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OGH vom 24.03.2015, 8ObA22/15s

OGH vom 24.03.2015, 8ObA22/15s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Dr. Gerda Höhrhan Weiguni als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Hohenauer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei R***** H*****, vertreten durch Plankel, Mayrhofer Partner, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 15.946,75 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Ra 53/14p 22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Schlüssigkeit von Prozessbehauptungen kann immer nur anhand des konkreten Klagsvorbringens im Einzelfall geprüft werden. Ihre Beurteilung begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0037780; RS0116144).

Im Fall einer außerordentlichen Revision kann der Oberste Gerichtshof nur bei Vorliegen einer auffallenden Fehlbeurteilung eine inhaltliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung vornehmen. Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben.

2.1 Der Oberste Gerichtshof hat die Anforderungen an die Behauptungs und Beweislast sowohl nach § 9 Abs 2 HVertrG als auch nach § 9 Abs 3 HVertrG bzw nach § 26b Abs 2 HVertrG für Versicherungsverträge - zwischenzeitlich in mehreren Entscheidungen geklärt (vor allem 8 ObA 20/14w; auch 8 ObA 79/14x; 8 ObA 19/15z).

Im Anlassfall geht es um die Unterscheidung von echten Provisionsvorschüssen einerseits und bereits entstandenen bzw verdienten Provisionsansprüchen andererseits auf der Grundlage der (relativ zwingenden) Bestimmung des § 9 Abs 2 HVertrG bzw des § 26b Abs 2 HVertrG bei Versicherungsverträgen. Dazu ergibt sich aus der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass der Provisionsanspruch nach § 9 Abs 2 HVertrG einseitig zwingend spätestens mit Ausführung des abgeschlossenen Geschäfts, also mit Erbringung der vertragsgemäßen Leistung durch den Dritten (Kunden) entsteht. Bei (periodisch) wiederkehrenden Kundenleistungen entsteht der Provisionsanspruch ab der erstmaligen (Prämien )Zahlung zumindest zeitlich anteilsmäßig im Verhältnis zum liquidierten Prämienzeitraum.

Will die Klägerin darlegen, dass sie nur Provisionsvorschüsse zurückfordert, so müsste sie konkret für jeden vom Beklagten vermittelten (Versicherungs-)Vertrag, zu dem sie eine Provisionsrückbuchung vorgenommen hat, also für jeden Rückforderungsfall, im Einzelnen aufschlüsseln, welcher Betrag der dafür dem Beklagten zunächst gutgeschriebenen Provision auf (monatliche, vierteljährliche, halbjährliche oder jährliche) Zeitperioden entfallen ist, für die der jeweilige Versicherungsnehmer noch keine Prämienzahlungen geleistet hat (8 ObA 79/14x).

2.2 Die dargestellten Grundsätze betreffen die Gesetzeslage , die zu Gunsten des Handelsvertreters (Vermittlers) einseitig zwingend ist. Daneben besteht die Vertragslage , die insoweit mit Nichtigkeitssanktion bedroht ist, als sie zu Lasten des Vermittlers von den zwingenden Bestimmungen abweicht. Für den Vermittler günstigere vertragliche Regelungen bleiben demnach aufrecht. Daraus folgt, dass der Provisionsanspruch des Vermittlers unabhängig von der zeitlich korrespondierenden Prämienzahlung des Kunden entsteht, wenn die Klägerin ihrerseits von der Produktgesellschaft bereits die gesamte (Jahres )Prämie ausbezahlt erhält. Für das Entstehen des Provisionsanspruchs kommt es damit auf die Zahlung der Provision an die Klägerin durch die Produktgesellschaft dann nicht an, wenn und soweit die Prämienzahlung des Kunden an die Produktgesellschaft zeitlich früher erfolgt (8 ObA 19/15z).

