OGH vom 22.02.2000, 10ObS18/00w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag. Heinrich Lahounik (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Amtsdirektor Winfried Kmenta (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Manfred K*****, ohne Beschäftigungsangabe, *****, im Revisionsverfahren nicht vertreten, als Fortsetzungsberechtigter nach der am verstorbenen Anna K*****, Pensionistin in *****, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Pflegegeld, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 262/99m-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 20 Cgs 103/98b-8, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei für den Zeitraum vom 1. Jänner bis ein den bereits ausgezahlten Betrag von S 2.792,40 übersteigendes Pflegegeld zu zahlen, abgewiesen wird.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Pensionistin Anna K*****, die Mutter des Klägers, bezog von der Beklagten seit ein Pflegegeld der Stufe 2. Sie verstarb am . Mit Bescheid vom wurde das Pflegegeld (rückwirkend) ab neu bemessen und in Höhe der Stufe 5 (monatlich S 11.591) festgestellt. Die für den Monat Jänner 1998 unter Berücksichtigung eines Überbezuges infolge Ruhens gebührende Nachzahlung wurde mit S 2.792,40 errechnet und an den Kläger überwiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, dass der Anspruch auf Pflegegeld mit dem Todestag der Anspruchsberechtigten erlösche, sich aber auf Grund der Vorschusszahlung im Dezember 1996 für den "Wegfallsmonat" kein Anweisungsbetrag ergebe.
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Zahlung des anteiligen Pflegegeldes der Stufe 5 auch im Todesmonat seiner Mutter (1. bis ).
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass nach § 47 Abs 4 BPGG anstelle des im Wegfallsmonat gebührenden verhältnismäßigen Teiles des Pflegegeldes eine Vorschusszahlung in der Höhe des Pflegegeldes für den Monat Dezember 1996 (also Stufe 2) gebühre. Daher bestehe im Sterbemonat über die Vorschusszahlung hinaus kein weiterer Anspruch auf Pflegegeld.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren dahin statt, dass es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger für den Zeitraum 1. bis ein anteiliges Pflegegeld der Stufe 5 von restlich S 5.198,43 zu zahlen. Nach seiner rechtlichen Beurteilung sei die Vorschusszahlung des Monats Dezember 1996 auf das für den Sterbemonat gebührende Pflegegeld der Stufe 5 anzurechnen. Der Vorschuss solle jedoch nicht den Anspruch auf das höhere Pflegegeld abgelten.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge und billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass es die Beklagte schuldig erkannte, dem Kläger ab Pflegegeld der Stufe 5 in Höhe von S
11.591 monatlich zu gewähren und für die Zeit vom 1. bis einen restlichen Betrag von S 5.198,43 zu zahlen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.
Die beklagte Partei vertritt in ihrer Revision im Wesentlichen den Standpunkt, dass auf Grund der in § 47 Abs 4 BPGG vorgesehenen Vorschusszahlung in der Höhe des für Dezember 1996 ausgezahlten Pflegegeldes sämtliche weitergehenden Ansprüche des Pflegebedürftigen bzw des Eintrittsberechtigten auf ein Pflegegeld für den Sterbemonat ausgeschlossen seien. Der Vorschuss gebühre gemäß § 47 Abs 4 BPGG anstelle des verhältnismäßigen Teiles des im Sterbemonat gebührenden Pflegegeldes. Änderungen des Pflegegeldes (Erhöhungen, Minderungen), die nach der Auszahlung des Vorschussbetrages eingetreten seien, seien nicht mehr zu berücksichtigen. Diese vom Gesetzgeber aus Gründen der Minderung des Verwaltungsaufwandes vorgenommene Pauschalierung des Pflegegeldanspruches im Sterbemonat sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Oberste Gerichtshof hat zu der aufgezeigten Rechtsfrage in letzter Zeit wiederholt Stellung genommen und sich - in Abkehr von der vereinzelt gebliebenen Entscheidung SSV-NF 12/46 - in allen neueren Entscheidungen (, 10 ObS 114/99h; , 10 ObS 260/99d; , 10 ObS 229/99w) mit ausführlicher Begründung dem Standpunkt der Beklagten angeschlossen.
