OGH vom 21.03.2017, 11Os154/16f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Christian E***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 41 Hv 111/15b-38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten unter § 148 zweiter Fall StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.
Mit dem gegen den Strafausspruch gerichteten Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde und mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christian E***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern und „gewerbsmäßig auch in Bezug auf Betrügereien mit einem 5.000 Euro übersteigenden Schaden“ folgende Personen durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die wahrheitswidrige Vorspiegelung seiner (Rück-)Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, zu Handlungen verleitet, die sie oder andere in einem 5.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, und zwar
(1) am in S***** Elisabeth D***** zur Ausfolgung von Getränken im Wert von 1.752,14 Euro;
(2) im Sommer 2011 in S***** Erwin F***** zum Abschluss eines Mietvertrags über einen Minibagger für die Dauer von zwei Wochen zu einem Mietzins von 604,14 Euro;
(3) im Jahr 2012 in A***** Wolfgang J***** zur Gewährung zweier Darlehen in Höhe von 3.000 Euro und 1.000 Euro;
(4) in M***** Helmut S***** zur Gewährung zweier Darlehen, und zwar
(a) am eines solchen in Höhe von 5.500 Euro;
(b) am eines solchen in Höhe von 6.700 Euro;
(5) 2012 oder 2013 in S***** Petra P***** zur Gewährung eines Darlehens in Höhe von 5.000 Euro;
(6) von 2012 bis in T***** Christian L***** (US 5) in mehreren Angriffen zur Gewährung von Darlehen in Höhe von insgesamt 57.500 Euro.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Zu Schuldspruch 6 gingen die Tatrichter davon aus, dass der Angeklagte Christian L***** durch Täuschung (nicht über das Ziel der intendierten Mittelverwendung, sondern) darüber zur Darlehensgewährung veranlasste, zur Rückzahlung bereit und in der Lage zu sein (US 5). Die Antwort auf die Frage, ob der Beschwerdeführer die Gelder tatsächlich im Sinn seiner Behauptungen zur Berichtigung eigener (anderweitiger) Verbindlichkeiten im Rahmen der Finanzierung bestimmter Projekte verwendete, betrifft somit weder eine entscheidende Tatsache noch erblickten die Tatrichter darin erkennbar eine notwendige Bedingung für die Feststellung einer solchen (vgl US 7, 8). Nach Ansicht der Mängelrüge dafür sprechende – zudem prozessordnungswidrig nicht konkret bezeichnete (vgl RIS-Justiz RS0124172 [T7]) – „einzelne Dokumente“ (aus zwei rund dreißig Schriftstücke umfassenden, in die Hauptverhandlung eingeführten [ON 32 S 29 verso] Konvoluten [ON 18a und Beilage ./B zu ON 32]) bedurften somit entgegen dem Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) keiner Erörterung in den Urteilsgründen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 410).
Mit der Aussage des Zeugen René Sc***** haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt, ihr aber nur eingeschränkt Glaubwürdigkeit zugebilligt, weil sie
– „auch punktuell durch den Akteninhalt bestätigt“ – ersichtlich darauf abgezielt habe, den Prozessstandpunkt des Angeklagten zu stärken und die Verantwortung (betreffend das Scheitern eines der von diesem verfolgten Projekte) einem Dritten zuzuschieben (US 8). Schon deshalb bedurfte es bei der Begründung der Feststellungen zum Schädigungsvorsatz des Angeklagten keines detaillierten Eingehens auf eine – in der Hauptverhandlung dargetane (ON 32 S 1 verso iVm S 29 verso) – schriftliche „Vereinbarung“ vom , inhaltlich derer sich Sc***** für ein von L***** dem Angeklagten zugezähltes Darlehen von (mit Blick auf die Gesamtheit der Schuldsprüche: bloß) 7.500 Euro „verbürge“ (Beilage ./B zu ON 32).
Allein der Umstand, dass die Tatrichter einem Teil der Angaben des Zeugen L***** Glauben schenkten, einem anderen aber nicht (US 7), stellt weder einen Widerspruch in der Bedeutung der Z 5 dritter Fall noch sonst einen Begründungsmangel dar (RIS-Justiz RS0098372 [insbesondere T 11]).
Mit Kritik an auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlussfolgerungen aus – im Ersturteil weder unrichtig noch irreführend unvollständig referierten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467) – Angaben des genannten Zeugen (hier zu den Täuschungshandlungen des Angeklagten – US 6 f) wird Aktenwidrigkeit im Sinn der Z 5 letzter Fall
– der Sache nach – nicht einmal behauptet (vgl RIS-Justiz RS0099524).
