TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 01.03.2011, 10ObS18/11m

OGH vom 01.03.2011, 10ObS18/11m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Irene Kienzl (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft M*****, vertreten durch Dr. Lisbeth Lass und Dr. Hans Christian Lass, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert Stifter Straße 65, vertreten durch Dr. Josef Milchram ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuschusses zur Entgeltfortzahlung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 141/07g 20, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 46 Cgs 171/06b 15, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Das Rekursverfahren wird wieder aufgenommen.

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen Zuschuss zur Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung der Dienstnehmerin A***** M***** in der Zeit vom bis und vom bis in Höhe von 126,34 EUR zu zahlen und die mit 538,94 EUR (davon 89,82 EUR USt) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 379,20 EUR (davon 63,20 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am schloss die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft mit A***** M***** einen Dienstvertrag ab, demzufolge diese im Wohnungseigentumsobjekt M***** in ***** als Arbeiterin zur Besorgung von Reinigungsarbeiten auf Basis einer 25 Stunden Woche tätig sein sollte. Damals war die Immobilien R***** GmbH als Hausverwalterin der klagenden Partei bestellt.

A***** M***** war vom bis beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger als Arbeiterin gemeldet. Die Abrechnung wurde über das dort geführte Dienstgeberkonto der klagenden Partei mit der Nr L112/1837 geführt. Während dieses Zeitraums übernahm die Immobilien und Hausverwaltung B***** GmbH die Hausverwaltung der klagenden Partei. Mit Vertrag vom wurde die Hausverwaltung per an die N***** mbH (N*****) übertragen. In der schriftlichen Vereinbarung wurde in Punkt III unter anderem festgehalten, dass die Organisation der Hausbetreuung inklusive Entlohnung der Hausbetreuertätigkeiten oder sonstiger mit der Betreuung des Hauses beauftragter Personen oder Unternehmen dem Hausverwalter obliegt und der Abschluss und die Auflösung diesbezüglicher Verträge im Namen der Eigentümergemeinschaft zu erfolgen hat. N***** beschäftigt durchschnittlich 94 Dienstnehmer und befasst sich unter anderem mit der Verwaltung von Liegenschaften.

Am wurde A***** M***** vom bisherigen Hausverwalter Immobilien und Hausverwaltung B***** GmbH per bei der Tiroler Gebietskrankenkasse abgemeldet. Am Abmeldeformular wurde als Abmeldegrund „Übernahme durch N***** H*****“ vermerkt. Ab wurde A***** M***** über das Dienstgeberkonto der N***** abgerechnet; seit diesem Zeitpunkt scheint beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger die N***** mit dem Dienstgeberkonto 00810670 als Dienstgeberin auf. Die Löhne für die Dienstnehmerin werden anhand der Betriebskostenabrechnung als Hauptjahresabrechnung an die klagende Partei weiterverechnet.

A***** M***** war vom bis sowie vom bis krank und deswegen dienstverhindert.

Am brachte die N***** bei der beklagten Partei zwei Anträge auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung hinsichtlich der beiden Krankenstände A***** M*****s ein. In diesen Anträgen wurden jeweils unter der Rubrik „Firma“ die klagende Partei genannt und unter der Rubrik „Adresse“ jene der N***** mit dem Beisatz „Vertreterin“ angeführt. Im Feld „Unterschrift und Stempel des Dienstgebers bzw des Bevollmächtigten“ wurden die Anträge mit der Firmenstampiglie der N***** versehen und von Mag. P***** S***** unterschrieben.

Mit Bescheiden vom , in denen jeweils die N***** als Bescheidadressatin angeführt ist, lehnte die beklagte Partei die Gewährung von Zuschüssen nach Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung der Dienstnehmerin A***** M***** für die Zeiträume vom bis und vom bis mit der Begründung ab, dass nach ihren Erhebungen die Zahl der im Unternehmen der Antragstellerin regelmäßig Beschäftigten und bei der AUVA versicherten Dienstnehmer die gesetzliche Höchstgrenze überschritten habe.

Die klagende Partei begehrt mit ihrer gegen diese Bescheide gerichteten Klage, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, einen Zuschuss zur Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung der Dienstnehmerin A***** M***** in der Zeit vom bis und vom bis im gesetzlichen Umfang zu zahlen. Sie sei seit durchgehend Arbeitgeberin der Reinigungskraft A***** M***** gewesen. Die N***** rechne lediglich aus Gründen der Vereinfachung die von ihr verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaften über ihre Dienstgeberkontonummer ab. Dies ändere nichts am Umstand, dass die klagende Partei als jene Eigentümergemeinschaft, auf deren Rechnung der Betrieb geführt werde, Arbeitgeberin A***** M*****s sei. Diesen ihr mehrmals mitgeteilten Umstand habe die beklagte Partei bei der Erlassung der Bescheide ignoriert.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Gemäß der Datenspeicherung des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger habe der Dienstgeber bis „WEG M***** per Adresse Immobilien und Hausverwaltung B***** GmbH“ gelautet. Diese Gesellschaft habe A***** M***** bei der Tiroler Gebietskrankenkasse am abgemeldet. Die N***** sei laut Datenspeicher seit Dienstgeberin A***** M*****s. Als solche sei sie auch in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung angeführt. Gerade der Umstand, dass die N***** aus Gründen der Vereinfachung die von ihr verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaften ihre Dienstgeberkontonummer abrechne, weise daraufhin, dass sie im sozialversicherungsrechtlichen Sinn Dienstgeberin A***** M*****s sei.

Die Streitteile stellten die Höhe des Entgeltsfortzahlungszuschusses für die beiden Arbeitsverhinderungen wegen Krankheit der Dienstnehmerin mit insgesamt 126,34 EUR außer Streit (ON 8 und 10).