Diese Ausführungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Während nach der Stammfassung des BPGG das Pflegegeld nach dessen § 17 Abs 1 jeweils am Monatsersten im Voraus fällig war, wurde diese Bestimmung durch Art 21 Z 8 des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 201, dahin geändert, dass nunmehr bezüglich der Auszahlung des Pflegegeldes, soweit dieses Bundesgesetz nichts anderes bestimmt, die beim jeweiligen Entscheidungsträger in Vollziehung der im § 3 genannten Normen anzuwendenden Bestimmungen gelten. Damit ist der bisherige subsidiäre Verweis auf die für die Grundleistungen maßgebenden Regelungen für die Fälligkeit des Pflegegeldes ausschlaggebend geworden. Seit werden Renten und Pensionen aus der Unfall- und Pensionsversicherung monatlich im Nachhinein am Ersten des Folgemonats ausgezahlt. Um zu vermeiden, dass es bei der Umstellung des Auszahlungsmodus zu einer Unterbrechung des Bezuges kommt (Auszahlung für Dezember 1999 noch im Voraus, für Jänner 1997 erst im Nachhinein), sehen die damit im Zusammenhang stehenden sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen (§ 563 Abs 3 ASVG ua) eine Vorschusszahlung in Höhe der im Dezember 1996 gebührenden Pension (Rente) vor. Für Neupensionen (Neurenten) sehen die Änderungen des Strukturanpassungsgesetzes 1996 vor, dass der Anspruch auf Pension (Rente) mit dem Tod des Anspruchsberechtigten erlischt und eine Aliquotierung der Leistung im Sterbemonat erfolgt. Es soll daher in diesem Monat künftig nur noch der aliquote Teil der Leistung gebühren. Hinsichtlich der Altpensionen (Altrenten) wurde vorgesehen, dass dem anspruchsberechtigten Personenkreis die bereits erwähnte (einmalige) Vorschusszahlung anstelle des aliquoten Teils der Leistung im Sterbemonat gebühren soll. Nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers soll dieser Anspruch auf den aliquoten Teil der Leistung durch die (einmalige) Vorschusszahlung pauschaliert abgegolten sein und somit im Sterbemonat keine Leistung mehr gebühren. Nach § 47 Abs 4 BPGG idF Art 21 Z 11 BGBl 1996/201 ist dann, wenn in den in Vollziehung der im § 3 genannten Normen eine Vorschusszahlung zur Pension (Rente) gesetzlich angeordnet ist, Personen, die im Dezember 1996 ein Pflegegeld beziehen und bei denen der Leistungsanspruch am aufrecht ist, auch ein Vorschuss an Pflegegeld zu leisten. Dieser Vorschuss gebührt anstelle des verhältnismäßigen Teiles des Pflegegeldes für den Kalendermonat, in dem der Anspruch auf Pflegegeld erlischt. Die Vorschusszahlung ist in der Höhe des für Dezember 1996 ausgezahlten Pflegegeldes spätestens am flüssig zu machen. Alle auf das Pflegegeld anzuwendenden Bestimmungen gelten auch für die Vorschusszahlung.
Auf Grund der Wortinterpretation (arg "anstelle") und der aus den Gesetzesmaterialien hervorgehenden Absicht des Gesetzgebers ergibt sich, dass auch die spätestens am in der Höhe des für Dezember 1996 ausgezahlten Pflegegeldes auszuzahlende (einmalige) Vorschusszahlung den Anspruch auf den aliquoten Teil der Leistung im Sterbemonat pauschaliert abgelten soll und somit im Sterbemonat keine Leistung mehr gebührt. Deshalb hat der Gesetzgeber auch keine Bestimmungen über eine allfällige Verrechnung oder Rückforderung für die Fälle vorgesehen, bei denen im Sterbemonat ein höheres oder auch geringeres anteiliges Pflegegeld gebühren würde als im Monat der Vorschusszahlung.
Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entspricht es dem Gleichheitssatz, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht und dabei auch eine pauschalierende Regelung trifft. Dass dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (VfSlg 3.568, 7.891, 8.767, 8.942 uva). Der Gesetzgeber kann in Grenzen aus Gründen der Verwaltungsökonomie einfache und leicht handhabbare Regelungen schaffen (VfSlg 8.827, 9.524, 11.775 uva). Prüft man die Übergangsbestimmung des § 47 Abs 4 BPGG an diesen Kriterien, ist zunächst darauf zu verweisen, dass in all den Fällen, in denen im Sterbemonat eines Pflegegeldbeziehers keine höhere Pflegegeldstufe gebührt als im Vergleichsmonat Dezember 1996, die Pauschalierung des Pflegegeldanspruches im Sterbemonat mit der Vorschusszahlung regelmäßig zu einer finanziellen Begünstigung des Pflegegeldbeziehers führt, wobei das Ausmaß dieser Begünstigung vom jeweiligen Todestag abhängig ist. Umgekehrt kann es aber durch die vorgesehene Pauschalierung bei einer wesentlichen Erhöhung des Pflegebedarfes im Sterbemonat gegenüber dem Vergleichsmonat Dezember 1996 auch zu einer finanziellen Schlechterstellung des Pflegegeldbeziehers kommen, vor allem dann, wenn der Tod erst gegen Monatsende eintritt. Hingegen muss es bei einem frühen Todestag selbst bei einer Erhöhung des Pflegebedarfes nicht unbedingt zu einer finanziellen Schlechterstellung kommen, insbesondere wenn der Anspruchsberechtigte am Beginn des Monats stirbt. Je nach Änderung des Pflegebedarfs im Sterbemonat gegenüber dem Vergleichsmonat Dezember 1996 und nach dem Todestag des Anspruchsberechtigten kann die pauschalierte Abgeltung zu einer finanziellen Begünstigung oder auch Schlechterstellung des Pflegegeldbeziehers führen, während sich bei der für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung maßgebenden Durchschnittsbetrachtung keine beträchtlichen Unterschiede ergeben. Da diese Pauschalierung nicht das laufende Pflegegeld sondern nur den (einmaligen) Pflegegeldbezug im Sterbemonat des Anspruchsberechtigten betrifft und das Pflegegeld selbst gemäß § 1 BPGG als Beitrag zur pauschalierten Abgeltung der pflegebedingten Mehraufwendungen konzipiert ist, bestehen gegen die Übergangsbestimmung des § 47 Abs 4 BPGG auch keine Bedenken aus dem Grunde der Verfassungswidrigkeit.
In Stattgebung der Berufung der Beklagten waren daher die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil Kosten nicht verzeichnet wurden.