OGH vom 30.08.2011, 10Obs181/10f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei, S*****, vertreten durch Dr. Christoph Stapf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner, Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ausgleichszulage, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 101/10m-35, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 35 Cgs 257/09d-12, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 371,52 EUR (darin enthalten 61,92 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie bezieht eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung, deren Höhe bis 653,58 EUR betrug und ab 669,32 EUR (jeweils brutto). Seit ist sie an einer Adresse im 11. Wiener Gemeindebezirk als Hauptwohnsitz gemeldet.
Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin vom auf Gewährung der Ausgleichszulage ab. Dagegen richtete sich die vorliegende Klage.
Die Klägerin bringt vor, sie sei wegen ihres Sohnes nach Österreich gekommen, der seit Jahren in Wien lebe und seit als katholischer Priester hier tätig sei. Infolge der geringen Höhe ihrer Rente sei sie gezwungen, alle gesetzlichen Möglichkeiten einer zusätzlichen Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Ihr Sohn sei wegen seines niedrigen Einkommens nicht in der Lage, sie finanziell zu unterstützen. Ihrem Anspruch auf Ausgleichszulage stehe die von ihrem Sohn für sie abgegebene Unterhaltserklärung nicht entgegen. Zur Abgabe dieser Erklärung sei ihr Sohn gezwungen worden, als ihr die Aufenthaltsbescheinigung erteilt worden sei. Tatsächlich sei ihr Sohn aber wirtschaftlich nicht in der Lage, für ihren Unterhalt aufzukommen.
Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, gemäß dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) dürfe ein Aufenthaltstitel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe. Die Auszahlung einer Ausgleichszulage an die Klägerin würde eine Gebietskörperschaft (Land bzw Bund) finanziell belasten. Gemäß § 51 Z 2 NAG sei die Berechtigung zur Niederlassung unter anderem nur zu erteilen, wenn während der Niederlassung keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch genommen werden müssten. Der Ausgleichszulage komme aber Sozialhilfecharakter zu. Da sich darüber hinaus der Sohn der Klägerin verpflichtet habe, für den Unterhalt seiner Mutter aufzukommen, bestehe ein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin. Dieser Anspruch sei gegenüber dem Anspruch auf Ausgleichszulage vorrangig; er lasse keinen Raum für die Gewährung der Ausgleichszulage. Es stelle eine rechtsmissbräuchliche Vorgangsweise dar, wenn die Klägerin den gegenüber ihrem Sohn gegebenen Unterhaltsanspruch nicht durchsetze.
Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei zur Leistung einer Ausgleichszulage im gesetzlichen Ausmaß ab bis in der Höhe von monatlich 118,82 EUR und ab in der Höhe von monatlich 103,08 EUR, wobei die bis zur Zustellung des Urteils fälligen Zahlungen binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils am Ersten eines jeden Monats zu zahlen sind.
Es legte seiner Entscheidung folgenden weiteren Sachverhalt zu Grunde:
„Im Zuge der Ausstellung einer Anmeldebescheinigung durch die Republik Österreich für EWR-Bürger/-innen gab der Sohn der Klägerin bei der zuständigen Magistratsabteilung der Stadt Wien nachstehende Erklärung ab:
'Unterhaltserklärung
Ich, D*****, geb am , erkläre, dass ich für den Lebensunterhalt meiner Mutter S*****, geb am , aufkomme.
D*****'“
Der Sohn der Klägerin bezieht derzeit von der Erzdiözese Wien ein Nettoeinkommen von monatlich 835,26 EUR; er wohnt in seiner Pfarre. Die Unterhaltserklärung stellte er ausschließlich für die Niederlassungsbehörde aus und gab sie nur für den Fall ab, dass die Klägerin in Not geraten sollte. Einen Unterhaltsvertrag wollte er mit der Klägerin nicht abschließen; er wollte sich ihr gegenüber nicht zu Unterhaltszahlungen verpflichten. Derzeit unterstützt er die Klägerin finanziell, indem er ihr monatlich 30 EUR für die Begleichung anfallender Stromkosten überlässt. Ferner übernahm er 1.800 EUR für die Kaution ihrer Wohnung sowie die Kosten des Umzugs nach Wien.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass der Rechtsanspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage zu bejahen sei, weil sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland habe. Ihr Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht als EWR-Bürgerin ergebe sich unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht; die Anmeldebescheinigung und Daueraufenthaltskarte hätten rein deklaratorische Wirkung und dienten ausschließlich der Dokumentation ihres Aufenthalts; es bedürfe keiner behördlichen Genehmigung, um das Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Klägerin in Geltung zu setzen. Die von ihrem Sohn in der Haftungserklärung übernommene Unterhaltsverpflichtung könne nur subsidiär für den Fall angenommen werden, dass die Klägerin nicht über ausreichende eigene Mittel zur Bestreitung ihres Unterhalts verfüge. Aus dieser Erklärung lasse sich aber kein Unterhaltsanspruch ableiten. Die monatlich vom Sohn geleisteten 30 EUR seien als freiwillige Zuschüsse zu anfallenden Stromkosten und als Zuwendungen zur Bestreitung der Lebensführung der Klägerin anzusehen. Sie stellten keine Einkünfte iSd § 292 Abs 3 ASVG dar. Auch die Kosten für den Umzug und die Kaution seien nicht zu berücksichtigen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts und ging rechtlich davon aus, Sinn und Zweck der gegenüber der Aufenthaltsbehörde abgegebenen subsidiären Unterhaltserklärung liege nur in der Sicherung jener Kosten, die den öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, es sei denn, diese Belastung ergebe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs; als