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OGH vom 17.11.2015, 14Os112/15z

OGH vom 17.11.2015, 14Os112/15z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wüstner als Schriftführer in der Strafsache gegen Smart P***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Smart P***** und Favour E***** sowie die Berufungen der Angeklagten Daniel W*****, Osemeke I***** und Opoku Ef***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 5 Hv 25/15s 310, und weiters über die Beschwerde des Angeklagten Smart P***** gegen den zugleich gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Den Angeklagten Smart P***** und Favour E***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden von Bedeutung Smart P***** je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A/1), nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A/2) und nach § 28a Abs 1 dritter Fall SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A/3) sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 SMG (A/4) und Favour E***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (C) sowie des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB (G) schuldig erkannt.

Danach haben in G***** und an anderen Orten Österreichs von Mai bis

(A) Smart P***** vorschriftswidrig Suchtgift

1) in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge eingeführt, indem er in mehrfachen Angriffen vier abgesondert verfolgte, im Urteil namentlich genannte Personen zum Schmuggel von insgesamt 51.700 Gramm Cannabiskraut (rund 4.460 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) von Italien nach Österreich bestimmte, wobei er die Importe teils direkt, teils über Mittelsmänner veranlasste;

2) in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge von insgesamt mindestens 42.500 Gramm Cannabiskraut (rund 3.635 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) anderen überlassen, indem er rund 39.000 Gramm (3.600 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) selbst an verschiedene Abnehmer gewinnbringend verkaufte oder seine Mittelsmänner dazu bestimmte sowie rund 3.500 Gramm Cannabiskraut (mindestens 35 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) zum Zweck der Wiederausfuhr aus Österreich an die Kuriere übergab oder übermitteln ließ;

3) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge ausgeführt, indem er den abgesondert verfolgten Sixtus N***** (über Mittelsmänner) dazu bestimmte, am oder um den rund 3.500 Gramm Cannabiskraut (mindestens 35 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) von Österreich nach Italien zurückzubringen;

4) in einer das 15 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er am 4.350 Gramm Cannabiskraut (435 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) in der Wohnung des abgesondert verfolgten Eric A***** lagerte;

(C) Favour E***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er insgesamt mindestens 14.900 Gramm Cannabiskraut (1.190 Gramm Reinsubstanz Delta 9 THC) an verschiedene Abnehmer gewinnbringend verkaufte;

(G) Favour E***** am eine falsche ausländische öffentliche Urkunde, die durch Gesetz (§ 17 Abs 4 FPG) inländischen Urkunden gleichgestellt ist, zum Beweis seiner Identität und Aufenthaltserlaubnis im Rechtsverkehr gebraucht, indem er einen falschen französischen Personalausweis, lautend auf Hassani Mohamed Ali S*****, gegenüber Beamten des Stadtpolizeikommandos G***** vorwies.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von Smart P***** aus § 281 Abs 1 Z 3, 4 und 5 StPO und von Favour E***** aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden verfehlen ihr Ziel.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Smart P*****:

Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider genügt die in den Schuldsprüchen A/1 und A/2 erfolgte Zusammenfassung gleichartiger, nur pauschal individualisierter Einzeltaten zu einer gleichartigen Verbrechensmenge unter Anführung von Tatzeitraum, Art und Menge der von den (namentlich genannten) Schmugglern jeweils aus- und eingeführten (1) sowie der in Verkehr gesetzten (2) Suchtgifte und der in diesem Zusammenhang gesetzten Tathandlungen des Beschwerdeführers dem Individualisierungsgebot des § 260 Abs 1 Z 1 StPO (RIS Justiz RS0119552). Aus welchem Grund es unter diesem Gesichtspunkt zum Schuldspruch A/1 zusätzlicher Angaben zu den genauen Zeitpunkten von Importen und entsprechenden Bestimmungshandlungen sowie zu Details der Tatmodalitäten („welcher Importeur wie, wann, wo und wodurch zu der Tat bestimmt wurde“) und zum Schuldspruch A/2 der namentlichen Bezeichnung der Mittelsmänner des Angeklagten und einer detaillierteren Zuordnung der jeweiligen Beteiligungsform zu den davon betroffenen Suchtgiftquanten bedurft hätte, erklärt die Rüge nicht. Dennoch bestehende Zweifel würden im Übrigen ohnedies zu Gunsten eines allenfalls neuerlich Verurteilten für die Missachtung des ne bis in idem-Verbots streiten (vgl zum Ganzen Ratz , WK StPO § 281 Rz 282 ff).

Durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung gestellten Anträge auf Einholung eines toxikologischen, eines psychiatrischen und eines allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens sowie auf Verlesung eines Urteils des Kassationshofs des Kantons Zürich und eines „Auszugs aus dem Kommentar des Suchtmittelgesetzes Kodex/Fabrizy “ (ON 304 S 24 f, ON 309 S 5 f) wurden entgegen der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Diese Anträge wurden „im Hinblick auf eine beim Verfassungsgerichtshof einzubringende Gesetzesbe-schwerde“ zum Beweis dafür gestellt, dass Cannabis im Vergleich zu legalen Drogen „weniger gefährlich“ sei und die in der Suchtmittelgrenzmengenverordnung normierten diesbezüglichen Grenzmengen keine „gefährlichen Mengen im Sinn des § 28b SMG“ darstellen, womit „durch die Aufnahme von Cannabis in das SMG und insbesondere die Grenzmengenverordnung der Gleichheitssatz gemäß Art 7 B VG und Art 2 StGG verletzt“ werde und „die Aufnahme von Delta-9-THC und THC-A in den Katalog der Suchtmittel nach der Suchtmittelverordnung und insbesondere nach der Suchtmittelgrenzmengenverordnung gesetzwidrig“ sei. Sie ließen solcherart schon ihrem Wortlaut nach kein für die Feststellung einer entscheidenden Tatsache erhebliches Beweisthema erkennen, weil die Lösung der Schuld- und der Subsumtionsfrage von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen jeweils auf Basis der geltenden Rechtslage zu erfolgen hat.

Das zur Antragsfundierung nachgetragene im Übrigen ebenso wenig zielführende Beschwerdevorbringen stellt eine unzulässige

Neuerung dar (vgl RIS-Justiz RS0099117, RS0099618).

Dass sich das vom Beschwerdeführer in der Wohnung des Eric A***** gelagerte Suchtgift (A/4) bei dessen Sicherstellung noch in dem Koffer befand, in dem es über seinen Auftrag von Sixtus N***** nach Österreich eingeführt und in der genannten Wohnung abgeliefert worden war (US 11 ff), steht der Annahme eines Übergangs des Gewahrsams (zum Begriff vgl für viele: 14 Os 123/07f mwN) an den Angeklagten nicht entgegen. Die diesen Umstand dokumentierende Passage aus dem Bericht über die (unmittelbar nach der Suchtgiftübergabe im Stiegenhaus des betreffenden Wohnhauses erfolgte) Festnahme von Sixtus N***** und Smart P***** (ON 76 S 51 f) war daher mangels Erheblichkeit unter dem geltend gemachten Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erörterungsbedürftig (RIS-Justiz RS0118316).

Der den Schuldspruch A/1 betreffende Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil die Beschwerde (bei umfangreichem Aktenmaterial) die Fundstelle der im Urteil angeblich unrichtig wiedergegebenen Aussage des Zeugen Benedict Id***** in den Akten nicht deutlich und bestimmt bezeichnet (auf der genannten Aktenseite [„ON 304, S 18“] findet sich die Protokollierung der Depositionen des Zeugen Stefan S a*****; RIS-Justiz RS0124172).

Im Übrigen unterstellt die Rüge den angesprochenen im Urteil sinngemäß richtig referierten Depositionen (vgl US 18 iVm ON 304 S 23) bloß einen anderen Bedeutungsinhalt als die Tatrichter und erschöpft sich damit in einem unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (RIS Justiz RS0099431).

Die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang isoliert hervorgehobene weitere Aussage des genannten Zeugen, der Drogenkurier Sixtus N***** hätte den Suchtgiftlieferanten (in Rom) namhaft gemacht (ON 279 S 147), steht nicht im Widerspruch zur Urteilsannahme, nach der Smart P***** im Vorfeld der ersten von ihm veranlassten Beschaffungsfahrt des Benedict Id***** von diesem über die in Italien gelegene Suchtgiftbezugsquelle informiert worden war, sein Vorsatz daher auch die Bestimmung zur Einfuhr von Cannabiskraut aus Italien nach Österreich umfasste (US 9). Zu einer diesbezüglichen gesonderten Erörterung waren die Tatrichter unter dem Aspekt von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) daher nicht verpflichtet.