Die (ebenfalls nur) gegen den Schuldspruch 6 gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet teils das Fehlen von – vom Erstgericht gar wohl getroffenen – Feststellungen (etwa zur vom Vorsatz des Angeklagten umfassten Kausalität der Täuschungshandlungen für die Darlehenszuzählungen – US 5), teils will sie missliebige Konstatierungen (wie jene zum Schädigungswillen des Angeklagten – US 5) beweiswürdigend durch ihrem Standpunkt günstigere (Negativ-)Feststellungen ersetzt wissen. Indem sie solcherart vom Urteilssachverhalt abweicht, bringt sie den geltend gemachten (materiellen) Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 593).
Soweit sich die Beschwerde – der Anfechtungserklärung und dem Rechtsmittelbegehren zufolge – auch gegen die Schuldsprüche 1 bis 5 wendet, diese jedoch inhaltlich unbekämpft lässt, war mangels deutlicher und bestimmter Bezeichnung eines Nichtigkeitsgrundes (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) auf sie keine Rücksicht zu nehmen.
Im angeführten Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Allerdings ist der Schuldspruch in der Subsumtion des Täterverhaltens unter § 148 zweiter Fall StGB mit einem – vom Angeklagten nicht geltend gemachten, diesem jedoch zum Nachteil gereichenden – Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 10) behaftet, der zu amtswegiger Wahrnehmung Anlass gibt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Neben der in § 70 Abs 1 StGB umschriebenen Absicht setzt die rechtliche Annahme gewerbsmäßiger Begehung (hier: § 148 zweiter Fall StGB) nach Z 3 erster Fall leg cit (eine andere der in Z 1 bis 3 des § 70 Abs 1 StGB normierten Alternativen ist nach dem Urteilssachverhalt nicht indiziert) voraus, dass der Täter schon zwei „solche Taten“ (hier also [RIS-Justiz RS0130965]: jeweils nach § 147 Abs 1 bis 2 StGB qualifizierten Betrug) begangen hat. Nach § 70 Abs 2 StGB bleibt jedoch eine frühere Tat außer Betracht, wenn seit ihrer Begehung bis zur folgenden Tat (abzüglich Zeiten behördlicher Anhaltung) mehr als ein Jahr vergangen ist. Einschließlich der – nach Maßgabe des § 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB – gewerbsmäßig begangenen müssen daher insgesamt drei solche Taten jeweils im zeitlichen Abstand von höchstens einem Jahr zu einer weiteren dieser drei Taten verübt worden sein (missverständlich insoweit RIS-Justiz RS0130850).
Vorliegend kommen für die rechtliche Unterstellung nach § 148 zweiter Fall StGB als „solche Taten“ (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) – Qualifikationen nach § 147 Abs 1 oder 1a StGB stehen nach dem Inhalt des Ersturteils nicht in Rede – nur Betrügereien mit einem 5.000 Euro übersteigenden Schaden (§ 147 Abs 2 StGB) in Betracht. Angesichts des diese Wertgrenze bloß erreichenden, aber nicht übersteigenden Schadensbetrags im Schuldspruchpunkt 5 handelt es sich bei der davon erfassten Tat – entgegen der Ansicht des Erstgerichts (vgl US 5) – um keine „solche“. Zwei binnen Jahresfrist (nämlich am 6. und am ) begangene „solche“ Taten umfassen jedenfalls die Schuldspruchpunkte 4 a und 4 b. Ob eine der
– mehreren (US 5: „zumindest fünf Angriffe“) – vom Schuldspruchpunkt 6 erfassten Taten vor dem Ablauf des (§ 68 StGB) verübt wurde und für sich allein einen 5.000 Euro übersteigenden Schaden bewirkte, ist den insoweit unklar bleibenden Feststellungen (US 5: „im Zeitraum vom Jahr 2012 bis zum “; „Gesamtbetrag von zumindest 57.500 Euro“) aber nicht zu entnehmen. Ebenso wenig, ob (schon allein) drei der vom Schuldspruchpunkt 6 erfassten Taten die oben genannten Voraussetzungen erfüllen. Damit bleibt offen, ob der Angeklagte insgesamt drei „solche“ Taten in dem von § 70 Abs 2 StGB geforderten zeitlichen Zusammenhang begangen hat (zur ausnahmsweisen Subsumtionsrelevanz der Tatzeit vgl RIS-Justiz RS0098557 [T11, T 14, T 15, T 16]).
Dies führte – abermals im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz StPO).
Mit dem gegen den Sanktionsausspruch gerichteten Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde (Z 11) sowie mit seiner Berufung war der Angeklagte darauf zu verweisen.
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00154.16F.0321.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
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