solcher sei auch der Anspruch auf Ausgleichszulage anzusehen, der durch die Haftungserklärung nicht beseitigt werde. § 51 Z 2 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) verpöne lediglich die Inanspruchnahme von Sozialleistungen, zu denen die Ausgleichszulage als Leistung mit bloßem Sozialhilfecharakter nicht zu zählen sei. Bei der Bemessung der Ausgleichszulage seien allfällige Unterhaltsansprüche als sonstiges Einkommen nur zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden; dafür bestünden im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Bei den der Klägerin von ihrem Sohn zugewendeten 30 EUR monatlich handle es sich nicht um Bezüge mit Versorgungscharakter, sondern um geringfügige geschenkweise Zuwendungen, die kein anrechenbares Einkommen darstellten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei, mit dem Antrag die ordentliche Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragte in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision der beklagten Partei nicht Folge zu geben und die Urteile der Vorinstanzen zu bestätigen.
Die Revision ist zulässig, weil die einen vergleichbaren Sachverhalt betreffende Grundsatzentscheidung 10 ObS 172/10g vom im - gebührenfrei zugänglichen - RIS-Justiz bisher noch nicht veröffentlicht wurde (vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 502 Rz 30; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 502 Rz 18 mwN).
Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, es sei nicht nur auf die mitgliedsstaatliche Rentenleistung und den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland abzustellen, sondern darüber hinaus die geforderte soziale Gleichstellung des Unionsbürgers mit einem Inländer zu berücksichtigen. Mangels des Rechts auf Freizügigkeit als Arbeitnehmerin könne die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht nur auf einen „privaten“ Aufenthalt als Unionsbürgerin stützen. Dieses Aufenthaltsrecht gewähre das Gemeinschaftsrecht aber nicht bedingungslos, sondern knüpfe es an die Voraussetzung, dass der Unionsbürger während der ersten Zeit seines Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat nicht Sozialhilfeleistungen unangemessen in Anspruch nehmen solle, somit auch nicht die Ausgleichszulage, der Sozialhilfecharakter zukomme. Das Gemeinschaftsrecht räume den Mitgliedstaaten ein, in dieser Richtung Beschränkungen in ihre nationalen Bestimmungen aufzunehmen. Der österreichische Gesetzgeber habe das Recht auf Niederlassung von Unionsbürgern, die keine Arbeitnehmer iSd VO 1612/68/EG seien, davon abhängig gemacht, dass diese über ausreichende Existenzmittel und über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen (§ 51 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG). Der Grundsatz, dass Sozialhilfeleistungen nicht unangemessen beansprucht werden dürften, gelte aber selbst dann, wenn sich die Klägerin auf ein von der Arbeitnehmerfreizügigkeit ihres Sohnes abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Familienangehörige berufen sollte. Jedenfalls sei es bei Prüfung eines Antrags eines Unionsbürgers auf Gewährung von Leistungen, die aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht Sozialhilfecharakter aufwiesen, nötig, als Vorfrage den rechtlichen Status des Antragstellers in dem Mitgliedstaat zu erheben, in dem der Antrag gestellt wird. Dabei wären die entsprechenden Voraussetzungen zur Begründung des rechtmäßigen Aufenthalts im Inland, das Erfordernis der ausreichenden Existenzmittel sowie die Unterhaltserklärung zu berücksichtigen gewesen. Das Fehlen der dafür erforderlichen Feststellungen werde als rechtlicher Feststellungsmangel gerügt. Für den Fall, dass die Klägerin nicht sozial den Inländern gleichgestellt sein sollte, wäre zu beachten gewesen, dass ihr Aufenthaltsrecht mangels ausreichender eigener Existenzmittel erst durch Abgabe der Unterhaltserklärung begründet worden sei. Die Unterhaltserklärung als Bedingung für den rechtmäßigen Aufenthalt könne aber in weiterer Folge bei Prüfung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nicht wiederum „ausgeblendet“ und geradezu mit dem Argument für gegenstandslos erklärt werden, es bestehe ohnedies aufgrund des faktischen (gewöhnlichen) Aufenthalts ein Anspruch auf Ausgleichszulage. Dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, einen solchen Zirkelschluss beabsichtigt zu haben. Zu einem derartigen Zirkelschluss führe die kritisierte Rechtsauffassung aber zwangsläufig, da der Bezug der Ausgleichszulage einen (gewöhnlichen) Aufenthalt im Inland voraussetze. Diesen könne die Klägerin als Unionsbürgerin nur dadurch aufrecht erhalten, dass sie das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel für die Dauer ihres privaten Aufenthalts in Österreich nachweist. Dieses den Aufenthalt der Klägerin in Österreich erst ermöglichende Moment könne durch das Argument, es bestehe ohnedies die Möglichkeit der die Existenz sichernden Inanspruchnahme der Ausgleichszulage, nicht ersetzt werden. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass - ähnlich der „Rosinentheorie“ - man zwar die Vorteile des Gemeinschaftsrechts (Gleichstellung der Leistungen, Niederlassungsfreiheit) in Anspruch nehmen könnte, jedoch die bereits im Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Beschränkungen der Freizügigkeit dadurch unterläuft, dass man sie bei Beurteilung von Ansprüchen nach nationalem Recht unberücksichtigt ließe. Könnten Rentenbezieher mit einer sehr geringen Grundleistung unverzüglich einen Rechtsanspruch auf Ausgleichszulage erfolgreich geltend machen, würden die Regelungen über die Beschränkungen für einen „privaten“ Aufenthalt im Inland, Einschränkungen für Eltern als Familienangehörige wie auch die Daueraufenthaltsregelungen „ad absurdum“ geführt.
