OGH vom 08.08.1991, 12Os53/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, Hon.Prof. Dr. Brustbauer, Dr. Rzeszut und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann W***** wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB über die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten und über die von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 36 Vr 1984/90-38, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, der Generalanwältin Dr. Bierlein, und des Verteidigers Dr. Prohaska, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Beide Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Der Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am geborene Johann W***** des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Hallein an fremden Sachen ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst zu verursachen getrachtet, und zwar am , indem er im Kellerabteil des Friedrich M***** einen Papierstoß anzündete (1), und am , indem er einen in Kaltreiniger bzw. mit Öl und Benzin getränkten Lappen zwischen Holzlatten eines Anbaues des Gasthauses "Sandwirt" steckte und anzündete (2).
Dieses Urteil ficht der Angeklagte im Schuldspruch mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch und im Ausspruch über die Einweisung in eine Anstalt nach § 21 Abs. 2 StGB mit Berufung an.
Die Zumittlung der Akten gemäß § 285 c StPO nahm die Generalprokuratur zum Anlaß, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach § 33 Abs. 2 StPO mit dem Antrag einzubringen, das angefochtene Urteil aufzuheben und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen, weil der Vorsitzende des Schöffengerichtes durch seine Teilnahme an der Haftprüfungsverhandlung im Vorverfahren von der Mitwirkung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen gewesen sei.
Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluß vom sämtliche Rechtsmittel zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
I./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes:
Gegen Johann W***** wurde am wegen des Verdachtes der versuchten Brandstiftung und des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr gemäß § 175 Abs. 1 Z 4 StPO Haftbefehl erlassen (ON 2). Nach seiner Einlieferung in das Landesgerichtliche Gefangenenhaus Salzburg wurde über ihn mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom gemäß § 180 Abs. 1 und 2 Z 3 lit. a bis c StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 5 und 6). Am langte bei Gericht der vom inzwischen bestellten Verfahrenshilfeverteidiger (ON 20) gestellte Enthaftungsantrag ein, mit dem schwergewichtig vorgebracht wurde, daß zufolge Widerrufes der Geständnisse von einem dringenden Tatverdacht nicht mehr ausgegangen werden könne (ON 24). Am fand unter dem Vorsitz des Richters des Landesgerichtes Salzburg, Dr. E***** Z*****, die Haftprüfungsverhandlung vor der Ratskammer statt, bei der der Verteidiger in Anwesenheit des Beschuldigten seinen Enthaftungsantrag mündlich begründete. Die Ratskammer beschloß jedoch die Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs. 1 und 2 Z 3 lit. a bis c StPO im wesentlichen mit der Begründung, daß der Tatverdacht in Richtung §§ 15, 169 Abs. 1 StGB durch die zunächst vor der Polizei und dem Untersuchungsrichter abgelegten Geständnisse, die der Beschuldigte allerdings widerrufen habe, bestätigt werde. Die Anwendung gelinderer Mittel im Sinn des § 180 Abs. 5 StPO sei nicht möglich, weil der Beschuldigte bereits zwei einschlägige Vorstrafen aufweise und der Sachverständige eine Gefährlichkeitsprognose in Richtung § 21 Abs. 2 StGB bestätige (ON 26).
Nach Einbringung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft am und deren Kundmachung am (ON 30 und 31) wurden die Akten vom Untersuchungsrichter am gemäß § 210 Abs. 1 StPO dem Vorsitzenden des Schöffengerichtes zugeleitet (S 1 g), der bereits am die Hauptverhandlung für den anberaumte (S 1 h). An diesem Tag und fortgesetzt am fand die Hauptverhandlung wieder unter dem Vorsitz des Richters des Landesgerichtes, Dr. E***** Z*****, statt. Obwohl derselbe Substitut des Verteidigers einschritt, der schon in der Haftprüfungsverhandlung den Beschuldigten vertreten hatte, wurde die Vorsitzführung durch Dr. Z***** in keiner Weise gerügt (ON 32 und 37). Der Angeklagte wurde schließlich anklagekonform schuldig erkannt, wobei in der Urteilsbegründung ausführlich beweiswürdigend dazu Stellung genommen wurde, daß die - wenn auch widerrufenen - Geständnisse des Angeklagten auf Grund der übrigen Beweisergebnisse als tatsachengerecht beurteilt wurden.
