VfGH vom 28.02.1989, B238/87
Sammlungsnummer
11974
Leitsatz
Verhängung einer Disziplinarstrafe gemäß § 49 Abs 1 Z 1 IngenieurkammerG; dem Gesetz - nach Aufhebung der Worte "- oder Ruhe" mit Erk. VfSlg. 11933/1988 - entsprechend zusammengesetzte Berufungskommission; keine Verletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm; kein Entzug des gesetzlichen Richters
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Disziplinarerkenntnis vom verhängte der Disziplinarsenat der Ingenieurkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Sektion Zivilingenieure, über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe des schriftlichen Verweises gemäß § 49 Abs 1 Z 1 des Bundesgesetzes vom über die Ingenieurkammern (Ingenieurkammergesetz), BGBl. Nr. 71. Dieser Entscheidung ging ein Beschluß des Disziplinarsenates vom voraus, wonach dem Antrag des Beschuldigten auf Ablehnung des Vorsitzenden einstimmig keine Folge gegeben wurde. Die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer gab mit Berufungserkenntnis vom der Berufung gegen die Verhängung der Disziplinarstrafe keine Folge. Unter einem wurde die Berufung gegen den Beschluß vom zurückgewiesen.
2. Gegen dieses Berufungserkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter für verletzt erachtet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides sowie in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
3. Die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, der Beschwerde keine Folge zu geben, sowie den Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit Beschlüssen vom hat der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdeverfahrens gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der §§40 Abs 5 und 51 des Ingenieurkammergesetzes eingeleitet.
Mit Erkenntnis vom , G108, 109, 133, 134/88, hat der Verfassungsgerichtshof die Worte "- oder Ruhe" in § 51 Abs 2 Ingenieurkammergesetz als verfassungswidrig aufgehoben. Der ebenfalls in Prüfung gezogene § 40 Abs 5 Ingenieurkammergesetz wurde nicht als verfassungswidrig aufgehoben; im übrigen wurden die Gesetzesprüfungsverfahren eingestellt.
2. § 51 Abs 2 Ingenieurkammergesetz hat nach Aufhebung der Worte "- oder Ruhe" nunmehr folgenden Wortlaut:
"Die Berufungskommission besteht aus einem Vorsitzenden, dessen Stellvertreter, die beide Richter des Aktivstandes sein müssen, und aus fünfzehn Beisitzern. Der Vorsitzende (Stellvertreter) ist vom Bundesministerium für Bauten und Technik im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Justiz zu bestellen. Die Beisitzer sind vom Kammertag aus den Reihen der aktiv wahlberechtigten Mitglieder der Länderkammern, die ihre Befugnis ausüben, zu wählen. Sie dürfen nicht gleichzeitig Mitglieder eines Disziplinarausschusses sein."
Die belangte Behörde war sohin bei Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt, da die Entscheidung der Berufungskommission unter dem Vorsitz eines aktiven Richters (des damaligen Hofrates und nunmehrigen Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Herbert Kral) erging. Der Beschwerdeführer ist daher nicht infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
3. Der Beschwerdeführer erachtet sich dadurch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, daß über seinen Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden von der unzuständigen Instanz, nämlich dem Disziplinarsenat selbst, entschieden worden sei. Der Disziplinarsenat sei daher gesetzwidrig besetzt gewesen. Zu diesem Vorbringen genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach durch die Mitwirkung eines befangenen Organwalters an der Entscheidung das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt wird (vgl. VfSlg. 8386/1978, 9767/1983, 10329/1985 u.v.a.). Auch aus einem allfälligen Verfahrensmangel dadurch, daß zunächst nicht die übergeordnete Berufungskommission sondern der Disziplinarsenat selbst über den Ablehnungsantrag entschieden habe, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen. Durch bloßes Zuwiderhandeln gegen Verfahrensvorschriften wird das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter ebenfalls nicht verletzt (vgl. zB VfSlg. 7645/1975, 10140/1984).
4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, da die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten nunmehr eine gemäß Art 133 Z 4 B-VG eingerichtete Behörde ist und eine Überprüfung der Erkenntnisse der belangten Behörde daher von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes wurde vom Gesetzgeber auch nicht ausdrücklich für zulässig erklärt.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Fundstelle(n):
FAAAD-91831