Rechtliche Beurteilung
Der Senat hat dazu erwogen:
Nach Art 45 Abs 1 AEUV ist innerhalb der Gemeinschaft die Freizügigkeit der Arbeitnehmer gewährleistet. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zählt mit der Niederlassungsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit der Warenverkehrsfreiheit und der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs zu den Grundfreiheiten der Gemeinschaft.
Weiters verleiht die Unionsbürgerschaft jedem, der Staatsbürger eines Mitgliedstaats ist, das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten (Art 21 Abs 1 AEUV).
Nach der Rechtsprechung des EuGH gehen die wirtschaftsbezogenen Freizügigkeitsrechte der Arbeitnehmer (Art 45 AEUV) sowie die dazu getroffenen Beschränkungen dem allgemeinen Freizügigkeitsrecht nach Art 21 Abs 1 AEUV als speziellere Regelungen vor (Kolonovits in Mayer [Hrsg], EUV/AEUV Art 21 AEUV Rz 9 mwN). Fällt daher ein Sachverhalt unter die Arbeitnehmerfreizügigkeit, ist eine Berufung auf die „allgemeinen“ Freizügigkeitsbestimmungen aufgrund der Unionsbürgerschaft nicht erforderlich (Schrammel/Winkler, Europäisches Arbeits- und Sozialrecht [2010] 30 mwN). Da sich die Klägerin nicht auf ein aus einer Eigenschaft als Arbeitnehmerin bzw aus einer Eigenschaft als Familienangehörige eines Arbeitnehmers resultierendes Freizügigkeitsrecht nach Art 45 Abs 1 AEUV berufen hat, könnte sie einen Anspruch auf Ausgleichszulage nach dem Gemeinschaftsrecht mit Erfolg nur auf das jedem Unionsbürger in Art 21 AEUV eingeräumte Grundrecht auf Bewegungsfreiheit und Aufenthalt stützen.
Der Anspruch auf Ausgleichszulage einer EU-Bürgerin, die das in Art 21 AEUV eingeräumte Grundrecht in Anspruch genommen und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich begründet hat, wobei dieser Aufenthalt bereits mehr als drei Monate, aber noch nicht länger als fünf Jahre angedauert hat, war mittlerweile bereits Gegenstand der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 10 ObS 172/10g vom . Die in dieser Entscheidung getroffenen Aussagen sind wegen des ähnlich gelagerten Sachverhalts auf den vorliegenden Fall übertragbar. Es kann daher auf die Begründung dieser Entscheidung verwiesen werden. Diese lautet - in ihrem das Unionsrecht betreffenden Teil - (auszugsweise) wie folgt:
… „Das allgemeine Freizügigkeitsrecht nach Art 21 AEUV steht allen Unionsbürgern unabhängig von einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu. Es knüpft allein an den Status der Unionsbürgerschaft (Art 20 Abs 1 AEUV) an und gewährt den Unionsbürgern ein unmittelbar anwendbares Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Dieses Freizügigkeitsrecht gilt aber nicht uneingeschränkt, sondern nur 'vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen'.
2.1 Zu den 'Durchführungsvorschriften' gehören die einschlägigen sekundärrechtlichen Bestimmungen. Dazu zählt in erster Linie die RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (Unionsbürger-RL). Die RL 2004/38/EG regelt die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets genießen. Hinsichtlich des Aufenthaltsrechts ist zu unterscheiden: das Aufenthaltsrecht bis zu drei Monaten (Art 6), das Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate (Art 7) und das Recht auf Daueraufenthalt, das grundsätzlich erworben wird, wenn sich der Unionsbürger rechtmäßig fünf Jahre lang ununterbrochen im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat (Art 16).