Die Generalprokuratur begründet ihre Rechtsansicht, daß Dr. Z***** von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen war, wie folgt:
Gemäß § 68 Abs. 2 erster Satz StPO ist von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen, wer in derselben Sache als Untersuchungsrichter tätig gewesen ist oder an der Entscheidung über den Einspruch gegen die Versetzung in den Anklagestand teilgenommen hat.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof zwar in früherer Rechtsprechung die Meinung vertreten, daß dies auf einen Richter, der lediglich in der Haftprüfungsverhandlung tätig gewesen sei, nicht zuträfe (10 Os 32/75, 10 Os 124/78). Diese Rechtsansicht kann aber nach Auffassung der Generalprokuratur bei MRK-konformer Auslegung der innerstaatlichen Rechtsordnung nicht aufrechterhalten werden:
Der Oberste Gerichtshof selbst hat die Frage der Ausgeschlossenheit des Untersuchungsrichters von der Mitwirkung an der Hauptverhandlung in seiner späteren Rechtsprechung niemals formell gesehen (§ 11 StPO) sondern dem Wortlaut des § 68 Abs. 2 StPO entsprechend auf die jeweilige Tätigkeit eines Richters im Vorverfahren abgestellt und nach Lage des Falles die Ausgeschlossenheit eines Richters, der bloß zeit- oder vertretungsweise "als Untersuchungsrichter tätig" war und in einem Verfahren nur einzelne untersuchungsrichterliche Handlungen vornahm, bejaht (zB des "Jorunalrichters" beim Gerichtshof erster Instanz, der gegen den späteren Angeklagten oder einen Komplizen einen Haftbefehl erließ: SSt. 52/57; SSt. 56/84; oder des Richters, der dem Beschuldigten anläßlich der Enthaftung ein Gelöbnis abnahm: SSt. 56/68) oder - bei Verfügungen rein formeller Art oder ganz untergeordneter Bedeutung - verneint (zB bei Kundmachung der Anklageschrift: EvBl. 1969/193; oder der Anordnung lediglich einer Kalendierung oder Übersendung des Aktes: 13 Os 50/79). Entscheidendes Kriterium war dabei immer, daß durch die Ausgeschlossenheit eines Richters im Sinne des § 68 Abs. 2 StPO jeder Anschein einer Befangenheit der mit der Entscheidung in der Hauptsache befaßten Richter vermieden werden soll, der daraus entstehen könnte, daß man die spätere Unparteilichkeit dieser Richter speziell wegen ihrer Tätigkeit im Vorverfahren im Hinblick auf eine daraus resultierende Voreingenommenheit in Zweifel zöge (SSt. 52/57 ua). Diese Auslegung des § 68 Abs. 2 StPO durch den Obersten Gerichtshof deckt sich voll mit der Rechtsprechung der Straßburger Rechtschutzinstanzen zu Art. 6 Abs. 1 EMRK, wonach
"jedermann Anspruch darauf hat, daß seine Sache ..... gehört
wird, und zwar von einem unparteiischen ..... Gericht, das .....
