OGH vom 20.06.2002, 12Os57/01
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schindler, Dr. Adamovic, Dr. Schmucker und Dr. Philipp als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Lazarus als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Bernd S***** wegen des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 Abs 1 FinStrG, teils als Beteiligter nach § 11 dritter Fall FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 39 Vr 390/98-74, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Kroner zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird dahin Folge gegeben, dass die über ihn verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Monate herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird seiner Berufung und jener des Finanzamtes Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Bernd S***** des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 Abs 1 FinStrG, teils als Beteiligter nach § 11 dritter Fall FinStrG, schuldig erkannt. Darnach hat er in Salzburg vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrnehmungspflicht
1. durch Abgabe unrichtiger Einkommensteuererklärungen, und zwar durch ungerechtfertigte Geltendmachung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für 1985 und 1986 sowie eines Verlustes aus Gewerbebetrieb für 1987 Einkommensteuer für die genannten Jahre um insgesamt 2,369.536 S verkürzt;
2. als maßgeblich wirtschaftlich Verfügungsberechtigter der F***** KG durch Veranlassung einer unrichtigen Einkommensteuererklärung für 1986 infolge ungerechtfertigter Geltendmachung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auf seinen Kommanditanteil an dieser Gesellschaft entfallende Einkommensteuer von 1,088.508 S zu verkürzen versucht sowie zum Versuch der Verkürzung der auf den Kommanditanteil seiner Gattin Christa S***** entfallenden Einkommensteuer von 1,107.692 S beigetragen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b und (nominell) 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.
Da der Angeklagte der auszugsweisen Verlesung des Sachverständigengutachtens von DI B***** zustimmte (§ 252 Abs 1 Z 4 StPO; 61/VI iVm Blg 11 zu ON 57 und ON 66), liegt der behauptete Verstoß gegen § 252 Abs 1 StPO (Z 3) nicht vor.
Durch die negative Erledigung seines Antrages auf "Einvernahme des Zeugen DI B***** zum Beweis dafür, dass sämtliche angeklagte Beteiligungen eingezahlt worden sind sowie dass mit diesen Beteiligungen das übliche wirtschaftliche Risiko unternehmerischer Tätigkeit eingegangen wurde" (56/VI), wurde der Beschwerdeführer schon allein deshalb nicht in seinen Verteidigungsrechten verletzt (Z 4), weil die klar gegenteiligen gutachterlichen Ausführungen (269, 429, 443 f/V) die Angabe konkreter Gründe für eine - nach Lage des Falles von selbst nicht einsichtige - dennoch mögliche Antragstauglichkeit im Sinn der angestrebten Beweisführung erfordert hätten. Demnach kann es auf sich beruhen, ob das Beweisbegehren im Sinne der erstgerichtlichen Beurteilung (US 24) überhaupt auf die mit einem Zeugenbeweis allein in Betracht kommende Wiedergabe wahrgenommener Tatsachen gerichtet war.
Auch die darüber hinaus begehrte "Erstellung eines Sachverständigengutachtens" (56/VI) konnte ohne unzulässigen Eingriff in prozessuale Rechte des Angeklagten unterbleiben. Dem damit angestrebten Beweisziel einer tatsächlichen Einzahlung der Beteiligungen an den Serien 10 und 30 standen zahlreiche Beweisergebnisse, allen voran das Buchsachverständigengutachten entgegen, weshalb der Beschwerdeführer auch in diesem Fall die Erfolgsaussichten seines Beweisantrages zu begründen gehabt hätte. Die ungeachtet negativer Nachforschungen aufgestellte Behauptung, wonach sich insoweit Belege in den Buchhaltungen der C***** AG oder der Serien 10 und 30 befänden, wird als reine Spekulation diesem Konkretisierungsgebot nicht gerecht.
Sollte der - in diesem Zusammenhang nur pauschal gefasste - Antrag jedoch auf den Nachweis gezielt haben, dass ein Dritter im Rahmen der im W*****-Konzern verflochtenen Unternehmen eine Zahlung auf seine eigene Rechnung leistete, betraf er ungeachtet dessen, ob dieser rein theoretisch im Sinne der Verantwortung des Angeklagten diese Beträge jederzeit hätte zurückverlangen können oder nicht, mangels wirtschaftlichen Risikos des Beschwerdeführers an der Beteiligung unerhebliche Umstände (vgl ). Da die dem Antrag zugrunde liegende Annahme eines "Eingehens der Beteiligungen" vom Erstgericht nicht geteilt wurde (US 7 bis 9, 11 bis 14, 19 f), konnte auch die auf jener Basis angestrebte Befassung eines Sachverständigen mit der "Gesamtgewinnprognose für die Beteiligungen" auf sich beruhen (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 67). Die weiters als Beweisthemen angegebenen "allfälligen Auszahlungen aus erzielten Gewinnen" und "Gewinnzuweisungen an den Angeklagten" lassen die zur erfolgreichen Antragstellung erforderliche Relevanz ebensowenig erkennen wie die Frage, ob der Betriebsprüfung auf Grund ihr zur Verfügung stehender Unterlagen eine verlässliche Beurteilung der Besteuerungsgrundlage offenstand.
