OGH vom 23.05.1996, 8ObA2101/96w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Reg.Rat Theodor Kubak und Norbert Kunc als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arbeiterbetriebsrat ***** GmbH, vertreten durch den Betriebsratsvorsitzenden August F*****, ***** vertreten durch Dr.Aldo Frischenschlager und Dr.Dieter Gallistl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei T***** Touristik GmbH, ***** vertreten durch Dr.Georg Maxwald und Dr.Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 109/95-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 18 Cga 52/95b-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahren (darin S 676,48 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat die begehrte Feststellung, die Aliquotierung des Urlaubszuschusses für Zeiten nach Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruches sei unzulässig, zutreffend mit der Begründung abgewiesen, dem Kollektivvertrag (für die Bediensteten der Österreichischen Seilbahnen), insbesondere der Bestimmung über die Eintritts- und Austrittsaliquotierung, könne kein vom übrigen Entgeltanspruch unabhängiger Anspruch auf Sonderzahlungen entnommen werden. Es genügt somit auf die Richtigkeit dieser Entscheidungsbegründung zu verweisen (§ 48 ASGG).
Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:
Es stellt eine petitio principii dar, daß der Kollektivvertrag - anders als § 16 AngG - sowohl die Voraussetzungen als auch die Höhe des Urlaubszuschusses regle. Der Kollektivvertrag wiederholt lediglich die sich selbstverständlich aus der im Zweifel zu vermutenden Natur der Sonderzahlung als Entgelt ableitbare Regelung, daß bei unterjährigem Beginn oder Ende des Arbeitsverhältnisses die Sonderzahlung anteilig gebühre. Da vielfach Kollektivverträge lediglich feststellend die bestehende Rechtslage wiederholen (vgl 9 Ob A 96/94 = ARD 4579/8/94) eignet sich die Bestimmung über die Ein- und Austrittsaliquotierung nicht zum Umkehrschluß, daß in den übrigen Fällen (Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungs- anspruches nach dem EFZG bzw dem Kollektivvertrag, Ruhen des Entgeltanspruches gemäß § 4 Abs 4 EFZG, Zeiten fehlender Arbeitsbereitschaft im Sinne des § 1155 Abs 1 ABGB ua) ein vom Entgeltanspruch losgelöster Anspruch auf Sonderzahlungen bestehe (vgl 8 Ob A 289/95; 8 Ob A 2019/96 m; 9 Ob A 19/96; Adamovic, Die Novelle zum Urlaubsgesetz - eine Verwirrung ? RdW 1996, 118, bes 119; Schrank, Sonderzahlungen bei entgeltfreien Krankenständen, ecolex 1995, 193). Die Verweisung auf die Berechnungsgrundlage für die Sonderzahlungen, nämlich auf den Monatsbezug im Mai und November eines Jahres, verdrängt nicht die Aliquotierungsregel, die auch auf den Bestand eines Entgeltanspruches in den übrigen Monaten abstellt, wodurch ein sachgerechtes Ergebnis erzielt und das vom Revisionswerber gebrauchte argumentum ad absurdum widerlegt wird.
Bei Fehlen einer dem Kollektivvertrag erkennbar zu entnehmenden Absicht, den Sonderzahlungsanspruch an den Bestand des Arbeitsverhältnisses, losgelöst vom Entgeltanspruch zu knüpfen, besteht der Anspruch auf Urlaubszuschuß unabhängig von den jeweiligen Urlaubsgewohnheiten. Das Motiv für die Gewährung von Sonderzahlungen, nämlich der Zusammenhang mit Urlaubsverbrauch und dem Weihnachtsfest, ist im Lauf der Entwicklung des Arbeitsrechtes verloren gegangen (vgl 8 Ob A 289/95). Die jedenfalls eintretende Fälligkeit des Urlaubszuschusses am 1.Juni eines jedes Jahres unabhängig von den Urlaubsgewohnheiten des konkreten Arbeitnehmers und der von ihm mit dem Arbeitgeber zu treffenden Urlaubsvereinbarung zeigt, daß das Motiv, einen konkreten Urlaubsmehraufwand abzudecken, überholt ist. Dies wird besonders dadurch verdeutlicht, daß es unzulässig wäre, mit sämtlichen Arbeitnehmern im voraus einen Betriebsurlaub für den Monat Juni zu vereinbaren (EvBl 1989/150, 598 = Arb 10.782 = WBl 1990, 48 = ind 1892). Das Entstehen eines Sonderzahlungsanspruches erst nach einer Mindestzeit von 6 Monaten könnte allenfalls eine Wartezeitregelung (vgl § 2 UrlG aF) oder ein Relikt des Stichtagsprinzipes sein; dies steht aber einer Aliquotierung der Sonderzahlung nach Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruches nicht entgegen. Aus einer sechsmonatigen Wartezeit kann ein Argument im Sinne einer Betriebstreueprämie nicht dahin abgeleitet werden, der Sonderzahlungsanspruch bestehe unabhängig vom Entgeltanspruch auch bei Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Es ist nicht zu vermuten, daß Kollektivvertragspartner die Sonderzahlung als Prämie für das Fortbestehen eines Arbeitsverhältnisses, in dem nach Ausschöpfung des Entgeltfortzahlungsanspruches kein realer Leistungsaustausch mehr stattfindet, vorsehen, denn ein inhaltsleeres Arbeitsverhältnis als "nudum ius", soferne nicht ein Wiedereintritt nach Ende eines Karenzurlaubes im Sinne des § 15 MSchG bzw § 7 APSG zu erwarten ist, kann dem Arbeitnehmer keinen Schutz mehr bieten (vgl für die Interessenabwägung nach dem BehEinstG).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.