über die Stichhaltigkeit der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Anklage zu entscheiden hat" (EGMR Urteil Nr. 8/1983/64/99 vom - De Cubber gegen Belgien; EuGRZ 1985 S 407 ff; Bericht der EKMR vom zum Urteil des EGMR Nr. 8/1985/94/142 vom - Ben Yaacoub gegen Belgien; ÖJZ 1988/345, 346; vgl. auch Zitta, Der Untersuchungsrichter als erkennender Richter? ÖJZ 1986, 552 ff; Einführungserlaß zum JGG 1988, JABl. 1989/1 Z XIII). Die fallbezogenen Entscheidungen 10 Os 32/75 und 10 Os 124/78 lassen allerdings eine derart differenzierende Betrachtungsweise richterlicher Tätigkeit im Vorverfahren (noch) vermissen. Wendet man diese Grundsätze aber auf den vorliegenden Sachverhalt an, ergibt sich Folgendes:
Gegenstand der Entscheidung der Ratskammer in der Haftprüfungsverhandlung vom unter dem Vorsitz des Richters des Landesgerichtes Salzburg Dr. E***** Z***** war der Enthaftungsantrag des Beschuldigten vom (ON 24). Über Enthaftungsanträge des Beschuldigten im Vorverfahren entscheidet entweder der Untersuchungsrichter nach dem § 194 Abs. 1 StPO oder - soferne nicht nach Abs. 1 entschieden werden kann - die Ratskammer bei einer Haftprüfungsverhandlung (§ 194 Abs. 2 StPO). Der nach eingehender Prüfung des Tatverdachtes und der - im wesentlichen in der Persönlichkeit des Beschuldigten gelegenen - Haftgründe vom Haftprüfungssenat gefaßte und in parteiöffentlicher Verhandlung verkündete Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs. 1 Abs. 2 Z 3 a bis c StPO trat daher auf Grund der Kompetenzverteilung für die Verhängung, Aufrechterhaltung und Aufhebung der Untersuchungshaft im Vorverfahren an die Stelle eines Beschlusses des Untersuchungsrichters. Nun ist aber nicht einzusehen, daß der Vorsitzende des Schöffensenats, der im Zuge der Voruntersuchung die Enthaftung des Angeklagten gegen Gelöbnis verfügte und das Gelöbnis abnahm, von der Mitwirkung und der Entscheidung in der Hauptverhandlung ausgeschlossen sein soll (SSt. 56/68), der Vorsitzende des Haftprüfungssenates jedoch, der die Fortsetzung der Untersuchungshaft - sohin einen Grundrechtseingriff - mitbeschloß, aber nicht. Vielmehr nimmt auch er inhaltlich eine Tätigkeit "als Untersuchungsrichter" im Sinne des § 68 Abs. 2 StPO vor, die geeignet ist, den Anschein der Befangenheit zu erwecken: Sieht sich doch der Angeklagte in der Hauptverhandlung wieder dem Richter gegenüber, unter dessen Vorsitz gegen seinen Antrag die Fortsetzung der Untersuchungshaft beschlossen worden ist, und von dem er schon im Vorverfahren vernehmen mußte, daß der bloße Widerruf eines Geständnisses nicht ausreiche, den Tatverdacht zu beseitigen, und daß mit Rücksicht auf seine zwei einschlägigen Vorstrafen und die Ausführungen des Sachverständigen befürchtet werden müsse, er werde unter dem Einfluß einer schweren Abartigkeit seiner Persönlichkeit auch in Zukunft schwere Delikte begehen (AS 183).
Dr. E***** Z***** war daher von der Mitwirkung und Entscheidung in der Hauptverhandlung gegen Johann W***** gemäß dem § 68 Abs. 2 StPO ausgeschlossen.
Wenn auch Johann W***** die persönliche Unparteilichkeit des Vorsitzenden nicht in Zweifel gezogen hat (was sich daraus ergibt, daß er den Nichtigkeitsgrund nach dem § 281 Abs. 1 Z 1 StPO nicht geltend machte und mangels rechtzeitiger Rüge des die Nichtigkeit begründenden Tatumstandes auch gar nicht geltend machen konnte), wäre doch zum Vorteil des Angeklagten, der möglicherweise später (berechtigterweise) den Verdacht haben könnte, daß der Vorsitzende eine entscheidende Rolle zu seinem Nachteil gespielt hat, weil er bereits im Stadium der Voruntersuchung persönlich von der Schuld des Angeklagten überzeugt gewesen sei, das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom , GZ 36 Vr 1984/90-38, aufzuheben und dem Erstgericht die Erneuerung des Verfahrens aufzutragen."
