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OGH vom 26.11.2018, 8Ob138/18d

OGH vom 26.11.2018, 8Ob138/18d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J***** und 2. K*****, beide vertreten durch Dr. Erich Greger & Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte in Oberndorf, gegen die beklagte Partei L*****, vertreten durch Dr. Christian Adam, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 22 R 186/18h-13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom , GZ 2 C 1175/17p-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 688,92 EUR (darin 114,82 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte ist Eigentümer der Liegenschaft EZ 13 ***** samt dem darauf befindlichen O*****gut. Auf dem im Eigentum der Kläger stehenden Grundstück 367/1 (EZ 25 *****) befindet sich eine Alm, welche sowohl von den Klägern als auch vom Beklagten mit Weidetieren bestoßen wird.

Mit Ergänzungsregulierungsplan des Landesargarsenats beim Amt der Salzburger Landesregierung vom wurde zwischen den Rechtsvorgängern der Parteien als den damaligen Eigentümern einerseits der berechtigten und andererseits der belasteten Liegenschaft das Weiderecht des O*****gutes auf dieser Alm laut Haupturkunde der Landeshauptmannschaft Salzburg vom neu geregelt. In § 5 dieses Ergänzungsregulierungsplans wurde ua festgehalten, dass die Aufschließung der Alm durch einen Viehtriebsweg/Almsteig erfolgt und dem Berechtigten auf der Alm das Geh- und Viehtriebsrecht während der Weideperiode zusteht.

Mit Dienstbarkeitsvertrag vom vereinbarten die Kläger und die Rechtsvorgänger des Beklagten ein wechselseitiges Geh- und Fahrtrecht an einer von den Klägern zu errichtenden (über Grundstücke beider Parteien verlaufenden) Forstaufschließungsstraße zur Alm. Dieses (unentgeltliche) Geh- und Fahrtrecht sollte dem O*****gut „ausschließlich zum Zwecke der alpswirtschaftlichen Nutzung“ der Alm, „das sind Gänge und Fahrten zur Viehnachschau, zum Zäunen und Viehtransporte“ dienen. Mit dieser 2008 fertiggestellten Aufschließungsstraße kann das Auftriebs- und Weiderecht auf der Alm von den Klägern und vom Beklagten leichter ausgeübt werden. Bis zur Errichtung dieser Straße konnte die Alm nur zu Fuß erreicht werden.

In den Jahren 2011 bis 2016 errichteten die Kläger auf dem Grundstück 367/1 – ohne Einbindung des Beklagten – nach und nach drei weitere Forststraßen samt Schlepp- bzw Stichwegen. Durch die Erschließung der Alm „mit einem LKW bzw schlepperbefahrbaren Wegenetz“ sollte die „zeitgemäße forstliche Bewirtschaftung der zum Teil wuchsfreudigen Waldgebiete mit einem hohen Schutzwaldanteil ermöglicht“ werden. Mit diesen neu errichteten Straßen ist ein bessere Nutzung der Alm gegeben. Es können auch Gebiete genutzt bzw bewirtschaftet werden, die vorher nicht genutzt werden konnten. Zudem begründen die neu errichteten Straßen auch eine Erleichterung der Ausübung des Weiderechts. Die Kläger nutzen diese neu errichteten Wege für den Viehtrieb und die Holzwirtschaft. Der Beklagte befährt jeden dieser zwischen 2011 und 2016 neu errichteten Wege, wobei er je nach Bedarf einmal diesen und einmal jenen Weg benutzt. Ungefähr zwei- bis dreimal pro Woche wird einer dieser Wege vom Beklagten mit einem motorisierten Fahrzeug befahren. Eine Nutzung dieser Wege seitens des Beklagten erfolgt ausschließlich zur Ausübung des Weiderechts. Das Weiderecht kann vom Beklagten auch ohne Benutzung von Fahrzeugen ausgeübt werden.

Die begehrten, den Beklagten zu verpflichten, das Befahren der drei von ihnen in den Jahren 2011 bis 2016 neu errichteten Forststraßen samt Schlepp- bzw Stichwegen mit Kraftfahrzeugen aller Art zu unterlassen. Dem Beklagten komme weder aufgrund des Ergänzungsregulierungsplans noch aus einem anderen Rechtsgrund ein Fahrtrecht auf diesen Forststraßen zu.

Der wandte ein, dass das Weiderecht auf fremden Grund nach § 6 Salzburger Einforstungsrechtegesetz das Recht einschließe, die Forststraßen und die sonstigen Bringungsanlagen des Verpflichteten zur Ausübung des Weiderechts unentgeltlich zu benützen. Damit stehe dem Beklagten auch das Recht zu, die Forststraßen mit Kraftfahrzeugen zu befahren.

