordernis nicht der verfassungsmäßigen Stellung der Bundesministerien als oberster weisungsunabhängiger Verwaltungsorgane. Der Wortlaut des Art. 69 Abs. 1 1.Satz B-VG besagt, daß mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes der Bundeskanzler, der Vizekanzler und die übrigen Bundesminister betraut sind (soweit diese Geschäfte nicht dem Bundespräsidenten übertragen sind). Dem Wortlaut der Bundesverfassung ist aber nicht zu entnehmen, daß sie eine Regelung betreffend den Wirkungsbereich (das Ressort) der genannten Organe enthält. Ebensowenig regelt weder Art. 77 Abs. 2 B-VG noch eine andere Vorschrift der Verfassung den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramts und der einzelnen Bundesministerien und damit auch den Wirkungsbereich des Bundeskanzlers und der einzelnen Bundesminister. Insbesondere enthält auch Art. 69 Abs. 1 2.Satz B-VG keine die Wirkungsbereiche des Bundeskanzlers und der Bundesminister ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar bestimmende Regelung. Dieser zweite Satz enthält nicht einmal eine Anordnung betreffend die Betrauung der Bundesregierung mit Verwaltungsaufgaben. Die Bundesgesetzgebung, die gemäß Art. 77 Abs. 2 B-VG den Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes und der einzelnen Bundesministerien festzusetzen hat, ist also hinsichtlich der Aufteilung der obersten Verwaltungsgeschäfte auf die einzelnen Ressorts nicht eingeengt. Ihr ist insbesondere auch durch keine Vorschrift der Verfassung verwehrt, eine Regelung zu treffen, gemäß der ein bestimmtes Verwaltungsgeschäft mehreren Ressorts mit der Einschränkung zugewiesen wird, daß die Besorgung nur einvernehmlich erfolgen darf. In einem solchen Fall sind eben mehrere Bundesminister mit diesem obersten Verwaltungsgeschäft "betraut" im Sinne des Art. 69 Abs. 1 B-VG. Eine Vorschrift, die Bundesminister hätten einvernehmlich vorzugehen, widerspricht ebensowenig den Regelungen der Verfassung über die Ministerverantwortlichkeit wie etwa das Erfordernis der Einstimmigkeit bei der Fassung von Beschlüssen der Bundesregierung (VersSlg. 4395; 4648; Walter/Mayer, Grundriß7 Rdz 676 und 689; Adamovich-Funk, Österreichisches Verfassungsrecht3, 269). Gegen die Verfassungsgemäßheit der im § 36 Abs. 1 VBG 1948 verfügten Zustimmungserfordernisse zum Abschluß von Sonderverträgen bestehen daher keine Bedenken.

Dem Gericht zweiter Instanz ist auch darin beizupflichten, daß § 36 VBG 1948 in zweifacher Hinsicht als Schutzvorschrift konzipiert ist. Die Schutzfunktion zugunsten des Dienstgebers liegt in jenem Textteil der Gesetzesbestimmung, der den Abschluß eines Sondervertrages an die Genehmigung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen bindet (DRdA 1989, 33). Einen Sondervertrag kann daher eine nachgeordnete Dienststelle allein nicht eingehen; auch ein Bundesminister könnte das nicht und der Bundeskanzler kann einen Sondervertrag ebenfalls nur mit Genehmigung des Bundesministers für Finanzen wirksam abschließen (Stifter, ZAS 1978, 21). Fehlt die erforderliche Genehmigung des Vertrages durch die Oberbehörde (Aufsichtsbehörde), scheidet der Vertrauensschutz aus, der Vertrag ist rechtsunwirksam (Eccher/Purtscheller, Zur Gültigkeit privatrechtlicher Verträge juristischer Personen des öffentlichen Rechts (§ 867 ABGB), JBl. 1977, 561, hier: 563; Rummel in Rummel2 Rdz 7 zu § 867).