Rechtliche Beurteilung
Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Die Durchführung von Haftprüfungsverhandlungen im Sinn der §§ 194, 195 StPO obliegt seit der Einführung des parteienöffentlichen kontradiktorischen Haftprüfungsverfahrens (BGBl. 273/1971) der Ratskammer, die aber auch schon früher kontrollierende und beschließende Funktionen im Vorverfahren, insbesondere auch bei der Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft hatte, ohne daß hieraus eine Ausgeschlossenheit eines an der Ratskammerentscheidung mitwirkenden Richters im Sinn des § 68 Abs. 2 StPO abgeleitet wurde (SSt. 24/5 ua). Eine grundlegende Änderung in den Funktionen der Ratskammer ist sohin auch durch dieses Strafrechtsänderungsgesetz 1971 nicht eingetreten (so schon 10 Os 32/75). Seither wurde in ständiger unveränderter Rechtsprechung daran festgehalten, daß die im Gesetz normierten Ausschließungsgründe taxativ aufgezählt sind und eine Ausdehnung auf andere als die in den §§ 67 ff StPO ausdrücklich angeführten Gründe im Wege der Analogie nicht in Frage kommt (14 Os 189,190/87 = EvBl. 1988/153 und die dort angeführte Literatur und Judikatur). Die Mitwirkung an einer Beschlußfassung der Ratskammer in einem vorangegangenen Haftprüfungsverfahren ist aber in diesen Bestimmungen nicht als Ausschließungsgrund für die Mitwirkung des Richters am weiteren Strafverfahren statuiert. Diese rein kontrollierende Tätigkeit kann nämlich auch inhaltlich nicht mit der Tätigkeit des Untersuchungsrichters gleichgestellt werden (siehe hiezu 10 Os 124/78, 9 Os 43/81, 11 Os 41/84, 13 Os 88/87, 14 Os 120/88, 12 Os 76/89 ua).
Daraus erhellt zunächst, daß es ein Abgehen von dieser ständigen Rechtsprechung bedeuten würde, wenn man der Beschwerdeargumentation der Generalprokuratur folgen wollte, und es daher einer Entscheidung im verstärkten Senat bedürfte (§ 8 Abs. 1 Z 1 OGHG). Der erkennende Senat sieht sich aber aus nachfolgenden Gründen nicht veranlaßt, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen und den verstärkten Senat anzurufen:
Die Generalprokuratur stützt ihren Standpunkt auf die Judikatur des EGMR und einige kritische Literaturstellen und leitet daraus ihre Behauptung ab, bei der vorliegenden Verfahrenskonstellation sei der Angeklagte in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht (Art. 6 Abs. 1 MRK) verletzt worden, daß über die gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage ein unparteiisches Gericht entscheide. Bei genauer Analyse der zitierten Entscheidungen des EGMR ergibt sich zwar, daß für die Frage der Parteilichkeit eines Gerichtes neben rein subjektiven Perspektiven - die hier von den Parteien nicht behauptet wurden - "auch den Erwägungen funktioneller Natur und die innere Organisation betreffend Rechnung" zu tragen ist. Personen, die an der Untersuchung des Straffalles und an der Anklageerhebung teilgenommen haben, sollen jedenfalls von der Beurteilung der Stichhältigkeit der Anklage in der Hauptverhandlung ausgeschlossen sein. Demnach stellte der EGMR in seinem Urteil vom im Fall De Cubber gegen Belgien (EuGRZ 1985, S 407 bis 410) die Tätigkeit eines Richters in einer inquisitorisch geführten Voruntersuchung, die auch nach belgischem Recht einen geheimen und auch nicht kontradiktorischen Charakter hat, in den Mittelpunkt seiner die Parteilichkeit bejahenden Betrachtung. Ein Beschuldigter könne beunruhigt sein, "wenn er inmitten des Gerichtes, das berufen ist, über die Stichhältigkeit der Anklage zu entscheiden, den Richter wiederfindet, der ihn in Untersuchungshaft genommen und während der Voruntersuchung häufig befragt hatte, wenn auch seine Fragen durch die Sorge, die Wahrheit zu finden, bestimmt waren".
Ähnlich verhält es sich beim Urteil des EGMR vom im Fall Ben Yaacoub gegen Belgien (ÖJZ 1988, S 345 bis 346), wo die Ausgeschlossenheit eines Richters von der Entscheidung in der Hauptverhandlung wohl auch mit der Funktion des Vorsitzenden der Ratskammer, inhaltlich aber insbesondere damit begründet wurde, daß der Richter diese Funktionen (Verhängung der Untersuchungshaft, Entscheidung, ein Verbrechen als ein Vergehen zu behandeln, Überweisung zur Aburteilung) während der Voruntersuchung allein ausgeübt hat, weshalb man den Verdacht haben konnte, daß er bereits im Stadium der Voruntersuchung von der Schuld des Angeklagten überzeugt gewesen sei.