Die gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt. Aus dem dem Beklagten laut Ergänzungsregulierungsplan zustehenden Weide- und Viehtriebsrecht lasse sich kein Fahrtrecht auf den drei neu errichteten Forststraßen samt Schleppwegen ableiten. Das Fahren des Beklagten mit motorisierten Fahrzeugen auf den neu errichteten Forststraßen der Kläger stelle eine unzulässige Ausweitung des ihm zustehenden Weide- und Viehtriebsrechts dar. Das Befahren mit Kraftfahrzeugen würde auch dem Gebot der schonenden Servitutsausübung widersprechen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche zu, weil zur Frage, ob sich der Beklagte mit dem Hinweis auf § 6 Salzburger Einforstungsrechtegesetz, der im Rahmen der Ausübung des Weiderechts auch die unentgeltliche Benutzung der Forststraßen gestatte, gegen eine actio negatoria in Bezug auf die Nutzung inzwischen angelegter zusätzlicher Forststraßen mit Kraftfahrzeugen zur Wehr setzen könne, – soweit ersichtlich – keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Die von den Klägern beantwortete Revision des Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Frage des Ausmaßes bzw Umfangs einer Dienstbarkeit und die Fragen der Grenzen der zulässigen Erweiterung sind grundsätzlich einzelfallbezogen und stellen – von einer krassen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RISJustiz RS0016368 [T18]; RS0011733 [T11]).

2.1 Weiderechte auf fremden Grund und Boden sind Nutzungsrechte (Einforstungsrechte) iSd § 1 Abs 1 Z 2 Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte sowie besonderer Felddienstbarkeiten bzw § 1 Abs 1 Z 2 Salzburger Einforstungsrechtegesetz, LGBl 1986/74, als dem bezughabenden Ausführungsgesetz.

2.2 Einforstungsrechte werden als öffentlich-rechtliche, dingliche, unwiderrufliche Nutzungsrechte an fremden Grundstücken bezeichnet, die durch eine sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Elemente aufweisende doppelte Rechtsnatur charakterisiert sind. Der Titel, die Begründung und Beendigung der Einforstungsrechte gehören ausschließlich dem öffentlichen Recht an, die Ausübung hingegen nur insoweit, als die gesetzlichen Regelungen des Grundsatzgesetzes reichen (RIS-Justiz RS0128636; 7 Ob 147/13p; Bachler/Haunold in Norer, Handbuch des Agrarrechts² 580). Einforstungsrechte bestehen als öffentliche Rechte unabhängig von ihrer grundbücherlichen Eintragung (5 Ob 161/12f). Ihr Rechtstitel ist ausschließlich die Regulierungsurkunde (Carli/Deimling/Lienbacher, Salzburger Einforstungsrechtegesetz mit Kommentar [2003] § 1 Anm zu Abs 1), also ein individueller Verwaltungsakt, mit dem diese im Privatrecht wurzelnden Nutzungsrechte ins öffentliche Recht „transformiert“ wurden (Bachler/Haunold aaO 581 f; s auch 5 Ob 161/12f). Da die Regulierungsurkunden die Rechtsgrundlage für das Nutzungsrecht selbst bilden, sind die darin enthaltenen Festlegungen für das Ausmaß bzw den Umfang des Nutzungsrechts maßgebend. Nur soweit diese Urkunden mangels hinreichender Bestimmtheit auslegungsbedürftig sind, können andere Beweismittel zur Feststellung des Ausmaßes und des Umfangs der begründeten Nutzungsrechte herangezogen werden (VwGH 98/07/0121).

2.3 Die Ausübung der Wald- und Weideservitutenrechte hat dem Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Interessen von Grundeigentümern und Berechtigten zu entsprechen (VwGH 99/10/0100; 83/07/0369). Die urkundlich festgelegten Rechte dürfen hinsichtlich Art und Umfang weder erweitert noch geschmälert werden (Bachler/Haunold aaO 582 f; Holzer Agrarrecht4 310).

Das entspricht dem allgemeinen servitutsrechtlichen Prinzip, dass der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten einer Dienstbarkeit in ein billiges Verhältnis zu setzen ist, wobei aber keine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Grundstücks entstehen darf (RIS-Justiz RS0011733).

