OGH vom 26.08.2009, 9ObA103/08z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Gerhard E*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei Universität *****, vertreten durch Engelbrecht und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen 8.059,86 EUR brutto abzüglich 876,42 EUR netto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 133/07s-13, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 15 Cga 72/07b-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 556,99 EUR (darin 92,83 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe :
Der Kläger war bei der Beklagten als Universitätsassistent zuletzt im Rahmen eines befristeten Dienstverhältnisses vom bis beschäftigt. Diesem Dienstverhältnis waren zwei befristete Dienstverhältnisse vorangegangen, und zwar zunächst eines für die Zeit vom auf die Dauer der Dienstverhinderung einer Universitätsassistentin bis längstens , das dann bis zum verlängert wurde, und für die Zeit vom bis längstens für die Dauer der Abwesenheit einer anderen Assistentin. Dieses Dienstverhältnis ab wurde aufgrund des Schreibens des Klägers vom im Hinblick auf das ab zu begründende bzw begründete Dienstverhältnis mit von der Beklagten am bzw vom Kläger am unterfertigter Vereinbarung einvernehmlich aufgelöst. In der Auflösungsvereinbarung wurde auch festgehalten: „Mit dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen den Vertragspartnern verglichen und bereinigt. Arbeitnehmer und Arbeitgeber erklären, keine weiteren Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis zu stellen."
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage zuletzt 8.059,86 EUR brutto abzüglich 876,42 EUR netto sA. Er sei bei der Beklagten vom bis als Universitätsassistent gemäß § 49l VBG beschäftigt gewesen. Er habe daher gemäß § 49r Abs 1 VBG Anspruch auf eine Abfertigung im Ausmaß von 40 % des für ein volles Jahr gebührenden Bruttoentgelts. Für den Erwerb der Anwartschaft auf eine Abfertigung und für die Höhe des Anspruchs seien die lückenlos aneinander anschließenden Dienstverhältnisse des Klägers als Universitätsassistent zusammenzurechnen. Von der Vereinbarung anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des vorletzten Dienstverhältnisses seien nur bereits entstandene Forderungen umfasst gewesen. Ein Abfertigungsanspruch habe damals noch nicht bestanden; dieser sei erst im Oktober 2006 entstanden.
Die Beklagte stellte die Höhe des Klagebegehrens außer Streit, bestritt es dem Grunde nach, beantragte dessen Abweisung und wendete ein, dass ein Abfertigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht bestehe, weil das Dienstverhältnis des Klägers dem BMVG unterlegen sei. Dienstverhältnisse, die nach dem begonnen haben, seien nach den Regeln der „Abfertigung neu" gemäß dem BMVG zu behandeln. Im Übrigen sei anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des vorletzten Dienstverhältnisses eine Generalbereinigung sämtlicher Ansprüche vereinbart worden. Von dieser Bereinigung seien auch die Abfertigungsanwartschaften des Klägers erfasst gewesen. Ab sei zwischen den Parteien ein völlig neues Dienstverhältnis begründet worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Unter Zugrundelegung des eingangs wiedergegebenen Sachverhalts ging es rechtlich davon aus, dass die anspruchsbegründende Regelung des § 49r VBG auf den Kläger nur bis zum Anwendung gefunden habe. An diesem Tag habe er aber noch nicht die zeitlichen Voraussetzungen für eine Abfertigung erfüllt. Danach sei das BMVG anzuwenden gewesen. Beträge daraus seien jedoch nicht klagegegenständlich. Im Übrigen habe der Kläger anlässlich der Auflösungsvereinbarung vom auf alle Ansprüche einschließlich Anwartschaften verzichtet. Jedenfalls im Zusammenhalt mit dem BMVG sei ein Verzicht des Klägers auf die bisherigen Anwartschaften zulässig gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Ersturteil im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Gleichzeitig sprach es aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Rechtlich ging es davon aus, dass der Kläger als Universitätsassistent gemäß § 84 iVm § 49r VBG nicht dem § 35 VBG und damit auch nicht dem BMVG unterlegen sei. Der Abfertigungsanspruch des Klägers sei daher gemäß § 49r VBG zu beurteilen. Aufgrund ununterbrochener vierjähriger tatsächlicher Verwendung des Klägers als Universitätsassistent seien die zeitlichen Voraussetzungen des Abfertigungsanspruchs gegeben. Ein wirksamer Verzicht auf Anwartschaftsrechte sei nicht zustandegekommen. Der Kläger habe damals unter wirtschaftlichem Druck gehandelt, weil seine Erklärung im Zusammenhang mit dem am selben Tag abgeschlossenen neuen Dienstvertrag gestanden sei. Die Revision sei gemäß § 502 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil zur Frage, nach welchen Bestimmungen sich die Abfertigungsansprüche von Universitätsassistenten gemäß § 49l VBG richten, noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Dagegen richtet sich die ordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Im Kostenpunkt möge das Berufungsurteil dahin abgeändert werden, dass der Beklagten erstinstanzliche Kosten von 1.725,54 EUR (statt bloß 1.384,28 EUR) auferlegt werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.