Auf dem Boden dieser Judikatur hat erst neuerlich die EKMR mit Entscheidung vom eine gegen Österreich gerichtete Beschwerde unter anderem insoweit für unzulässig erklärt, als die Parteilichkeit des späteren Schwurgerichtsvorsitzenden mit der Begründung behauptet wurde, dieser sei an der Entscheidung der Ratskammer auf Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 180 Abs. 7 StPO beteiligt gewesen. Es wurde ausdrücklich konstatiert, daß eine derartige Entscheidung weder die Anklageerhebung noch die Beweiswürdigung betreffe, vielmehr auf formalen Kriterien beruhe, die nicht in der Sache selbst erörtert werden. Die vorzunehmende Verdachtsprüfung greife nicht "ungehörig in die Aufgaben des erkennenden Gerichtes ein" (ÖJZ 1991, S 319 bis 324).
Gerade dieser fast gleichgelagerte Fall macht aber auch bezogen auf den vorliegenden Beschwerdefall deutlich, daß die Verdachtsprüfung im Rahmen einer Haftprüfungsverhandlung auch dann, wenn die Beweislage jener in der Hauptverhandlung ähnelt, nicht mit einer (Vor-)Entscheidung über die Schuld des Angeklagten gleichzusetzen ist. Damit kann aber auch bei Heranziehung der Grundsätze des Art. 6 Abs. 1 MRK der Ausschließungstatbestand des § 68 Abs. 2 StPO nicht auf die Tätigkeit eines Richters bei der Haftprüfung in der Ratskammer ausgedehnt werden, weshalb die bisherige Judikatur - entgegen der Meinung der Generalprokuratur - auch einer diesbezüglichen Überprüfung standhält.
Was die Befangenheit des Richters im Einzelfall anlangt, die die Generalprokuratur in der Verkündung und Form der mündlichen Begründung des Beschlusses auf Haftfortsetzung zu erblicken glaubt, gibt die österreichische Rechtsordnung auch insoweit dem Beschuldigten/Angeklagten (und dessen Verteidiger) das Recht, einen Richter unter Berufung auf § 72 StPO abzulehnen, in der Hauptverhandlung die Entscheidung des Senates einzuholen (§ 238 StPO) und ein allenfalls abweisliches Zwischenerkenntnis mit Nichtigkeitsbeschwerde (§§ 281 Abs. 1 Z 4, 345 Abs. 1 Z 5 StPO) zu bekämpfen. Ein derartiger Antrag wurde aber hier nicht gestellt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher zu verwerfen.
II./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten:
Der Angeklagte stützt seine Beschwerde auf die Nichtigkeitsgründe nach § 281 Abs. 1 Z 5, 5 a und 9 lit. b StPO.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen befand sich der stark pyromanisch veranlagte und einschlägig vorbestrafte Angeklagte am in einem Gasthaus in Hallein. Nach Konsumation alkoholischer Getränke kam er auf die Idee, etwas anzuzünden, und begab sich in das Kellerabteil des Friedrich M*****, zündete dort eingelagerte Kohlensäcke an, indem er ein Papier in Brand steckte. Der ausgebrochene Brand konnte durch frühzeitige Entdeckung und sofortiges Eingreifen der Feuerwehr gelöscht werden, ansonsten hätte die Gefahr bestanden, daß ein vollentwickelter Brand, der mit herkömmlichen Löschmitteln nicht mehr unter Kontrolle gebracht hätte werden können, entstanden wäre (1).