Die Ansicht der Klägerin, dass bei wiederkehrenden Kundenleistungen in Bezug auf vom Kunden prämienmäßig noch nicht liquidierte Zeitperioden Vorschussfälle vorliegen würden, und zwar auch dann , wenn die Produktgesellschaft die Provision aus solchen Geschäftsfällen gemäß der Vereinbarung bereits zur Gänze an den Hauptvertreter (hier die Klägerin) geleistet habe, ist daher dann nicht richtig, wenn wie hier eine vertragliche Regelung besteht und der Provisionsanspruch des Vermittlers nach dieser vertraglichen Regelung zu einem für ihn günstigeren (früheren) Zeitpunkt entsteht.

2.3 Den Ausführungen der Klägerin in der außerordentlichen Revision kann entnommen werden, dass auch im Anlassfall die Produktgesellschaft die Provisionen den Vereinbarungen entsprechend schon vorweg zur Gänze an die Klägerin geleistet hat. In diesem Fall würden ungeachtet der prämienzeitraumbezogenen Leistungen der Kunden nach der günstigeren Vertragslage bereits verdiente Provisionen vorliegen, weshalb das Vorbringen der Klägerin den Anforderungen des § 9 Abs 3 HVertrG bzw des § 26b Abs 2 HVertrG entsprechen müsste (siehe dazu 8 ObA 19/15z).

Nach dem Vorbringen der Klägerin nimmt sie auf die Bestimmung des § 9 Abs 3 HVertrG nicht Bedacht, weil sie ausschließlich nur echte Provisionsvorschüsse zurückfordern will.

3. Selbst wenn es für die Abgrenzung von echten Provisionsvorschüssen und verdienten Provisionen (mangels günstigerer Vertragslage) nur darauf ankommen würde, ob die Provisionsanteile bereits durch zeitlich korrespondiere Leistungen des vermittelten Kunden „verdient“ wurden, kann von einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts nicht ausgegangen werden.

Das Berufungsgericht legt im gegebenen Zusammenhang unter Hinweis auf das konkrete Vorbringen der Klägerin dar, dass diese nur pauschal behaupte, dass mit dem Klagebegehren ausschließlich Provisionsvorschüsse und keine Anteile an verdienten Provisionen zurückgefordert werden, weiters sie nicht danach unterscheide, ob die Provisionsausfälle vom jeweiligen Versicherungskunden prämienmäßig liquidierte oder nicht liquidierte Zeitperioden betreffen, und sie auch nicht dargestellt habe, dass die Prämienzahlungen der Kunden, die sich auf die ausgewiesenen Rückbuchungsquoten zu den einzelnen Geschäftsfällen beziehen, tatsächlich mit jenen Zeiträumen identisch sind, für die der jeweilige Versicherungsnehmer noch keine Prämienzahlungen geleistet hat. Davon ausgehend sei das Klagebegehren unschlüssig geblieben.

Mit diesen Überlegungen weicht das Berufungsgericht nicht von den Vorgaben aus den zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs ab.

Warum es nach den Behauptungen in der außerordentlichen Revision keine auf bereits liquidierte Zeitperioden entfallenden Provisionsausfälle geben kann, erklärt die Klägerin nicht näher. Es ist auch nicht ersichtlich, ob sie „Provisionsausfälle“ für den Agenten oder für sie im Verhältnis zur Produktgesellschaft meint. Allein aus Vertragsbeginn, Vertragsende, Laufzeit und Stornodatum kann ohne nähere Erklärung nicht zwingend abgeleitet werden, dass der betroffene Vertrag „nie bedient wurde“. Die Beschreibung der Klägerin, dass „die Rückbuchungsquote des Beklagten im Verhältnis des erhaltenen Provisionsvorschusses zum (anteilig) rückgebuchten Vorschuss der tatsächlich nicht erbrachten Leistung (Prämie) des Kunden entspricht“, macht nicht allgemein verständlich, welcher konkrete Betrag in Bezug auf einen konkreten Geschäftsfall konkrete prämienmäßig noch nicht liquidierte Zeitperioden betrifft.

4. Insgesamt zeigt die Klägerin mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00022.15S.0324.000