Der Kläger war zufolge Aneinanderreihung mehrerer befristeter Dienstverhältnisse in der Zeit vom bis bei der Beklagten bzw beim Bund (bis zum vollen Wirksamwerden des Universitätsgesetzes 2002 [UG 2002], BGBl I 2002/120, per ) beschäftigt (§ 121 Abs 25, § 126 Abs 1 UG 2002; vgl 8 ObA 13/08g ua). Unstrittig ist, dass der Kläger dabei stets dem Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG), BGBl 1948/86, unterlegen ist. Der Kläger war als Assistent gemäß § 49l VBG tätig. Als solcher führte er die Funktionsbezeichnung „Universitätsassistent" (§ 49p Abs 1 VBG).
Auf „Universitätslehrer" gemäß Abschnitt IIa, 3. Unterabschnitt des VBG - es handelt sich dabei um Assistenten als Angehörige des wissenschaftlichen Personals an Universitäten - sind gemäß § 84 Abs 1 Z 3 VBG die Abs 1a bis 8 des § 84 VBG anzuwenden, soweit sich aus § 49r VBG nichts anderes ergibt. Die Anwendbarkeit von Bestimmungen der Abs 1a bis 8 des § 84 VBG schließt gemäß § 84 Abs 1 letzter Satz VBG eine Anwendung des § 35 VBG jedenfalls aus. Aufgrund dieser Anordnung kommt § 35 VBG, der sonst im Vertragsbedienstetenrecht die Anwendung des Betrieblichen Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetzes (BMSVG), BGBl I 2002/100 (Titeländerung von BMVG auf BMSVG mit BGBl I 2007/102), vorsieht, in der dienstvertraglichen Beziehung mit dem Kläger als Assistent nicht zum Tragen (vgl Leutner/Achitz/Wöss/Farny, Abfertigung neu 273 ua). Die gegenteiligen Überlegungen der Revisionswerberin, dass § 35 VBG neben § 49r VBG zur Anwendung komme, lassen unberücksichtigt, dass § 35 VBG von § 84 Abs 1 letzter Satz VBG nicht nur, soweit sich aus § 49r VBG etwas anderes als aus den Abs 1a bis 8 des § 84 VBG ergibt, sondern „jedenfalls" ausgeschlossen wird (vgl Ziehensack, VBG §§ 79a - 94 Rz 7 ua). Die „Anwendbarkeit" des § 84 Abs 1a bis 8 VBG folgt hier aus § 84 Abs 1 Z 3 VBG. Entgegen der Annahme der Revisionswerberin kommt es bei Assistenten nicht darauf an, ob das Dienstverhältnis vor oder nach dem begonnen hat (vgl die Z 3 des § 84 Abs 1 VBG mit den Z 1 und 2 leg cit).
§ 49r VBG regelt im 3. Unterabschnitt („Assistenten") des Abschnitts IIa („Sonderbestimmungen für das wissenschaftliche und künstlerische Personal an Universitäten") dieses Gesetzes die Abfertigung der Assistenten. Nach § 49r Abs 1 VBG gebührt dem Assistenten bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch Zeitablauf abweichend von § 84 Abs 2 Z 1 VBG eine Abfertigung im Ausmaß von 40 % des für ein volles Jahr gebührenden Bruttoentgelts, sofern der Assistent zu diesem Zeitpunkt wenigstens eine ununterbrochene vierjährige tatsächliche Verwendung in dieser Funktion aufweist. Dass der Kläger bei Beendigung des letzten befristeten Dienstverhältnisses per durch Zeitablauf insgesamt schon eine ununterbrochene, mehr als vierjährige tatsächliche Verwendung in der Funktion als Assistent aufwies, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig. Gemäß § 49r Abs 2 VBG gebührt einem Assistenten dann keine Abfertigung, wenn er gleichzeitig in einem anderen Dienstverhältnis mit mindestens halbem Beschäftigungsausmaß zu einer inländischen Gebietskörperschaft steht oder unmittelbar anschließend in ein anderes Dienstverhältnis zum Bund oder in ein Arbeitsverhältnis zu einer Universität übernommen wird. Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger stand per in keinem anderen Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft; er wurde auch nicht unmittelbar anschließend in ein anderes Dienstverhältnis zum Bund oder in ein Arbeitsverhältnis zu einer Universität übernommen.