3. § 6 erster Satz Salzburger Einforstungsrechtegesetz, aus dem der Beklagte ableitet, sämtliche Forststraßen der Kläger zur Ausübung seines Weiderechts mit Kraftfahrzeugen befahren zu dürfen, lautet seit der Novelle LGBl 1991/80:

Das Holz-, das Weide- und das Streubezugsrecht schließt das Recht ein, die Forststraßen und sonstigen Bringungsanlagen des Verpflichteten, ausgenommen forstliche Materialseilbahnen, zur Ausübung der im § 1 dieses Gesetzes bezeichneten Rechte unentgeltlich zu benutzen.

Die – vom Berufungsgericht als erheblich erachtete – Frage, ob diese Bestimmung dem Beklagten auch die Nutzung der nach Erlassung des Ergänzungsregulierungsplans vom neu errichteten Forststraßen der Verpflichteten mit Kraftfahrzeugen erlaubt, stellt sich in dieser Form nicht, weil die Vorinstanzen vertretbar davon ausgegangen sind, dass der Beklagte von dem mit seinem Weiderecht verbundenen Nebenrecht jedenfalls unzulässig Gebrauch macht.

4.1 Entgegen der Meinung des Beklagten gilt für alle Servituten, insbesondere auch für Legalservituten (3 Ob 23/11w) sowie Einforstungsrechte (siehe Pkt 2.3.), der (in § 484 ABGB verankerte) Grundsatz der möglichst schonenden (einschränkenden) Ausübung (Memmer in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03§ 484 Rz 2; Hofmann in Rummel³ § 484 ABGB Rz 3). Bei mehreren Möglichkeiten der Zweckerreichung muss immer jene gewählt werden, die den Eigentümer am wenigsten belastet. Die Belastung ist so gering zu halten, wie es der Zweck der Dienstbarkeit gerade noch erlaubt. Dem Berechtigten soll der angestrebte Vorteil ermöglicht, das Eigentum des Belasteten dabei aber nur soweit als unbedingt nötig beschränkt werden; die Interessen des Eigentümers der dienenden Liegenschaft gehen dahin, möglichst wenig durch die eingeräumte Nutzungsmöglichkeit beeinträchtigt zu werden (Memmer aaO Rz 3 mwN).

4.2 Nach den Feststellungen ist für den Beklagten die Nutzung der drei neu errichteten Forststraßen samt Schleppwegen mit Kraftfahrzeugen zur zweckmäßigen Ausübung seines Weiderechts nicht erforderlich, steht ihm doch ein unentgeltliches Geh- und Fahrtrecht zur alpswirtschaftlichen Nutzung der Alm ohnehin aufgrund des Dienstbarkeitsvertrags vom auf der 2008 fertiggestellten Forststraße zu. Die Feststellung, dass der Beklagte der Ansicht ist, es sei durch die Errichtung der „neuen“ Wege zu einer Verkleinerung der Weideflächen gekommen, weswegen er befugt sei, die neu errichteten Straßen auch mit motorisierten Fahrzeugen zu befahren, bringt einen Bedarf des Beklagten an der (seinem Weiderecht dienenden) Nutzung dieser Straßen mit Kraftfahrzeugen gerade nicht zur Darstellung, zumal feststeht, dass der Beklagte das Weiderecht auch ohne Fahrzeuge ausüben kann. Die Feststellung, dass die neu errichteten Straßen die Ausübung des Weiderechts erleichtern, vermag einen solchen Bedarf ebenfalls (noch) nicht zu begründen. Schließlich wurde mit den Forststraßen von den Klägern ein „mit LKW- bzw schlepperbefahrbares Wegenetz“ zum Zwecke der „zeitgemäßen forstlichen Bewirtschaftung“ der Alm errichtet. Soweit sich der Beklagte auf diese Feststellung beruft, ist ihm zu erwidern, dass ihm laut Ergänzungsregulierungsplan vom Nutzungsrechte ausschließlich zu alpswirtschaftlichen, nicht aber zu forstwirtschaftlichen Zwecken zustehen (idS auch Dienstbarkeitsvertrag vom ).

4.3 Die vom Berufungsgericht übernommene Beurteilung des Erstgerichts, dass hier eine unzulässige Ausweitung des Einforstungsrechts des Beklagten vorliegt und das Befahren aller neuen Forststraßen mit Kraftfahrzeugen dem Gebot der möglichst schonenden Servitutsausübung widerspricht, ist daher im vorliegenden Einzelfall im Ergebnis nicht korrekturbedürftig.

5. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO, die die Revision zulässig machen würde, aufzuzeigen. Die Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf den § 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00138.18D.1126.000

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