2.2 Das Aufenthaltsrecht für mehr als drei Monate bis fünf Jahre (Art 7) wird für Arbeitnehmer und Selbständige im Aufnahmemitgliedstaat ohne weitere Voraussetzung gewährt, während es für nicht erwerbstätige Unionsbürger an die Bedingungen einer ausreichenden Krankenversicherung und ausreichender Existenzmittel geknüpft ist, damit die Unionsbürger nicht die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen. Die RL 2004/38/EG hält diesbezüglich in ihrer 10. Begründungserwägung fest, dass Unionsbürger, die ihr Aufenthaltsrecht ausüben, während ihres ersten Aufenthalts die Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats nicht unangemessen in Anspruch nehmen sollen.
2.3 Nach Art 24 Abs 1 RL 2004/38/EG genießt jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts - vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im Sekundärrecht vorgesehener Bestimmungen - die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats. Für die Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ihrerseits Unionsbürger sind, ist dieses Recht nicht neu, sondern bekräftigt lediglich die Verpflichtung zur Gleichbehandlung, die im primären Gemeinschaftsrecht (Art 21 iVm Art 18 AEUV) niedergelegt ist. Ein Unionsbürger hat daher aufgrund des Art 21 iVm Art 18 AEUV in allen anderen Mitgliedstaaten (Aufnahmestaaten) einen Anspruch auf gleiche rechtliche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Staats, die sich in der gleichen Situation befinden, wenn der Sachverhalt in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt und keine Beschränkungen und Bedingungen im Vertrag oder in den Durchführungsvorschriften vorgesehen sind, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen (Kolonovits in Mayer [Hrsg], EUV/AEUV Art 21 AEUV Rz 14 mwN).
2.4 Der Anwendungsbereich des Art 21 AEUV ist umfassend konzipiert; er erstreckt sich unter anderem auf Sozialleistungen. Unionsbürger können daher alle staatlichen Sozialleistungen erlangen, die Staatsbürgern in einer vergleichbaren Situation zustehen. Sie dürfen bei einem Antrag auf Sozialleistung nicht anders behandelt werden als ein Inländer. Dies zeigen auch die bisher in der Judikatur des EuGH behandelten Sozialleistungen (vgl Hesse, Unionsbürgerschaft und Ansprüche auf Sozialleistungen, DRdA 2005, 564 ff [567] mwN; Kolonovits in Mayer [Hrsg], EUV/AEUV Art 21 AEUV Rz 20 ff mwN). So betraf beispielsweise die Entscheidung des , Grzelczyk, Slg 2001, I-06193, die vorübergehende Gewährung einer beitragsunabhängigen Sozialleistung wie eines Existenzminimums an Studenten (belgisches „Minimex“). Die Mitgliedstaaten dürfen zwar den Aufenthalt eines nicht wirtschaftlich aktiven Unionsbürgers von der Verfügbarkeit ausreichender Existenzmittel abhängig machen, daraus ergibt sich aber nicht, dass einer solchen Person während ihres rechtmäßigen Aufenthalts im Aufenthaltsmitgliedstaat nicht das grundlegende Prinzip der Gleichbehandlung zugutekommt (vgl , Trojani, Slg 2004, I-7573).
3. Ausgangsbasis der Sozialrechtskoordinierung ist trotz anderweitiger unionsrechtlicher Normen, die bei grenzüberschreitenden Sachverhalten aus sozialrechtlicher Perspektive zu berücksichtigen sind (wie beispielsweise die Rechte aus der Unionsbürgerschaft), die Koordinierungsverordnung VO 1408/71 bzw seit die VO 883/2004. Diese Verordnungen koordinieren die verschiedenen Systeme sozialer Sicherheit der einzelnen EU-Mitgliedstaaten. Die Verordnungen führen nur zu einer Koordinierung und nicht zu einer Harmonisierung der nationalen Sozialsysteme. Regelungszweck ist es, die Freizügigkeit der Unionsbürger zu unterstützen. Die Versicherten sollen bei ihren Wanderungsbewegungen im Bereich der EU keine Nachteile in Bezug auf sozialversicherungsrechtliche Anwartschaften oder Leistungsansprüche haben (M. Windisch-Graetz, Neuerungen im Europäischen koordinierten Sozialrecht, DRdA 2011, 219).
