OGH vom 18.03.2016, 9ObA10/16k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Peter Schleinbach in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ing. M***** G*****, vertreten durch Held Berdnik Astner Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Weinrauch Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 19.000,45 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 58/15a 18, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 24 Cga 152/14h 13, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.189,44 EUR (darin 198,24 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger war von bis bei der Beklagten als Bauleiter beschäftigt. Sein Angestelltendienstvertrag vom enthielt die Klausel: „Gemäß § 47 Abs 1 des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes wird mit Wirkung ab (gemeint: 2003) anstelle der Abfertigungsregelungen des Angestelltengesetzes die Geltung der Bestimmungen des Betrieblichen Mitarbeitervorsorgegesetzes vereinbart. Ab dem Stichtag werden daher für die Dauer des Arbeitsverhältnisses Abfertigungsbeträge (MV Beträge) zur Veranlagung durch die ausgewählte MV-Kasse entrichtet.“
Entgegen dem Klagsstandpunkt waren die Vorinstanzen der Ansicht, dass die Klausel wirksam sei. Das Berufungsgericht ließ jedoch die Revision zur Frage der Möglichkeit einer Vereinbarung nach § 47 Abs 1 BMSVG schon bei Eintritt in das Arbeitsverhältnis und zu einer allfälligen Aufklärungspflicht über die Vor und Nachteile des Übertritts zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Zulassungsausspruch nicht zulässig. Die Begründung kann sich auf die Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1. Das am in Kraft getretene Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz (BMVG; idF des BGBl I 2007/102 nunmehr BMSVG) gilt für alle privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse, deren vertraglich vereinbarter Beginn nach dem liegt (§ 46 Abs 1 BMSVG). Für zum bestehende Arbeitsverhältnisse kann ab in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab einem zu vereinbarenden Stichtag für die weitere Dauer des Arbeitsverhältnisses die Geltung dieses Bundesgesetzes anstelle der Abfertigungsregelungen nach dem Angestelltengesetz festgelegt werden (§ 47 Abs 1 BMSVG).
2. Der Oberste Gerichtshof hielt bereits in der Entscheidung 8 ObA 31/08d zu einem Altvertrag mit am vereinbarter Geltung des BMVG zum Stichtag fest, daraus sei nicht ableitbar, dass derartige Vereinbarungen frühestens am wirksam getroffen werden konnten. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergebe sich lediglich, dass die Festlegung der Geltung des BMVG (BMSVG) für die weitere Dauer des Arbeitsverhältnisses erst ab erfolgen könne. Regelungszweck sei, dass auch der Übertritt in das System „Abfertigung neu“ erst ab einem Zeitpunkt gelten solle, zu dem auch neu begründete Arbeitsverhältnisse diesem Regime unterstellt würden. Auch unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien (RV 1131 BlgNR 21. GP, 59) wurde der von Teilen der Lehre vertretenen Auffassung, dass vor dem geschlossene Vereinbarungen allein deswegen als (absolut) nichtig zu qualifizieren seien, explizit nicht gefolgt (s RIS Justiz RS0123581).
3. Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall. Denn bestand schon von Gesetzes wegen die Möglichkeit, im Rahmen eines zum bereits bestehenden Vertrags die Geltung des BMSVG mit Wirksamkeit ab zu vereinbaren, und war es zulässig, im Rahmen eines „Altvertrages“ eine solche Vereinbarung bereits vor dem zu treffen (8 ObA 31/08d), so ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch bei einem vor dem neu abgeschlossenen Vertrag die Geltung des BMSVG ab wirksam vereinbart werden konnte (ohne diesbezügliche Differenzierung ebenso Lang in Drs , Abfertigungsrecht [2012], 71 mwN).
4. Soweit der Kläger meint, für die Wirksamkeit der Vereinbarung fehle es an einer vertraglichen Regelung der Behandlung der bis erworbenen Anwartschaften auf die Abfertigung alt (Einfrier oder Übertragungsvariante iSd § 47 Abs 2 bzw Abs 3 BMSVG), ist auf § 47 Abs 2 BMVG zu verweisen. Danach finden dann, wenn in der Vereinbarung keine Übertragung der Altabfertigungsanwartschaft nach § 47 Abs 3 leg cit festgelegt wird, schon von Gesetzes wegen auf die Altabfertigungsanwartschaft bis zum Stichtag weiterhin die Abfertigungsbestimmungen nach dem Angestelltengesetz mit der Maßgabe Anwendung, dass sich das Ausmaß der Abfertigung aus der Anzahl der zum Zeitpunkt des Stichtags fiktiv erworbenen Monatsentgelte ergibt (s dazu nur Mayr in Neumayr/Reissner , ZellKomm 2 BMSVG § 47 Rz 3 ff; ders in Mayr/Resch , BMSVG² § 47 Rz 4 ff). Der Kläger hatte aufgrund seiner knapp zweimonatigen Beschäftigung vor dem Stichtag aber keine im Sinn dieser Bestimmung berücksichtigungswürdige Abfertigungsanwartschaft erworben.
5. Ob der Arbeitgeber seine Verpflichtung zur umfassenden Aufklärung erfüllt hat, ist eine Frage des Einzelfalls und begründet im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0014811 [T12]; 9 ObA 10/13f ua). Das ist auch hier nicht der Fall:
Das BMSVG trat bereits am in Kraft (§ 46 Abs 1 BMSVG). Die Einführung der „Abfertigung neu“ war auch Gegenstand einer breiten Medienberichterstattung. Wenn die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund eine Verletzung der Aufklärungspflicht der Beklagten verneinten, weil der Kläger jene Klausel durchgelesen hatte, damit einverstanden war und sich ihm diesbezüglich keine weiteren Fragen gestellt hatten, so besteht auch in diesem Punkt kein Korrekturbedarf.
6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (s RIS Justiz RS0123861).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:009OBA00010.16K.0318.000