In der Nacht vom 4. auf den (in der Urteilsbegründung irrtümlich: 5.12) war der Angeklagte wieder im Stadtbereich von Hallein unterwegs und faßte, als er sich dem Gasthaus "Sandwirt" näherte, den Entschluß, mit einem mitgeführten, mit Öl, Benzin bzw. Kaltreiniger getränkten Putzfetzen die Kegelbahn in Brand zu stecken. Er steckte diesen Lappen tatsächlich in einen Spalt der Holzwand der Kegelbahn und zündete ihn an. Zu diesem Zeitpunkt kam zufällig der Zeuge Wolfgang N***** an der Kegelbahn vorbei. Als der Angeklagte dies merkte, riß er den Fetzen wieder aus der Holzwand heraus, warf ihn über die Salzachböschung und entfernte sich rasch vom Tatort. Der Zeuge N*****, der den Angeklagten vom Sehen kannte (und ihn daher später auch wiedererkannte), begab sich zur Brandstelle und bemerkte, daß sich in der Holzwand bereits ein Glutnest befand und löschte dieses mit Wasser aus einer unmittelbar davorliegenden Lache. Auch in diesem Fall bestand die Gefahr der Entstehung eines großen Brandes, der mit herkömmlichen Löschmitteln nicht mehr hätte unter Kontrolle gebracht werden können, wäre er nicht im Anfangsstadium gelöscht worden (2).
Mit seiner Mängelrüge (Z 5) kritisiert der Angeklagte hinsichtlich des Faktums 1 zunächst, daß die Tatrichter keine genaue Feststellung über die Tatzeit (Uhrzeit) getroffen hätten, obwohl sich diesbezüglich aus den einzelnen Aussagen durchaus abweichende (den Zeitraum zwischen 21 und 22 Uhr betreffende) Angaben ergäben. Bei Beachtung dieser Diskrepanzen hätte "eine andere Entscheidung in der Schuldfrage getroffen werden müssen".
Das Gericht stützte seine Feststellungen im wesentlichen auf das vor der Gendarmerie abgelegte Geständnis des Angeklagten (S 47), mit dem er zugab, diesen Brand "gegen 22 Uhr" gelegt zu haben, während der Zeuge Mathias M***** (S 27) von einer Zeit von 21 Uhr oder kurz danach sprach. Da diese innerhalb einer Stunde liegenden Zeitangaben jeweils Monate nach dem Ereignis ( bzw. ) gemacht wurden, kommt ihnen keine derart grundsätzliche Bedeutung zu, die der Richtigkeit des Geständnisses an sich entgegenstünde.
Was der unrichtigen Feststellung der Tatzeit (5.12. anstatt 5.9.) zum Urteilsfaktum 2 anlangt (US 5,) handelt es sich zweifelsfrei um einen Schreibfehler, da sich aus der Urteilsbegründung insgesamt (siehe US 7) eben die im Spruch genannte Tatzeit 4. bis ergibt. Was die weiteren Einwände zu diesem Faktum betrifft, das Gericht hätte auch hier die genaue Tatzeit feststellen müssen, um die Angaben des Zeugen N*****, der von einer Tatzeit um Mitternacht spricht, und die Angaben der zur Unterstützung seines Alibis beantragten Zeugen H***** und F***** einer wertenden Betrachtung unterziehen zu können, übersieht die Beschwerde, daß sich mit diesen Umständen die Tatrichter sehr ausführlich auseinandergesetzt und die Angaben der zuletzt genannten Zeugen als ungeeignet beurteilt haben, den Angeklagten als Täter auszuschließen. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerde stellen sich daher insoweit als einen unzulässigen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichts dar. Ebenso verhält es sich mit den weiteren Behauptungen, daß dem Zeugen N***** deshalb, weil er keine Flamme gesehen habe, obwohl bei Anzünden eines mit Kaltreiniger getränkten Lappens dies zu erwarten gewesen wäre, und er sich überdies bei der ersten Personenbeschreibung in der Körpergröße des Täters geirrt habe, keine Glaubwürdigkeit zuzubilligen sei. Entgegen diesen Einwänden hat das Erstgericht diesem Zeugen jedoch volle Glaubwürdigkeit zugebilligt und im Urteil ausführlich dargelegt, weshalb seine Angaben in Zusammenhalt mit den übrigen Beweisergebnissen als verläßlich zu betrachten sind.
