VfGH vom 04.03.1996, B2420/95
Sammlungsnummer
14449
Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Widerruf einer Schiffahrtskonzession mangels Nachweis der Verfügungsberechtigung über eine genehmigte Schiffahrtsanlage; gröbliche Verkennung der Rechtslage durch Heranziehung der für Konzessionswerber geltenden gesetzlichen Bestimmung anstatt der Regelung für Konzessionsinhaber
Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Oberösterreich ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei, zu Handen ihres Rechtsvertreters, die mit S 18.000,-- bestimmten Verfahrenskosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Wassersportzentrum S K Ges.m.b.H. wurde mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. VerkR-5726/12-1986-I/Weg, die Konzession für die Ausübung der Schiffahrt in der Art der Beförderung von Fahrgästen im Gelegenheitsverkehr unter bestimmten Einschränkungen und Vorschreibungen erteilt. Im Spruch des Bescheides ist folgende Vorschreibung enthalten:
"(9) Die Schiffahrtsanlage neben dem Yachthafen S muß den Bestimmungen des Schiffsanlagengesetzes entsprechen. Die zivilrechtliche Verfügungsgewalt über diese Schiffahrtsanlage muß gegeben sein."
In der Begründung des oben zitierten Bescheides wurde festgehalten, daß der Nachweis bezüglich der Verfügbarkeit über die erforderlichen Wasserfahrzeuge und die erforderlichen Schiffahrtsanlagen erbracht wurde.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom , Zl. VerkR-430.128/26-1995/Aum, wurde die erteilte Schiffahrtskonzession gemäß § 83 Abs 2 Z 1 in Verbindung mit § 79 Abs 2 Z 3 Schiffahrtsgesetz 1990, BGBl. 87/1989 in der Fassung BGBl. 452/1992, widerrufen, da die beschwerdeführende Partei die Verfügungsberechtigung über eine genehmigte Schiffahrtsanlage nicht nachweisen konnte.
Gegen diesen Bescheid wurde die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde erhoben, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verletzung in Rechten infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrte.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. In der Beschwerde wird geltend gemacht, daß die Behörde nicht die für den vorliegenden Fall maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen angewendet hat.
"Gem. § 83 Abs 2 Zif. 2 Schiffahrtgesetz 1990 in der Fassung BGBl. 87/1989 kommt ein Konzessionsentzug bei Verletzung der Verpflichtungen gem. §§81 oder 82 nur dann in Frage, wenn dem Entziehungsbescheid zwei förmliche Mahnungen der Behörde, welche wenigstens in einem Abstand von 4 Wochen zu liegen haben, vorausgegangen sind, und der Konzessionsinhaber dennoch seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.
§ 81 Abs 4 leg.cit. normiert, daß die Konzession nur ausgeübt werden darf, wenn der Konzessionsinhaber über die erforderlichen Schiffahrtsanlagen oder Mitbenützungsrechte an Schiffahrtsanlagen bei den vorgesehenen Anlegestellen verfügt.
Diese Gesetzesnorm hat die belangte Behörde ursprünglich in den Konzessionsbescheid vom unter Auflagenpunkt 9 aufgenommen und hat nun nach den spärlichen Feststellung des Bescheides diesen Auflagenpunkt offensichtlich nicht mehr für gegeben angenommen. Es wäre daher nur ein Entzug nach § 83 Abs 2 Zif. 2 in Frage gekommen. Die von der Behörde getätigte Vorgangsweise ist somit vom Gesetz nicht eingeräumt."
Hiezu hat sich die Oberösterreichische Landesregierung in der Gegenschrift wie folgt geäußert:
"In diesem Zusammenhang muß auf die Bestimmungen des Binnenschiffahrts-Konzessionsgesetzes, BGBl. Nr. 533/1978 verwiesen werden, welche dem Bescheid vom zugrundeliegen. Dem Binnenschiffahrts-Konzessionsgesetz ist eine Bestimmung des § 81 Abs 4 des neuen Schiffahrtsgesetzes (Schiffahrtsgesetz 1990) fremd, weshalb die Überlegungen der Beschwerdeführerin ins Leere gehen."
2.a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987).
b) Im § 79 SchiffahrtsG 1990 sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession normiert (es wird nur die für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung zitiert).
"Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession.
§79. (1) ...
(2) Die Konzession darf darüber hinaus nur erteilt werden,
1. ...
2. ...
3. wenn der Bewerber um eine Konzession gemäß § 78 Abs 1 Z 1, 2, 5, 6 oder 7 nachweist, daß er über die erforderlichen Schiffahrtsanlagen an den vorgesehenen Anlegestellen wird verfügen können;
4. ...
5. ...
(3) ..."
Im § 81 Abs 4 SchiffahrtsG 1990 wird geregelt, daß die Konzession gemäß § 78 Abs 1 Z 1, 2, 5, 6 oder 7 nur ausgeübt werden darf, wenn der Konzessionsinhaber über die erforderlichen Schiffahrtsanlagen oder Mitbenützungsrechte an Schiffahrtsanlagen bei den vorgesehenen Anlegestellen verfügt.
