OGH vom 01.06.1995, 15Os71/95

OGH vom 01.06.1995, 15Os71/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Stöckelle als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jan Ryszard W***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 26 Vr 367/95-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jan Ryszard W***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am in Innsbruck der Sybille V***** mit Gewalt, nämlich durch Betäuben mit einem Schlafmittel, fremde bewegliche Sachen, nämlich mehrere Halsketten, Ringe und Armbänder, einen Radiowecker, einen Fotoapparat samt Teleobjektiv, ein Blitzgerät, einen Walkman, eine Sonnenbrille, Kleider, andere Gebrauchsgegenstände und Bargeld im Gesamtwert von zumindest 60.000 S mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe der Z 5, 5 a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet Begründungsmängel hinsichtlich der Feststellung, der Beschwerdeführer habe, als die Zeugin V***** die Toilette aufgesucht hatte, ein Schlafmittel, vermutlich Rohypnol, in das von ihr benützte Trinkglas gegeben, weil das Gericht unberücksichtigt gelassen habe, daß

er schon um den bei V***** eingezogen sei und demnach über Wochen die Möglichkeit gehabt hätte, in Abwesenheit der Zeugin deren Wertgegenstände wegzunehmen,

die Ermittlungsbehörden offenbar verwischte bzw abgewischte Fingerabdrücke wahrgenommen haben, während die Gläser, aus denen der Angeklagte und V***** getrunken haben, nicht abgewischt worden seien; hätte der Beschwerdeführer Spuren verwischen wollen, hätte er zweifellos die Gläser abgespült und nicht in einer Wohnung, in der er bereits nahezu einen Monat gelebt hatte, Fingerabdrücke beseitigt, sowie

der Angeklagte, bevor er die Wohnung verließ, die Zeugin V***** offenbar zugedeckt und den Haustorschlüssel durch den Briefschlitz wiederum in die Wohnung geworfen hatte, was nicht darauf hinweise, daß er sich durch gegen die Zeugin gerichtete Gewalt bereichern wolle.

Mit diesem Vorbringen wird allerdings kein formeller Begründungsmangel in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes zur Darstellung gebracht, der nur dann gegeben wäre, wenn Urteilsfeststellungen undeutlich, unvollständig oder mit sich selbst im Widerspruch sind, wenn für eine solche Feststellung keine oder nur offenbar unzureichende Gründe angegeben werden, oder wenn der eine entscheidende Tatsache betreffende Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergegeben wird. Der Sache nach will der Beschwerdeführer damit vielmehr seine festgestellte Täterschaft in Zweifel ziehen und bekämpft lediglich nach Art und Zielsetzung einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Tatrichter.

Auch die Beweisrüge (Z 5 a) ist unbegründet. Nach Prüfung dieser Einwände gelangte der Oberste Gerichtshof zur Überzeugung, daß sich aus den Akten keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen ergeben. Der Sache nach unternimmt der Angeklagte mit seinem Vorbringen erneut nur den im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen, oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung in entscheidungswesentlichen Punkten aufkommen lassen. Anzumerken ist nur noch, daß die Behauptungen des Beschwerdeführers, die tiefgreifende Bewußtseinsstörung der Zeugin V***** sei auf Alkoholkonsum in Verbindung mit der Einnahme von Psychopharmaka zurückzuführen, mit den aktenkundigen Ergebnissen des Beweisverfahrens, wonach Sybille V***** an jenem Abend keine Psychopharmaka eingenommen hat (S 337) und sich im Glas, aus dem V***** getrunken hatte, Spuren eines Schlafmittels, nicht aber Spuren der von V***** regelmäßig eingenommenen Psychopharmaka befanden (S 333 f), in Widerspruch stehen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) mit der - sprachlich unklar, aber ersichtlich - Feststellungsmängel über den Vorsatz des Angeklagten behauptet werden, gelangt nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nicht von den Urteilsfeststellungen in ihrer Gesamtheit ausgeht. Ein materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund wird nämlich nur dann gesetzmäßig ausgeführt, wenn der festgestellte Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz verglichen wird.

Aus den Entscheidungsgründen geht mit ausreichender Deutlichkeit hervor, daß der Beschwerdeführer das Schlafmittel in das Wodkaglas der Zeugin V***** gab und es dabei ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, daß die Genannnte durch die Einnahme des Schlafmittels widerstandslos gemacht würde und er daraufhin die im Spruch genannten Gegenstände der Widerstandslosen mit Bereicherungsvorsatz wegnehme (US 5, 8). Damit wird bedingter Vorsatz konstatiert, weil der Angeklagte zum einen gewillt war, den Deliktserfolg hinzunehmen (Willenskomponente) und zum anderen die Wissenskomponente im Wollen des Täters denknotwendig mitenthalten ist (Kienapfel BT4 Z 15 Rz 2; Leukauf/Steininger Komm3 § 5 RN 1).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten fällt demnach in die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz (§ 285 i StPO).