Das Berufungsgericht ging zutreffend von einem Abfertigungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte gemäß § 49r Abs 1 VBG aus. Strittig ist nun aber noch, ob der Kläger im Zug der einvernehmlichen Auflösung des vorletzten Dienstverhältnisses, die mit der von der Beklagten am bzw vom Kläger am unterfertigten Vereinbarung erfolgte, wirksam auf eine Abfertigung verzichtet hat. Einigkeit herrscht zwischen den Parteien darüber, dass der Kläger Ende 2004/Anfang 2005 noch keinen Abfertigungsanspruch gegen die Beklagte hatte, auf den er hätte verzichten können, weil er damals die zeitlichen Vorraussetzungen einer vierjährigen Tätigkeit im Sinn des § 49r Abs 1 VBG noch nicht erfüllte. Der Kläger verfügte jedoch damals aufgrund der seit dem abgeschlossenen befristeten Dienstverhältnisse über eine Anwartschaft auf eine Abfertigung. Von den gemäß § 49r Abs 1 VBG erforderlichen 48 Monaten hatte der Kläger bis Ende 2004 immerhin 27 Monate erworben.
Wie bereits einleitend wiedergegeben, war in der Auflösungsvereinbarung weder von einer Abfertigung noch von einer Anwartschaft auf eine Abfertigung die Rede. Im Prozess wurde auch nicht vorgebracht, dass die künftige Abfertigung des Klägers bei der einvernehmlichen Auflösung ein besonderes Thema gewesen wäre. In der schriftlichen Vereinbarung hieß es im ersten Satz: „Mit dieser Vereinbarung sind alle gegenseitigen Ansprüche zwischen den Vertragspartnern verglichen und bereinigt." Diese weite Formulierung wurde durch den zweiten Satz „Arbeitnehmer und Arbeitgeber erklären, keine weiteren Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis zu stellen", konkretisiert. Durch den Hinweis „aus dem Arbeitsverhältnis" wurde klargestellt, dass es bei der Vereinbarung nur um Forderungen aus dem soeben einvernehmlich aufgelösten Arbeitsverhältnis (vom bis ) ging. Diese Beschränkung war sinnvoll, weil mit der Vereinbarung nicht etwa ein Schlussstrich unter die Beziehung der Parteien gezogen, sondern gleichzeitig ein neues Dienstverhältnis begründet wurde. Da der Kläger damals (unstrittig) keinen Anspruch auf eine Abfertigung hatte, konnte ein solcher Anspruch mit „Forderung" auch nicht gemeint sein. Gegen die Annahme der Revisionswerberin, dass aber mit „Forderung" die Anwartschaft des Klägers auf eine Abfertigung gemeint gewesen sei, spricht, dass nur von Forderungen aus dem soeben einvernehmlich ausgelösten Arbeitsverhältnis die Rede war, während die Anwartschaft des Klägers auf eine Abfertigung bereits auf das vorhergehende Dienstverhältnis vom bis zum (nach Verlängerung) - und nicht nur auf das einvernehmlich aufgelöste Dienstverhältnis - zurückging. Für die Annahme, der Kläger hätte nur auf einen Teil der Anwartschaft (aus dem Zeitraum vom 13. 1. bis ) verzichten wollen (sollen), gibt es keine Anhaltspunkte. Weitere Überlegungen des Berufungsgerichts, dass der Kläger zufolge wirtschaftlichen Drucks gar nicht auf die Anwartschaft verzichten konnte, und die diesbezüglichen Einwände der Revisionswerberin können dahingestellt bleiben. Es muss nach der Lage des Falls auch nicht auf die Überlegungen zu § 49r Abs 3 VBG eingegangen werden. Es kommt auch nicht darauf an, in wessen Interesse der Dienstvertragswechsel erfolgte.
Zusammenfassend wurde dem Klagebegehren vom Berufungsgericht zu Recht stattgegeben. Der unbegründeten Revision muss ein Erfolg versagt bleiben. Eine Überprüfung der Entscheidung des Berufungsgerichts über die erstinstanzlichen Kosten kommt im Revisionsverfahren aufgrund einer Kostenrüge des Revisionsgegners in der Revisionsbeantwortung nicht in Betracht (§ 528 Abs 2 3 ZPO). Da der Revision der Beklagten kein Erfolg beschieden ist, hat auch keine Neubemessung der Kosten zu erfolgen (§ 50 Abs 1 ZPO; vgl Kodek in Rechberger, ZPO³ § 510 Rz 5 ua).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.