Die Gründe, die zu einem Widerruf der Konzession mit Bescheid führen, ergeben sich aus § 83 Abs 2 SchiffahrtsG.
"Erlöschen, Widerruf und Fortführung der Konzession
§83. (1) .......
(2) Die Konzession ist mit Bescheid zu widerrufen, wenn
1. eines der im § 79 angeführten Erfordernisse nicht mehr gegeben ist;
2. der Konzessionsinhaber den Verpflichtungen gemäß §§81 oder 82 trotz zweier Mahnungen seitens der Behörde, zwischen denen ein Zeitraum von wenigstens vier Wochen zu liegen hat, nicht nachkommt.
3. ...
4. ... "
c) Der angefochtene Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung stützt sich auf § 83 Abs 2 Z 1 iVm § 79 Abs 2 Z 3 SchiffahrtsG 1990.
Die Behörde übersieht, daß gemäß § 79 Abs 2 Z 3 SchiffahrtsG 1990 der Bewerber um eine Konzession - nicht der Konzessionsinhaber - nachzuweisen hat, daß er über die erforderlichen Schiffahrtsanlagen an den vorgesehenen Anlegestellen wird verfügen können. Darauf deutet auch die Überschrift des § 79 SchiffahrtsG hin: Voraussetzungen für die Erteilung einer Konzession. Daher ist diese gesetzliche Bestimmung im Verfahren zur Erteilung einer Konzession anzuwenden. Diese Auffassung wird auch durch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum § 79 SchiffahrtsG (BlgNR 705, XVII GP) bekräftigt:
"Die Formulierung 'wird verfügen können' soll verdeutlichen, daß der Bewerber im Zeitpunkt der Antragsstellung die Verfügung über die erforderlichen Fahrzeuge oder Schwimmkörper bzw. Schiffahrtsanlagen lediglich glaubhaft zu machen hat; ein endgültiger Nachweis hierüber ist erst nach der Klärung der entscheidenden Konzessionsvoraussetzung 'volkswirtschaftliches Interesse' notwendig."
Da von der Beschwerdeführerin bereits im Jahre 1986 im Rahmen des Verfahrens für die Erteilung der Konzession der Nachweis der Verfügbarkeit über die erforderliche Schiffahrtsanlage erbracht wurde, hat sich die Behörde auf eine falsche gesetzliche Grundlage berufen. Ein Widerruf der Konzession wäre im vorliegenden Fall - Beschwerdeführerin ist bereits Konzessionsinhaberin - nur nach § 83 Abs 2 Z 2 iVm § 81 Abs 4 SchiffahrtsG 1990 möglich, weil gemäß § 81 Abs 4 SchiffahrtsG die Konzession nur ausgeübt werden darf, wenn der Konzessionsinhaber über die erforderlichen Schiffahrtsanlagen oder Mitbenützungsrechte an Schiffahrtsanlagen bei den vorgesehenen Anlegestellen verfügt.
Die Ausführungen der Behörde in der Gegenschrift (siehe Pkt. II.1.) sind nicht zielführend, weil mit Inkrafttreten des SchiffahrtsG 1990 das Binnenschiffahrts-Konzessionsgesetz außer Kraft getreten (§88 SchiffahrtsG 1990) und in der Übergangsbestimmung normiert ist, daß die erteilten Konzessionen als Konzessionen im Sinne des SchiffahrtsG 1990 gelten. Ob im Binnenschiffahrts-KonzessionsG eine gleichlautende Bestimmung vorhanden war, ist unerheblich, da für bereits erteilte Konzessionen, insbesondere auch für deren Widerruf, jedenfalls das SchiffahrtsG 1990 anzuwenden ist.
Damit erweisen sich die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken, daß es im freien Ermessen der Behörde stehe, ob ein Widerruf der Konzession nach § 83 Abs 2 Z 1 iVm § 79 Abs 2 Z 3 oder § 83 Abs 2 Z 2 iVm
§81 Abs 4 SchiffahrtsG erfolge, als unzutreffend.
Das Heranziehen einer unrichtigen gesetzlichen Bestimmung stellt hier nicht etwa bloß ein formales Vergreifen im Ausdruck dar, sondern hatte zur Folge, daß die Behörde nicht - dem § 83 Abs 2 Z 2 SchiffahrtsG 1990 folgend - den Konzessionsinhaber vor Bescheiderlassung zweimal ermahnt und ihm dadurch die Chance genommen hat, seinen Fehler zu bereinigen.
Unter diesen Umständen steht der bekämpfte Bescheid durch gröbliches Verkennen der Rechtslage im besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch; er ist daher gesetzlos und willkürlich ergangen (vgl. z.B. VfSlg. 11436/1987, 12030/1989, 12173/1989, 12624/1991 und ).
Die beschwerdeführende Partei ist folglich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG.
In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.