OGH vom 30.03.2006, 8Ob139/05g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Ahmet O*****, vertreten durch Pfeifer Keckeis Fiel, Rechtsanwälte OEG in Feldkirch, wegen 5.904,46 EUR sA, über die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom , GZ 4 R 199/05b-26, womit über Berufung des Beklagten das Urteil des Bezirksgerichtes Dornbirn vom , GZ 3 C 1011/04m-21, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 499,40 EUR (darin enthalten 83,23 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Beklagte und sein Bruder beauftragten die Klägerin mit der Fundierung (Pilotierung und Herstellung der Bodenplatte) eines Doppelhauses. Diesem Auftrag lag ein Anbot der Klägerin für die Herstellung der Bodenplatte über 37.047,07 EUR brutto und ein Anbot für die Pilotierung über 26.381,12 EUR brutto zugrunde.
Zwischen der Pilotierung und der technisch davon nicht trennbaren Bodenplattenherstellung bestehen auch preisliche Wechselwirkungen: Je teurer die Pilotierung (höhere Pilotenanzahl), desto billiger wird die Platte (geringere Stahlmenge). Die Klägerin, die zum Zeitpunkt der Anbotslegung über das wirtschaftlich sinnvollste Verhältnis zwischen Pilotenanzahl und Stahlmenge noch nicht Bescheid wusste, zog, wie in solchen Fällen üblich, einen Statiker bei und entschied sich für die im konkreten Fall wirtschaftlich günstigere Variante. Allerdings bedingte die von der Klägerin gewählte und technisch nicht zu beanstandende Variante, dass für die Bodenplattenherstellung statt der angebotenen 37.047,07 EUR (darauf entfallend auf den Beklagten: 18.523,53 EUR) 46.268,05 EUR (darauf entfallend auf den Beklagten: 23.134,25 EUR) verrechnet wurden. Dafür bezahlte der Beklagte für die Pilotierung weniger als veranschlagt. Dadurch wurden die Gesamtkosten für die Fundierung um insgesamt 242 EUR geringer als die beiden Anbotsummen.
Die Klägerin begehrt restlichen Werklohn von 5.904,46 EUR sA. Die Bodenplattenherstellung und die Pilotierung stelle eine Einheit dar. Eine Kostenüberschreitung liege daher nicht vor.
Der Beklagte wendet ein, dass das Anbot der Klägerin für die Herstellung der Bodenplatte über 37.047,07 EUR als Kostenvorschlag anzusehen sei. Die tatsächlich für die Bodenplattenherstellung verrechnete Summe überschreite diesen Kostenvoranschlag beträchtlich. Darauf habe die Klägerin nie hingewiesen, weshalb sie gegenüber dem beklagten Konsumenten keine Ansprüche mehr stellen könne.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung nicht Folge und sprach - über Abänderungsantrag des Beklagten - nachträglich aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil neuere Rechtsprechung des OGH dazu fehle, ob Kostenvoranschläge auch dann isoliert zu betrachten seien, wenn ein einheitliches Werk herzustellen sei.
Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass nicht zwei getrennte Kostenvoranschläge für zwei getrennte Bauvorhaben zu beurteilen seien: Bei der Pilotierung und der Errichtung der Bodenplatte handle es sich um eine technisch nicht trennbare Arbeit, wobei zwischen den Kosten für die Pilotierung und für die Errichtung der Bodenplatte eine direkte Wechselwirkung bestünde. Es sei ein einheitliches Werk, nämlich die Fundierung, durch Erstellung einer Bodenplatte und der Pilotierung, beauftragt worden. Für die Beurteilung, ob eine beträchtliche Kostenüberschreitung im Sinn des § 1170a ABGB vorliege, seien daher die Gesamtkosten der Fundierung heranzuziehen. Diese hätten die Anbotssumme nicht überschritten.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes unzulässig:
Hier geht es entgegen der Auffassung in der Revision nicht um die in 4 Ob 511/88 aufgeworfene, dort aber nicht beantwortete Frage, ob im Fall der Erstellung mehrerer Kostenvoranschläge für ein Gesamtvorhaben die Überschreitung der Summe im Sinne des § 1170a Abs 2 ABGB an der Summe der Kostenvoranschläge zu messen wäre: Während nämlich bei dem der Entscheidung 4 Ob 511/88 zugrunde liegenden Fall Kostenvoranschläge vorlagen, die jeweils Arbeiten betrafen, die in keinem untrennbaren technischen Zusammenhang zueinander standen, ist hier das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass nicht nur nach dem Parteiwillen, sondern auch nach technischer Beurteilung ein einheitliches Werk (Herstellung der Fundierung) beauftragt und ausgeführt wurde. Liegt aber nach dem konkreten Parteiwillen ebenso wie nach objektivem Verständnis ein einheitliches Werk vor, kommt es für die Beurteilung, ob die Endsumme im Sinne des § 1170a ABGB erheblich überschritten wurde, nach der Rechtsprechung nicht auf einzelne Posten, sondern auf die Überschreitung der Endsumme an (RIS-Justiz RS0021945; EvBl 1964/319). Dass dieses einheitliche Werk nicht in einer, sondern in zwei Urkunden angeboten wurde (die beide nach dem zwischen den Parteien unstrittigen Urkundenwortlaut als „Angebot Bodenplatte" bezeichnet wurden), kann an dieser Beurteilung nichts ändern: Vielmehr wurde das die Fundierung betreffende Anbot unstrittig deshalb in zwei Urkunden erstellt, weil sich erst nach dem Anbot über die Bodenplattenherstellung herausstellte, dass die Bodenbeschaffenheit, für die der Beklagte unstrittig das Risiko trug - siehe dazu 6 Ob 233/97a = bbl 1998/126 [Egglmeier] - auch eine Pilotierung erforderlich machte. Die auf diesen Umständen des Einzelfalls beruhende Beurteilung des Berufungsgerichtes, in Wahrheit liege nur ein Kostenvoranschlag vor, ist zumindest vertretbar.
Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich demnach nicht.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten hingewiesen.