3.1 Die von der Klägerin beanspruchte Ausgleichszulage stellt nach der Rechtsprechung des EuGH eine beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Art 4 Abs 2a der VO 1408/71 dar, sodass sie in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt (vgl , Skalka). Sie ist dazu bestimmt, den Empfängern unzulänglicher Leistungen der sozialen Sicherheit dadurch eine Einkommensergänzung zu gewährleisten, dass jenen Personen, deren gesamte Einkünfte eine gesetzlich festgelegte Grenze nicht überschreiten, ein Existenzminimum garantiert wird. Die Ausgleichszulage weist daher sowohl Merkmale der sozialen Sicherheit als auch Merkmale der Sozialhilfe auf (Art 4 Abs 2a VO 1408/71). Durch die auch nach Ansicht des EuGH in der Rechtssache Skalka zu Recht erfolgte Aufnahme der Ausgleichszulage in den Anh IIa der VO 1408/71 ist klargestellt, dass die Ausgleichszulage grundsätzlich der VO 1408/71 unterliegt und daher nicht als Sozialhilfeleistung iSd Art 4 Abs 4 der VO 1408/71 qualifiziert werden kann (Resch, Rechtsfragen der Ausgleichszulage, DRdA 2000, 370 [374] ua).
3.2 Auch nach der mit in Kraft getretenen neuen Sozialkoordinierungsverordnung VO 883/2004 handelt es sich bei der Ausgleichszulage um eine beitragsunabhängige Geldleistung nach Art 70 Abs 2 dieser Verordnung, die im Anh X aufgeführt ist und in den sachlichen Geltungsbereich dieser Verordnung fällt (vgl Art 3 Abs 3 VO 883/2004). Die Ausgleichszulage wird aber weiterhin ausschließlich nur in dem Mitgliedstaat, in dem die betreffende Person wohnt, und nach dessen Vorschriften gewährt (Art 70 Abs 4 VO 883/2004) ...“
Nach den im vorliegenden Fall von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen bezieht die Klägerin eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung. Nach Art 10a Abs 3 VO 1408/71 ist diese fremdmitgliedstaatliche Pensionsleistung für den Anspruch auf Ausgleichszulage als beitragsunabhängige Sonderleistung einer österreichischen Pensionsleistung gleichzustellen. Auch im Geltungsbereich der neuen Sozialrechtskoordinierungs-VO 883/2004 sind gemäß Art 5 dieser Verordnung Leistungen, die im EU-Ausland bezogen werden, inländischen Leistungen im Bezug auf ihre Rechtswirkungen gleich zu halten. Die Klägerin, die als EU-Bürgerin eine ausländische Rente bezieht, hat demnach einen Anspruch auf Ausgleichszulage gegenüber dem österreichischen Pensionsversicherungsträger, sofern sie die übrigen Voraussetzungen erfüllt. Zu diesen Voraussetzungen gehört ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich und ein Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz (M. Windisch-Graetz, Neuerungen im Europäischen koordinierten Sozialrecht, DRdA 2011, 219 ff [223]). Maßgeblich ist die innerstaatliche Rechtslage. Auch diese wurde bereits in der Entscheidung 10 ObS 172/10g wie folgt dargestellt:
„... 1. Zum ASVG
1.1 Nach § 292 Abs 1 ASVG in der zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgebenden Fassung des BudgetbegleitG 2003, BGBl I 2003/71, hat der Pensionsberechtigte, solange er seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und sein Einkommen zuzüglich eines aus übrigen Einkünften des Pensionsberechtigten erwachsenden Nettoeinkommens und der gemäß § 294 zu berücksichtigenden Beträge nicht die Höhe des für ihn geltenden Richtsatzes (§ 293) erreicht, nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnitts Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Pension.
Nach der zu dieser Rechtslage ergangenen Rechtsprechung gebührt die Ausgleichszulage zwar unabhängig von der Staatsbürgerschaft, setzt aber einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland voraus, der sich ausschließlich nach den tatsächlichen Umständen bestimmt und weder von der Erlaubtheit noch von der Freiwilligkeit abhängt. Ob ein gewöhnlicher Aufenthalt vorliegt, bestimmt sich nach seiner Dauer, nach seiner Beständigkeit sowie anderen Umständen persönlicher oder beruflicher Art, die dauerhafte Beziehungen zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen (RIS-Justiz RS0085478; RS0106709 [T1]; RS0106710).
1.2 Durch das 4. SRÄG 2009, BGBl I 2009/147, wurde zwecks Vermeidung von Missbrauchsfällen dem § 292 ASVG ein Absatz 14 hinzugefügt. Danach ist ein Verfahren zur Entziehung der Ausgleichszulage einzuleiten, wenn begründete Zweifel am gewöhnlichen Aufenthalt im Inland bestehen. In diesem Verfahren ist der Beweis für den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland von der pensionsberechtigten Person zu erbringen.
Weiters wurde durch das 4. SRÄG 2009 § 459f ASVG eingefügt. Darin wird normiert, dass nunmehr die Fremdenpolizeibehörden und die Niederlassungs- und Aufenthaltsbehörden verpflichtet sind, den Trägern der Pensionsversicherung auf Anfrage alle maßgebenden Informationen, insbesondere zur Überprüfung des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland und dessen Rechtmäßigkeit zu übermitteln, soweit diese Informationen vorliegen und für die Entscheidung der Behörde relevant waren.
