OGH vom 14.01.2020, 11Os154/19k

OGH vom 14.01.2020, 11Os154/19k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin in der Strafsache gegen R***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom , GZ 37 Hv 73/19h-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung werden zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde R***** des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Binnen drei Tagen nach der Urteilsverkündung meldete der durch eine Wahlverteidigerin (ON 4) vertretene Angeklagte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an (ON 15).

Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung an die Wahlverteidigerin mit Wirksamkeit (§ 89d Abs 2 GOG) vom gab diese mit Schriftsatz vom die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt (ON 17).

Dem daraufhin bestellten Verfahrenshilfeverteidiger (ON 1 S 11; ON 19) wurde das Urteil mit Wirksamkeit (§ 89d Abs 2 GOG) vom zugestellt. Binnen vier Wochen nach diesem Zeitpunkt – nämlich am – brachte er eine Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ein (ON 20).

Rechtliche Beurteilung

Diese Rechtsmittelausführung ist verspätet:

Nach der Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde sowie der Berufung hat der Beschwerdeführer das Recht, binnen vier Wochen (hier) nach Zustellung einer Urteilsabschrift eine Ausführung seiner Beschwerdegründe beim Gericht zu überreichen (§§ 285 Abs 1, 294 Abs 2 zweiter Satz StPO).

Der Lauf dieser Frist wird durch die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zur Wahlverteidigerin und (neuerliche) Urteilszustellung an den nachfolgend bestellten Verfahrenshilfeverteidiger nicht beeinflusst (§ 63 Abs 2 StPO; RISJustiz RS0125686 [insbesondere T 1 und T 2], RS0116182 [insbesondere T 8, T 11], jüngst 13 Os 15/19h; Fabrizy, StPO13§ 63 Rz 2; Murschetz, WK-StPO § 84 Rz 4; Soyer/Schumann, WKStPO § 63 Rz 9). Sie begann vorliegend mit der Zustellung der Urteilsausfertigung an die Wahlverteidigerin am zu laufen und endete demzufolge (vgl § 84 Abs 1 StPO) mit Ablauf des .

Da der Angeklagte demnach weder bei der Anmeldung noch innerhalb der vierwöchigen Ausführungsfrist Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet hat, war seine Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO).

Gleiches gilt für die Berufung, weil der Angeklagte weder bei deren Anmeldung noch in einer rechtzeitig überreichten Berufungsschrift erklärt hat, ob er den Sanktionsausspruch (§ 260 Abs 1 Z 3 StPO) oder jenen über die privatrechtlichen Ansprüche bekämpft (§ 296 Abs 2 iVm § 294 Abs 4 StPO; RISJustiz RS0100042; Ratz, WKStPO § 294 Rz 10 und § 296 Rz 5).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Hinzugefügt sei, dass die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses – wie dargelegt – eine bereits laufende Ausführungsfrist nicht beeinflusst (§ 63 Abs 2 erster Satz StPO). Vielmehr hat der Verteidiger in diesem Fall weiterhin die Interessen des Angeklagten zu wahren und innerhalb der Frist erforderliche Prozesshandlungen nötigenfalls vorzunehmen, es sei denn, der Angeklagte hätte ihm dies ausdrücklich untersagt (§ 63 Abs 2 zweiter Satz StPO;Soyer/Schumann, WKStPO § 63 Rz 29 und 35; vgl auch § 11 Abs 2 RAO).

Dass Letzteres der Fall gewesen wäre, ist hier – nach Lage der Akten – ebenso wenig ersichtlich wie sonstige Umstände, die die Wahlverteidigerin von ihren diesbezüglichen Pflichten entbunden hätten. Hiervon ausgehend wäre es Sache der Wahlverteidigerin gewesen, die angemeldeten Rechtsmittel zur Ausführung zu bringen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00154.19K.0114.000

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