Ob die Gesellschaften, an denen der Angeklagte "mittelbar im Wege der C***** beteiligt war, ihren steuerlichen Offenlegungs- und Anzeigepflichten nachgekommen sind", stellt eine - im gegebenen Zusammenhang zudem unerhebliche - Rechtsfrage dar.
Auch die behaupteten Begründungsmängel (Z 5) liegen nicht vor. Zwischen der Feststellung, dass die Serie 10 die Einzahlung der Beteiligungssummen durch den Angeklagten jeweils bestätigte und ihm den entsprechenden Hausanteilschein zusandte (US 94), der Angeklagte die Überweisung des Beteiligungskapitals im Bestreben, auf diese Weise Einkommensteuer durch unberechtigte Geltendmachung negativer Einkünfte zu hinterziehen, aber nur vorgab (US 95 und 98 f), besteht angesichts des durchgehend angenommenen umfangreichen und komplexen Täuschungsmanövers (US 25) kein logischer Widerspruch. Die hier von der Beschwerde angestellten Plausibilitätserwägungen sind bei Darstellung des geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgrundes unzulässig.
Die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen (zum Urteilsfaktum 1.) konnte das Erstgericht logisch richtig aus der jeweils unterlassenen Einzahlung der Beteiligungssummen schließen. Diese wiederum folgerte der Schöffensenat aus einer Reihe von Faktoren (US 19 bis 23), allen voran dem Fehlen von Einzahlungsbelegen, sodass von der behaupteten Scheinbegründung keine Rede sein kann. Der Einwand, nicht einmal der ehemalige Staatsanwalt Dr. G***** sei von einem finanzstrafrechtlichen Umstand ausgegangen, hat als klassisches Argument einer Schuldberufung auf sich zu beruhen.
Für die weiters vermissten Erörterungen darüber, ob Dr. S***** im Fall der Auflösung der Beteiligungsgesellschaft aliquot an den stillen Reserven und am Firmenwert beteiligt gewesen wäre, bestand infolge mängelfreier Verneinung eines wirklichen Eingehens der hier in Rede stehenden Beteiligungen kein Anlass.
Die in Ansehung des Schuldspruchfaktums 2 als mangelhaft begründet gerügte Konstatierung, dass Dkfm Mag H***** oder dessen Gattin über Veranlassung des Angeklagten die F*****-Firmenbeteiligungs GmbH gründeten (US 11), betrifft keinen entscheidungswesentlichen Umstand. Hinsichtlich der angeblich fehlenden Begründung für die Urteilsannahme, dass der Beschwerdeführer die Unterfertigung des Zeichnungsscheines durch die Geschäftsführerin der F***** KG veranlasste (US 12), ist die Beschwerde auf die entsprechenden Erörterungen laut US 26 f zu verweisen.
Mit der Tatsachenrüge (Z 5a) wiederholt der Beschwerdeführer im Wesentlichen seine umfassend leugnende Verantwortung und versucht, überwiegend unter Ignorierung der komplexen Urteilsgründe, dieser mit dem Hinweis auf angebliche Versäumnisse bei der Aufklärung der Tat (zu Punkt 1.), weiters durch Plausibilitätserwägungen und oftmalige Bezugnahme auf den Zweifelsgrundsatz zum Durchbruch zu verhelfen. Zu den behaupteten Divergenzen zum Sachverständigengutachten des W*****-Verfahrens bleibt die Beschwerde eine Begründung dafür schuldig, was den Angeklagten insoweit an einer auf weitere Beweisaufnahme gerichteten Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert haben sollte.
Solcherart vermag sie insgesamt keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die entscheidenden Urteilsannahmen zu erwecken.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a und b, nominell verfehlt auch Z 10) ist großteils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt und im Übrigen unbegründet.