1.3 § 292 Abs 1 ASVG erfuhr durch Art 115 Z 54 des BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, eine Änderung dahin, dass der Ausdruck 'gewöhnlicher Aufenthalt' durch den Ausdruck 'rechtmäßiger, gewöhnlicher Aufenthalt' ersetzt wurde. Aus den Gesetzesmaterialien (ErlRV 981 BlgNR 24. GP 208) ergibt sich, dass durch das Abstellen auf den 'rechtmäßigen Aufenthalt' in § 292 Abs 1 ASVG ein Gleichklang der Ausgleichszulagenregelung mit dem europäischen und österreichischen Aufenthaltsrecht hergestellt werden soll. § 292 Abs 1 idF des Art 115 Z 4 BudgetbegleitG 2011 trat am in Kraft (§ 658 Abs 1 Z 1 ASVG).
2. Zum Aufenthaltsrecht:
2.1 Die RL 2004/38/EG wurde im Rahmen des Fremdenrechtspakets 2005 durch das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und AufenthaltsG, BGBl I 2005/100, im Folgenden: „NAG“) umgesetzt. Das 4. Hauptstück des zweiten Teils des NAG (§§ 51 bis 57) regelt das gemeinschaftsrechtliche Niederlassungsrecht für EWR-Bürger.
2.1.1 § 51 Abs 1 Z 2 NAG idF BGBl I 2005/100 bzw BGBl I 2009/122 sieht in Anlehnung an Art 7 RL 2004/38/EG vor, dass EWR-Bürger, die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt sind, wenn sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen.
2.1.2 Nach dem österreichischen Rechtsverständnis ist die Ausgleichszulage keine Leistung aus dem Titel der Sozialhilfe. So qualifiziert der Verfassungsgerichtshof die Ausgleichszulage - mag sie auch fürsorgeähnliche Züge aufweisen - als eine Leistung der gesetzlichen Pensionsversicherung und nicht als eine Erscheinungsform der Sozialhilfe ( ua, VfSlg 18.885). Auch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stellt die Ausgleichszulage keine 'Sozialhilfeleistung der Gebietskörperschaft' iSd § 11 Abs 5 NAG dar. Ihre Inanspruchnahme führt somit nicht zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs 2 Z 4 NAG (; , 2009/21/0351 ua).
2.1.3 Durch das BudgetbegleitG 2011, BGBl I 2010/111, wurde § 51 Abs 1 Z 2 NAG dahin geändert, dass EWR-Bürger aufgrund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt sind, wenn sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, sodass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen.
Im Zusammenhang damit wurde durch das BudgetbegleitG 2011 dem § 11 Abs 5 NAG auch ein weiterer Satz angefügt. Danach sind in Verfahren bei Erstanträgen soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.
§ 11 Abs 5 NAG und § 51 Abs 1 Z 2 NAG idF des BudgetbegleitG 2011 sind mit in Kraft getreten.
2.1.4 Aus den Gesetzesmaterialien (ErlRV 981 BlgNR 24. GP 12) zum BudgetbegleitG 2011 ergibt sich, dass das Vorliegen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts für EWR-Bürger für mehr als drei Monate nicht nur für den Fall des Bezugs der Sozialhilfe, sondern auch bei Bezug der Ausgleichszulage ausgeschlossen werden soll. Der Ausgleichszulagenbezug soll somit nach der Intention des Gesetzgebers nach dieser neuen Rechtslage 'aufenthaltsschädlich' sein.
2.2 § 2 Abs 1 Z 15 NAG enthält eine Legaldefinition der Haftungserklärung. Darunter ist die von einem österreichischen Notar oder einem inländischen Gericht beglaubigte Erklärung Dritter mit mindestens fünfjähriger Gültigkeitsdauer zu verstehen, dass sie für die Erfordernisse einer alle Risken abdeckenden Krankenversicherung, einer Unterkunft und entsprechender Unterhaltsmittel aufkommen und für den Ersatz jener Kosten haften, die einer Gebietskörperschaft bei der Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots, einer Ausweisung, einer Zurückschiebung oder der Vollziehung der Schubhaft, einschließlich der Aufwendungen für den Einsatz gelinderer Mittel, sowie aus dem Titel der Sozialhilfe oder eines Bundes- oder Landesgesetzes, das die Grundversorgungsvereinbarung nach Art 15a B-VG umsetzt, entstehen, und die Leistungsfähigkeit des Dritten zum Tragen der Kosten nachgewiesen wird.
2.2.1 § 2 Abs 1 Z 18 NAG enthält eine Legaldefinition der Patenschaftserklärung, die sich inhaltlich an der Haftungserklärung orientiert, aber insofern weiter als die Haftungserklärung geht, als auch ganz allgemein der Ersatz jener Kosten, die einer Gebietskörperschaft durch den Aufenthalt des Fremden in Österreich entstehen, umfasst ist.