Eine durch regelmäßige vorbehaltlose Gewährung von Zahlungen des Arbeitgebers an bestimmte Arbeitnehmer begründete Übung wird, soweit sie dem Willen des Arbeitgebers, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, infolge der gleichfalls schlüssigen (§ 863 ABGB) Zustimmung der Arbeitnehmer zum Inhalt des Einzelarbeitsvertrages (SZ 52/76; DRdA 1989, 33; ZAS 1990/18; 9 ObA 220/93; 9 ObA 601/93). Auf dem Gebiet des Privatrechtes können auch Hoheitsträger konkludent handeln, wenn das zur Erklärung des rechtsgeschäftlichen Willens berufene Organ jenes Verhalten gesetzt hat, das den Voraussetzungen des § 863 ABGB entspricht (DRdA 1989, 33; WBl. 1990, 180; ecolex 1991, 678; SZ 44/146; SZ 47/59). Erklärungen und damit auch schlüssiges Verhalten von Organen des Bundes sind aber nur innerhalb der ihnen eingeräumten Vertretungsmacht verbindlich, wenn der Umfang der Vertretungsmacht durch das Gesetz oder öffentlich bekanntgemachte Vorschriften kundgemacht ist. Hiebei muß es sich um eindeutige Anordnungen handeln, die keinen Zweifel am Umfang der eingeräumten Vertretungsmacht übrig lassen (SZ 41/123; Arb 9350; SZ 52/80). Eine derartige Einschränkung der Vertretungsmacht des zuständigen Ministeriums zum Abschluß von Sonderverträgen normiert aber § 36 Abs. 1 VBG 1948 in völlig eindeutiger Weise. Auch eine langwährende betriebliche Übung kann dann keine Ansprüche begründen, wenn sie auf gesetzwidrigem Handeln eines Organes des Bundes beruht.

Die Revisionswerber bringen nunmehr (erstmalig ausdrücklich) vor, daß die zur Zustimmung berufenen Organe, somit Bundeskanzler und Bundesminister für Finanzen, von der Zahlung sogenannter Taxanteile aufgrund des Erlasses des Bundesministerums für soziale Verwaltung vom , spätestens aber seit Vorliegen des Rechnungshofberichtes 1981, Kenntnis gehabt und diesen Zahlungen konkludent zugestimmt haben. Ohne daß näher zu prüfen wäre, inwieweit dieses Vorbringen in den in erster Instanz aufgestellten Tatsachenbehauptungen Deckung findet und somit keinen Verstoß gegen das Neuerungsverbot des § 482 Abs. 1 ZPO darstellt und ohne daß es weiterer Feststellungen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieser behaupteten Kenntnis bedürfte, ist den Revisionswerbern zu erwidern, daß nach der Fomulierung des § 36 Abs. 1 VBG 1948 eine konkludente Genehmigung konkludent entstandener Sonderverträge ausgeschlossen ist. Wenngleich Dienstverträge innerhalb des VBG 1948 konkludent zustandekommen können und Schriftlichkeit nicht erforderlich ist (Arb 7209; 7468), ist die Rechtslage in Ansehung von Sonderverträgen insoweit anders, als § 36 Abs. 1 VBG 1948 ausdrücklich anordnet, daß Dienstverträge, die von den Regelungen dieses Bundesgesetzes abweichen, als Sonderverträge zu bezeichnen sind. Dies indiziert nicht nur die Schriftlichkeit (vgl. Stifter, ZAS 1978, 21) als Teil der Schutzfunktion zugunsten des Arbeitgebers (DRdA 1989, 33), sondern bedingt jedenfalls die Notwendigkeit des ausdrücklichen Abschlusses. Es muß aber dann in einem derartigen Fall die Genehmigung der zustimmungsberechtigten Organe des Bundes ebenfalls zumindest ausdrücklich erteilt werden. Derartiges wurde aber im Verfahren nicht behauptet.

Es war daher der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.