Im Übrigen bezog sich diese Behauptung des Benedict Id***** auf (später) von Sixtus N***** durchgeführte Schmuggelfahrten, während er anlässlich seiner polizeilichen Befragung ausdrücklich erklärte, ursprünglich den Kontakt zu einem Suchtgiftlieferanten in Venedig hergestellt zu haben, von dem er das (zuvor) von ihm selbst nach Österreich importierte Cannabiskraut erhielt, und diese Aussage in der Hauptverhandlung aufrecht hielt und konkretisierte (ON 185 S 81; ON 304 S 23).

Der Beantwortung der weiteren Mängelrüge zum Schuldspruch A/3 ist vorauszuschicken, dass § 28a Abs 1

SMG in Ansehung dessen zweiten und dritten Falls als

alternatives Mischdelikt angelegt ist (RIS-Justiz RS0115527) und § 28a Abs 4 Z 3 SMG vergleichbar dem für wert und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB zu einer Subsumtionseinheit (sui generis) führt. Die Ein- und Ausfuhr, begangen in Bezug auf Suchtgift in einer das 25 fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, begründet daher stets nur ein Verbrechen nach § 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (RIS-Justiz RS0117464 [va T 14]). Die Annahme jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A/1) und § 28a Abs 1 dritter Fall SMG, § 12 zweiter Fall StGB (A/3) ist demnach rechtlich verfehlt.

Da aber der Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO darstellt (vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 23), bestand keine Veranlassung zu einem amtswegigen Vorgehen im Sinn der genannten Bestimmung. Die aggravierende Wertung des Zusammentreffens von vier (statt richtig drei) Verbrechen (US 32) wiederum bedeutet keine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO, weil davon nur das Gewicht des zu Recht angenommenen Erschwerungsgrundes des § 33 Abs 1 Z 1 StGB betroffen ist (RIS-Justiz RS0116878).

Der auf den Schuldspruch A/3 bezogene Einwand fehlender Begründung (Z 5 vierter Fall; vgl aber US 30) der Feststellung eines die Grenzmenge des § 28b SMG übersteigenden Wirkstoffgehalts an Delta-9-THC des insoweit tatverfangenen Cannabiskrauts (US 12) betrifft daher mit Blick auf die konstatierte die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG für sich tragende Reinsubstanzmenge des vom Schuldspruch A/1 umfassten Suchtgifts (etwa 4.460 Gramm Delta-9-THC; US 12) keine für die Schuld oder die Subsumtion entscheidende Tatsache.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Favour E*****:

Soweit diese das Urteil ohne Einschränkung bekämpft, inhaltlich jedoch ausschließlich zum Schuldspruch C argumentiert, war auf sie im gegen den Schuldspruch G gerichteten Umfang keine Rücksicht zu nehmen (§ 285 Abs 1 zweiter Satz StPO).

Die Ableitung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen, insbesonders zur das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Quantität des von diesem Angeklagten in Verkehr gesetzten Suchtgifts, aus den Ergebnissen der

Überwachung von Telekommunikations-inhalten und den für glaubwürdig erachteten Angaben der (mit deren Auswertung, der Übersetzung und der Stimmerkennung befassten) Zeugen Stefan S a***** und Vitalis Ag***** im Verein mit der (zum Verkauf von drei Kilogramm Cannabiskraut sowie teilweise zur Bedeutung der in überwachten Telefongesprächen mit Suchtgiftlieferanten und -abnehmern verwendeten Codewörter geständigen) Verantwortung des Beschwerdeführers (US 26 f) entspricht sowohl den

Gesetzen folgerichtigen

Denkens als auch grundlegenden

Erfahrungssätzen und ist solcherart dem Standpunkt der Mängelrüge zuwider aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS-Justiz RS0116732, RS0118317).

Soweit der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, zur Abklärung der (exakten) Mengen an in Verkehr gesetzten Suchtgiften hätte es der Vernehmung der jeweiligen Abnehmer bedurft, übt er der Sache nach Kritik an der Sachverhaltsermittlung, legt jedoch nicht dar, wodurch er an einer entsprechenden Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert gewesen sein soll (RIS-Justiz RS0115823).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO), wobei hinsichtlich der oben angesprochenen, den Angeklagten Smart P***** betreffenden verfehlten Subsumtion keine (dem Genannten zum Nachteil gereichende) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO besteht (RIS Justiz RS0118870).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0140OS00112.15Z.1117.000