2.2.2 Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, die noch zu Verpflichtungserklärungen nach dem seit Inkrafttreten des NAG mit nicht mehr in Geltung stehenden § 10 Abs 3 Z 2 Fremdenrechtsgesetz 1997 ergangen ist, ist diese einzig und allein aus dem Fremdenrecht abgeleitete Erklärung nicht geeignet, den Anspruch auf Ausgleichszulage zu schmälern (10 ObS 176/94, SSV-NF 8/113; 10 ObS 8/95). Ihr Zweck ist in der Sicherung jener Kosten zu sehen, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt entstehen können, ausgenommen sind aber Belastungen, die sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruchs ergeben. Es ist nicht Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung, eine Gebietskörperschaft oder einen Sozialversicherungsträger von gesetzlich gebührenden Ansprüchen zu entlasten (RIS-Justiz RS0058853) ...“
Wendet man diese (innerstaatliche) Rechtslage auf den vorliegenden Fall an, ergibt sich:
1. Die Klägerin, die eine Altersrente aus der deutschen Rentenversicherung bezieht, welche dem sachlichen Geltungsbereich der VO 1408/71 bzw Art 5 VO 883/2004 unterliegt, hat - wie oben bereits dargelegt - Anspruch auf Ausgleichszulage gegenüber dem österreichischen Pensionsversicherungsträger, sofern sie auch die übrigen Voraussetzungen für den Bezug der Ausgleichszulage erfüllt. Zu diesen Voraussetzungen gehört neben einem hier nicht strittigen Einkommen der Klägerin unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz ein gewöhnlicher Aufenthalt in Österreich. Unbeschadet der weiteren Anspruchsvoraussetzungen ist für den Anspruch auf Ausgleichszulage nach der im Zeitraum von der Antragstellung bis bestehenden Rechtslage allein der „gewöhnliche“ Aufenthalt der Klägerin im Inland maßgeblich. Dass die Klägerin ab Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland begründet hat, wird von der Revisionswerberin nicht bezweifelt.
Nach ständiger Rechtsprechung hat aber das Gericht in jeder Lage des Verfahrens auf eine Änderung der Rechtslage Bedacht zu nehmen, sofern die neuen Bestimmungen nach ihrem Inhalt auf das in Streit stehende Rechtsverhältnis anzuwenden sind. Es ist daher grundsätzlich nach den Übergangsbestimmungen zu beurteilen, ob eine Gesetzesänderung für ein laufendes Verfahren zu beachten ist (RIS-Justiz RS0031419). Änderungen des zwingenden Rechts sind, sofern nicht Übergangsrecht etwas anderes bestimmt, vom Rechtsmittelgericht ohne weiteres von Amts wegen seiner Entscheidung zugrundezulegen, auch wenn der zu beurteilende Sachverhalt bereits vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht wird (RIS-Justiz RS0106868). Da der Anspruch auf Ausgleichszulage mit dem Ende des Monats wegfallen würde, in dem die Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind (§ 296 Abs 2 Satz 4 ASVG;Ziegelbauer in Sonntag, ASVG2 § 296 Rz 4), ist auf die durch das BudgetbegleitG 2011 mit eingetretene Rechtsänderung auch im Revisionsverfahren noch Bedacht zu nehmen.
Für den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage ab dem wird demnach weiters zu beurteilen sein, ob deren „gewöhnlicher“ Aufenthalt auch „rechtmäßig“ iSd § 292 Abs 1 ASVG idF des BudgetbegleitG 2011 ist.
Da sich das mit der Freizügigkeit verbundene Aufenthaltsrecht direkt aus dem Gemeinschaftsrecht ergibt, wird es nicht durch Verleihung - etwa durch Erteilung eines Aufenthaltstitels - begründet, sondern von der Verwaltungsbehörde bloß „dokumentiert“ (vgl , Roux, Rn 12 mwN). Für den EWR-Bereich (EU-Mitgliedstaaten, Island, Liechtenstein und Norwegen) sowie für Schweizer Staatsbürger geschieht dies durch Ausstellung einer rein deklaratorisch wirkenden Anmeldebescheinigung (Kutscher/Völker/Witt, Niederlassungs- und Aufenthaltsrecht2 62 f). Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurde der Klägerin eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen erteilt. Diese dokumentiert somit, dass der Aufenthalt der Klägerin, die sich länger als drei Monate, aber offensichtlich noch nicht fünf Jahre in Österreich aufhält, rechtmäßig iSd § 292 ASVG idF des BudgetbegleitG 2011 ist.
Nach § 51 Abs 1 Z 2 NAG idF vor der Änderung durch das BudgetbegleitG 2011 sind EU-Bürger, die in Österreich nicht wirtschaftlich tätig sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen. Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin vor. Es wurde bereits dargelegt, dass es sich nach dem österreichischen Rechtsverständnis bei der Ausgleichszulage um keine Leistung aus dem Titel der Sozialhilfe handelt.