Weitgehend unter Wiederholung dieser Angriffspunkte versucht der Angeklagte auch mit seiner Tatsachenrüge (Z 5 a) darzulegen, daß die Angaben des Zeugen N***** unverläßlich, hingegen durch die Bekundungen der Zeugen H***** und F***** klargestellt sei, daß er zur Tatzeit nicht am Tatort anwesend gewesen sein könne. Bei Würdigung aller Beweisergebnisse insbesondere der zunächst abgelegten Geständnisse bestehen jedoch keinerlei Bedenken gegen die Richtigkeit der die Täterschaft des Angeklagten betreffenden Tatsachenfeststellungen.
Die Rechtsrüge wieder, die einerseits Feststellungen zur Frage der Tauglichkeit bzw. Untauglichkeit des Versuches iS des § 15 Abs. 3 StGB moniert, andererseits aber das Verhalten des Angeklagten zum Faktum 2 als strafbefreienden Rücktritt vom Versuch gewertet haben will, übergeht die bereits dargelegten Feststellungen. Danach waren die Tathandlungen des Angeklagten jedenfalls auch zum Faktum 2 nicht nur generell, sondern auch im konkreten Fall geeignet, eine Feuersbrunst herbeizuführen, wäre nicht durch Zufall jeweils der Brand sehr schnell entdeckt worden. Abgesehen davon, daß der Versuch der Beschwerde, die Feststellungen dahin umzudeuten, daß der Angeklagte trotz Erscheinens des Zeugen N***** noch freiwillig vom Versuch der Brandstiftung im Gasthaus "Sandwirt" Abstand genommen habe, an dem in der weiteren Begründung verdeutlichten Sinn dieser Feststellung vorbeigeht, mißachtet die Beschwerde jedenfalls die eindeutige Feststellung, daß der Angeklagte den von ihm bereits beendeten Versuch keinesfalls durch einen contrarius actus rückgängig gemacht hat, es vielmehr dem Zeugen N***** überließ, das bereits in der Wand der Kegelbahn entstandene Glutnest zu löschen. Die Rechtsrüge (Z 9 lit. b) entbehrt daher einer der Prozeßordnung entsprechenden Ausführung.
Damit war auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.
III./ Zur Berufung des Angekagten:
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 169 Abs. 1 StGB zu einer dreijährigen unbedingten Freiheitsstrafe und ordnete gleichzeitig gemäß § 21 Abs. 2 StGB die Unterbringung des Johann W***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Bei der Strafzumessung wurden die beiden einschlägigen Vorstrafen und die Wiederholung der Tat als erschwerend und der Umstand, daß es jeweils beim Versuch geblieben und nur relativ geringer Schaden entstanden ist, sowie die verminderte Dispositionsfähigkeit des Angeklagten als mildernd gewertet.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte einerseits die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und andererseits das Absehen von einer Einweisung in die Anstalt nach § 21 Abs. 2 StGB an.
Der Berufungsbehauptung, der Umstand, daß es in keinem Fall zum Ausbruch eines Großfeuers gekommen sei, müsse zur Ausmessung einer Strafe im Bereich der gesetzlichen Untergrenze (von einem Jahr Freiheitsstrafe) führen, ist entgegenzuhalten, daß es sich beim Angeklagten um einen gefährlichen Pyromanen handelt, der - wie auch die urteilsgegenständlichen Fälle zeigen - sein Unwesen auch im dicht verbauten städtischen Gebiet treibt, wodurch seine große Gefährlichkeit deutlich wird (§ 32 Abs. 3 StGB). Gerade diese auf eine vom Sachverständigen attestierte und - entgegen dem Berufungsvorbringen - im Hinblick auf den bisherigen Lebensquerschnitt auch mängelfrei festgestellte höhergradige geistige Abartigkeit zurückzuführende Gefährlichkeit macht sowohl die Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher als auch die Verhängung einer der spezifisch einschlägigen Vorbelastung entsprechenden Freiheitsstrafe erforderlich. Dies führt auch zu keiner zusätzlichen Belastung des Rechtsbrechers, weil zunächst die Anstaltsunterbringung zu vollziehen und auf die Strafhaft anzurechnen ist, wobei im Fall einer Aufhebung der Maßnahme auch die Möglichkeit einer bedingten Entlassung offen bleibt (§ 24 Abs. 1 StGB).
Der Oberste Gerichtshof vermag sich daher auch dem Berufungsbegehren nicht anzuschließen.