Im erstbezeichneten Sinn fehlerhaft ist sie insoweit, als sie in ihrer Argumentation zur "Serie 10, Ausgabe 1985" (Urteilsfaktum 1./1) unter Ausklammerung wesentlicher Konstatierungen von der urteilsfremden Annahme tatsächlich geleisteter Auszahlungen ausgeht, in Ansehung der "Serie 10/Ausgabe 1986" (Urteilsfaktum 1./2 und 2.) jene Sachverhaltsannahmen missachtet, aus denen sich die bloße Vortäuschung wirksamer Vermögensverschiebung ergibt (US 9, 13 f) und hinsichtlich der subjektiven Merkmale aller Taten nicht nur die getroffenen Feststellungen zum Verkürzungsbestreben des Angeklagten vernachlässigt (US 25 bis 27), sondern zudem außer Acht lässt, dass das Wollen des objektiven Tatbildes in sich schließt, dass der Täter den konkreten Sachverhalt auch tatsächlich bedacht hat (Foregger/Fabrizy StGB7 § 5 Rz 1 zweiter und dritter Satz). Konstatierungen darüber, "ob und wer" - außer dem explizit ausgenommenen Angeklagten (US 8 f) - die Hausanteilscheine der Serie 30, Ausgabe 1987 einbezahlt hat, mussten entgegen der Beschwerdeauffassung aus dem im Urteil zutreffend angeführten rechtlichen Erwägungen (US 22) nicht getroffen werden. Die "Sachverhaltsdarstellung/Selbstanzeige" der F***** KG (US 15; 23/V) konnte schon deshalb keine strafbefreiende Wirkung für den Angeklagten entfalten (Z 9 lit b), weil sie nicht (auch) für ihn erstattet wurde (§ 29 Abs 5 FinStrG; Dorazil/Harbich FinStrG E 32 = ; Leitner, Handbuch des österreichischen Finanzstrafrechts2, 105 mwN).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die Wiederholung der strafbaren Handlung erschwerend, die gerichtliche und finanzstrafbehördliche Unbescholtenheit des Angeklagten, sein Wohlverhalten seit der bereits längere Zeit zurückliegenden Tat sowie den Umstand, dass es teilweise (Urteilsfaktum 2.) beim Versuch geblieben ist, demgegenüber als mildernd.
Davon ausgehend verurteilte es Dr. S***** nach § 33 Abs 5 FinStrG unter Anwendung des § 21 Abs 1 und 2 FinStrG zu einer Geldstrafe von 2,000.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit zu zwölf Monaten Ersatzfreiheitsstrafe; einen Teil der Geldstrafe von 1,5 Mio S sah es unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit gemäß § 26 Abs 1 FinStrG, § 43a Abs 1 StGB bedingt nach.
Die dagegen gerichteten Berufungen des Angeklagten einerseits und der Finanzstrafbehörde andererseits, richten sich - mit jeweils entgegengesetztem Ziel - gegen den Ausspruch über die teilbedingte Strafnachsicht, vermögen dafür aber keinen gerechtfertigten Grund ins Treffen zu führen.
Die als weiteren Milderungsgrund vom Angeklagten reklamierte überlange Dauer des Finanzstrafverfahrens hat der Schöffensenat ohnehin berücksichtigt, indem er auf der Basis der übrigen Strafzumessungsgründe gerade damit die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht begründete.
Von dem behaupteten erheblichen Zurückbleiben der konkreten Tat hinter dem sonst deliktstypischen sozialen Störwert einer Abgabenhinterziehung kann bei der auf der Eigentümerebene eines Großkonzerns akkordiert und sorgfältig geplanten und ebenso verschleierten wiederholten Abgabenhinterziehung beträchtlichen Ausmaßes nicht ernsthaft gesprochen werden.
Der abschreckenden Wirkung einer offenen Strafe wurde mit dem großzügig bemessenen bedingten Strafteil ausreichend Rechnung getragen, ohne dass fallbezogen deshalb allerdings auf die spezial- und generalpräventiv positive Wirkung des unbedingten Strafteils verzichtet werden könnte.
Einer zur Gänze unbedingten Strafe bedurfte es zur Erreichung der hier wesentlichen Strafziele angesichts der mit dem Urteil verbundenen Weisung an Dr. S***** (§ 26 Abs 2 FinStrG), binnen Jahresfrist den aus der Tat entstandenen Schaden gut zu machen, nicht.
Dem Berufungsbegehren auf Ausschaltung des Ausspruchs über die teilbedingte Strafnachsicht war daher ein Erfolg zu versagen. Dem erstmals beim Gerichtstag gestellten Antrag des Angeklagten auf Reduktion der Ersatzfreiheitsstrafe wegen Unangemessenheit kommt jedoch Berechtigung zu, weil die Verhängung des gesetzlichen Höchstmaßes von einem Jahr (§ 20 Abs 2 FinStrG) vom Unrechtsgehalt her einen - hier nicht gegebenen - atypischen Ausnahmsfall voraussetzt.
Bei Bedachtnahme auf die Umstände des Einzelfalls war daher eine Herabsetzung der Ersatzfreiheitsstrafe auf sechs Monate sachadäquat. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.