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei einen Zuschuss zur Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung der Dienstnehmerin A***** M***** in der Zeit vom bis und vom bis im gesetzlichen Umfang zu zahlen. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich führte es aus, die jeweiligen Tätigkeiten der Dienstnehmerin seien auf Rechnung und im alleinigen Interesse der Wohnungseigentümergemeinschaft erfolgt. Unbeschadet der Tatsache, dass durch die Abrechnung über das Dienstgeberkonto des Hausverwalters dieses Entgelt für die erbrachten Leistungen an die Dienstnehmerin überwiesen habe, habe zuletzt die Wohnungseigentümergemeinschaft die Kosten für die Dienstleistungen spätestens mit Jahresende übernehmen müssen. Dass die Dienstnehmerin durch die Ummeldung bei der Sozialversicherungsanstalt durch den Hausverwalter in den Dienst genommen worden sei, ändere nichts daran, dass weiterhin die klagende Partei als anspruchsberechtigte Dienstgeberin anzusehen sei.

Das Berufungsgericht hob über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Sozialrechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an dieses zurück. Sollte nicht die klagende Partei Adressatin der im Anlassfall bekämpften Bescheide der beklagten Partei sein, so wäre jedenfalls das Vorliegen der Voraussetzungen für die Einbringung einer Säumnisklage iSd § 67 Abs 1 Z 2 ASGG zu bejahen, weil in diesem Fall die beklagte Partei nicht innerhalb der Frist des § 67 Abs 1 Z 2 lit a ASGG über die von der klagenden Partei gestellten Zuschussanträge entschieden habe. Der Begriff „Dienstgeber“ in § 53b ASVG sei im Sinn des Dienstgeberbegriffs des § 35 ASVG auszulegen. A***** M***** sei trotz des Verstoßes gegen die in § 42 Abs 1 Z 1 und Abs 4 ASVG dem Dienstgeber auferlegten Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Auskunftserteilung über alle für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände bei der Anmeldung der Dienstnehmerin zur Sozialversicherung durch die N***** als Dienstnehmerin der klagenden Partei anzusehen. Dem Grunde nach komme der klagenden Partei ein Anspruch auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung zu. Bei Zuschüssen zur Entgeltfortzahlung für Dienstgeber gebe es keine „gesetzliche Höhe“. Ein ziffernmäßig bestimmtes Begehren habe die klagende Partei nicht gestellt. Das Berufungsgericht könne daher nicht in der Sache über den dem Grunde nach als zu Recht bestehend angesehenen Anspruch der klagenden Partei erkennen, zumal weder die beanspruchte Zuschusszahlung der Höhe nach außer Streit gestellt worden sei, noch sich diese zufolge entsprechender Feststellungen zur Höhe des während der Anspruchszeiträume fortgezahlten Entgelts ermitteln lasse.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil Rechtsprechung zum rechtlichen Charakter der Dienstgeberkontonummer und den Rechtsfolgen einer unrichtigen Angabe derselben bei der An bzw Ummeldung eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung fehle.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem auf Klageabweisung gerichteten Abänderungsantrag.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben und in der Sache selbst im Sinn einer Klagestattgebung zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluss vom hat der Oberste Gerichtshof das Rekursverfahren gemäß § 74 Abs 1 ASGG unterbrochen, bis über die strittige Vorfrage des Beginns und Endes der Versicherung A***** M*****s in der Unfallversicherung in Bezug auf ein Beschäftigungsverhältnis zur klagenden Partei als Hauptfrage im Verfahren in Verwaltungssachen entschieden worden ist.

Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom stellte die Tiroler Gebietskrankenkasse fest, dass A***** M***** in der Zeit vom bis aufgrund ihrer Tätigkeit als Hausbetreuerin bei der N***** nicht der Pflichtversicherung in der Kranken , Unfall und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 und Abs 4 ASVG unterliegt, und sie in der Zeit vom bis aufgrund ihrer Tätigkeit als Hausbetreuerin bei der klagenden Partei der Pflichtversicherung in der Kranken , Unfall und Pensionsversicherung gemäß § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG unterliegt.

Aufgrund dieses die Gerichte bindenden Bescheids ist der Ansicht der Rekurswerberin die Grundlage entzogen, nicht die klagende Partei, sondern die N***** sei als Dienstgeberin iSd § 35 ASVG A***** M*****s anzusehen.

Dass die klagende Partei als Dienstgeberin iSd § 53b ASVG (vgl 10 ObS 138/06a; 10 ObS 170/06g) die Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zur teilweisen Vergütung des Aufwands für die Entgeltfortzahlung wegen Arbeitsverhinderung ihrer Dienstnehmerin durch Krankheit nach § 53b Abs 2 ASVG erfüllt, ist im Rekursverfahren nicht strittig.

Zutreffend zeigt die klagende Partei in ihrer Rekursbeantwortung auf, dass der vom Berufungsgericht herangezogene Aufhebungsgrund nicht gegeben ist, erhellt doch aus den Ausführungen in der Klage im Zusammenhalt mit der Außerstreitstellung, dass die klagende Partei den Zuschuss in der außer Streit gestellten Höhe begehrt.

Der Oberste Gerichtshof kann gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO über einen Rekurs gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen, wenn die Sache zur Entscheidung reif ist. Im Rekursverfahren gegen solche Aufhebungsbeschlüsse gilt das Verschlechterungsverbot nicht ( E. Kodek in Rechberger 3 , ZPO 519 Rz 24 mwN). Daher war dem Rekurs der beklagten Partei Folge zu geben, der angefochtene Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst im Sinn der Stattgebung des Klagebegehrens zu erkennen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.