Soweit die beklagte Partei schließlich noch auf die vom Sohn der Klägerin gegenüber der Aufenthaltsbehörde abgegebene Haftungserklärung verweist, ist darauf hinzuweisen, dass nach der dargestellten Rechtsprechung diese einzig und allein gegenüber der Aufenthaltsbehörde abgegebene Erklärung nicht geeignet ist, den Anspruch der Klägerin auf Ausgleichszulage zu schmälern. Es ist nicht Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung, eine Gebietskörperschaft oder einen Sozialversicherungsträger von gesetzlich gebührenden Ansprüchen zu entlasten (RIS-Justiz RS0058853). An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Es hat auch der Verwaltungsgerichtshof zum Fremdenrechtsgesetz 1997 wiederholt ausgesprochen, dass ein allfälliger Anspruch des Fremden auf Ausgleichszulage bei der Prüfung der Frage, ob sein Unterhalt gesichert ist, zu berücksichtigen ist und der Fremde einen Rechtsanspruch auf diese Leistung hat, wenn er sich im Inland aufhält (VwGH 2008/22/0564; 98/19/0294; 95/19/0456).
Die beklagte Partei argumentiert weiters - offensichtlich schon im Hinblick auf die durch das BudgetbegleitG 2011 geänderte Bestimmung des § 51 Abs 1 Z 2 NAG, wonach nunmehr nach der Intention des Gesetzgebers nicht nur der Sozialhilfebezug, sondern auch der Ausgleichszulagenbezug „aufenthaltsschädlich“ sein soll - damit, dass auch ein Anspruch auf Ausgleichszulage nicht geeignet sei, ausreichende Existenzmittel zu begründen und daher bei Prüfung des Vorhandenseins ausreichender Existenzmittel außer Acht zu lassen sei. Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Neuregelung im vorliegenden Fall noch nicht zur Anwendung gelangt. Nach den Intentionen des Gesetzgebers soll der Bezug von Ausgleichszulage erst bei nach dem gestellten Erstanträgen „aufenthaltsschädlich“ sein (vgl auch § 11 Abs 5 letzter Satz NAG idF BudgetbegleitG 2011). Die Klägerin hat ihren (Erst-)Antrag auf Ausstellung der Aufenthaltsberechtigung jedoch weit vor diesem Datum gestellt. Es ist daher im vorliegenden Fall vom erkennenden Senat auch nicht zu prüfen, ob die Bestimmung des § 51 Abs 1 Z 2 NAG idF BudgetbegleitG 2011 mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang steht (vgl dazu M. Windisch-Graetz, Neuerungen im Europäischen koordinierten Sozialrecht, DRdA 2011, 219 ff [223 ff]).
Da somit der gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin im Inland im Zeitraum ab Antragstellung bis unbestritten geblieben ist und sie sich auch danach „rechtmäßig“ iSd § 292 Abs 1 ASVG idF des BudgetbegleitG 2011 im Inland aufgehalten hat bzw aufhält, steht ihr im Hinblick auf ihr unbestritten unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegendes Einkommen ein Anspruch auf Ausgleichszulage zu. Dieser Anspruch wird nicht dadurch beseitigt oder geschmälert, dass sich ihr Sohn gegenüber der Aufenthaltsbehörde zur (subsidiären) Unterhaltsgewährung verpflichtet hat. Auch der Umstand, dass sich die Klägerin als nicht wirtschaftlich tätige Unionsbürgerin noch nicht fünf Jahre in Österreich aufhält und deshalb nicht unangemessene Sozialleistungen in Anspruch nehmen soll, steht dem nicht entgegen, weil die Ausgleichszulage nach dem innerstaatlichen Recht nicht als Sozialhilfeleistung anzusehen ist. Die durch das BudgetbegleitG 2011 geänderte Bestimmung des § 51 Abs 1 Z 2 NAG, wonach nunmehr nicht nur der Sozialhilfebezug, sondern auch der Ausgleichszulagenbezug „aufenthaltsschädlich“ sein soll, kommt im vorliegenden Fall noch nicht zur Anwendung.
Während die beklagte Partei in ihrer Berufung noch die Höhe der der Klägerin zugesprochenen Ausgleichszulage bekämpfte und vorbrachte, bei den der Klägerin von ihrem Sohn gewährten 30 EUR monatlich handle es sich keineswegs um geringfügige geschenkweise Zuwendungen, sondern um einen regelmäßigen Mittelzufluss, der gemäß § 293 Abs 3 ASVG bei der Berechnung der Ausgleichszulage als Einkommen zu berücksichtigen sei, kommt sie in der Revision auf die Höhe der Ausgleichszulage nicht mehr zurück. Es ist daher davon auszugehen, dass die Revisionswerberin diesen Einwand nicht mehr aufrecht erhält, sodass er aus der ansonsten umfassenden Beurteilungspflicht des Obersten Gerichtshofs ausgeschieden ist (RIS-Justiz RS0041570 [T6]; Zechner in Fasching, ZPO2 , § 503 Rz 190).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 ASGG.