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OGH vom 10.12.2019, 11Os149/19z

OGH vom 10.12.2019, 11Os149/19z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jukic als Schriftführerin in der Strafsache gegen Wilhelmine D***** wegen des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, AZ 2 U 123/18g des Bezirksgerichts Urfahr, über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom , AZ 23 Bl 18/18p (ON 15 der U-Akten), erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, sowie des Privatbeteiligtenvertreters Mag. Aigner zu Recht erkannt:

Spruch

Der Beschluss des Landesgerichts Linz vom , AZ 23 Bl 18/18p, verletzt § 195 Abs 2 letzter Satz StPO und § 195 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 196 Abs 2 erster Satz StPO.

Der Beschluss wird aufgehoben.

Der Antrag der Privatbeteiligten Christine H***** auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens gegen Wilhelmine D***** wegen § 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB wird zurückgewiesen.

Der Privatbeteiligten wird die Bezahlung eines Pauschalkostenbetrags von 90 Euro aufgetragen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Wilhelmine D***** stand aufgrund einer von Christine H***** am erstatteten Anzeige im Verdacht, sie habe am den Gärtner Afrim K***** angewiesen, die Thujenhecke der H***** über die Grundstücksgrenze hinaus zurückzuschneiden, wodurch diese zerstört und durch die Tat ein Schaden in der Höhe von 10.724,66 Euro verursacht worden sei (ON 2 der Akten AZ 9 St 88/18m der Staatsanwaltschaft Linz).

Am stellte die Staatsanwaltschaft Linz das (wegen Verdachts eines als schwere Sachbeschädigung nach § 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB beurteilten Verhaltens) geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1 S 1) und begründete dies – auf Verlangen des Opfers (§ 194 Abs 2 zweiter Satz StPO; ON 3) – im Wesentlichen damit, dass „der Beschuldigten im Zweifel kein bedingter Beschädigungsvorsatz iSd § 125 StGB nachzuweisen“ sei (ON 4).

Mit Eingabe vom (ON 5) begehrte H***** die Fortführung des Ermittlungsverfahrens aus den Gründen des § 195 Abs 1 Z 1 und Z 3 StPO. Verbunden mit eigenen beweiswürdigenden Erwägungen behauptete sie eine unrichtige Gesetzesanwendung, weil der Vorsatz der Beschuldigten sich „nachweislich auf eine Sachbeschädigung im Sinn der § 125 f StGB“ erstreckt habe. Als „neue Beweismittel“ legte sie einen Kostenvoranschlag vom und Lichtbilder der geschnittenen Hecke vor.

Nach Zustellung einer (ablehnenden) Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 6), in welcher die Beurteilung bekräftigt wurde, dass ein Schuldnachweis zur subjektiven Tatseite nicht zu erbringen sei, erstattete die Fortführungswerberin eine Äußerung (nicht journalisiert in den Akten AZ 23 Bl 18/18p des Landesgerichts Linz). Darin brachte sie vor, aus den Lichtbildern ergebe sich, dass der Schnitt circa 40 cm über die Grundstücksgrenze vorgenommen und an der Hecke ein irreparabler Schaden verursacht worden sei. Ausführungen, inwiefern aus diesen Lichtbildern auf das Vorliegen eines zumindest bedingten Schädigungsvorsatzes zu schließen wäre, sind dem Vorbringen nicht zu entnehmen.

Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom , AZ 23 Bl 18/18p (ON 7), wurde die Fortführung des Strafverfahrens gegen die Beschuldigte ersichtlich aus dem – nicht ausdrücklich benannten – Grund des § 195 Abs 1 Z 2 StPO, jedoch ohne auf die als „neue Beweismittel“ im Sinne des § 195 Abs 1 Z 3 StPO vorgelegten Unterlagen einzugehen, aufgetragen.

In Stattgebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes hob der Oberste Gerichtshof mit Urteil vom , GZ 11 Os 151/18t-6, diesen Beschluss auf und trug dem Landesgericht Linz die neuerliche Entscheidung über den Antrag der H***** auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens gegen D***** wegen § 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB auf (ON 13).

Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung beantragte H***** am verbunden mit Ausführungen zu den vorgelegten Lichtbildern die ergänzende Vernehmung des Afrim K***** (ON 14).

Mit Beschluss vom gab das Landesgericht Linz, AZ 23 Bl 18/18p, dem Fortführungsantrag erneut Folge (ON 15). Zwar erachtete der Dreirichtersenat den Fortführungsantrag unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs „im Umfang des geltend gemachten Fortführungsgrundes nach § 195 Abs 1 Z 1 StPO“ als unzulässig. Bei einem auf § 195 Abs 1 Z 3 StPO gestützten Fortführungsantrag hätten jedoch die Ausführungen über den eingeschränkten Prüfungsmaßstab bei der Missbrauchskontrolle nach § 195 Abs 1 Z 1 und 2 StPO keine Bedeutung und sei das Gericht „zur Erforschung der materiellen Wahrheit (§ 3 Abs 1 StPO) verpflichtet“. Das Landesgericht Linz erblickte im vorgelegten Kostenvoranschlag (Blg ./A zu ON 5), obwohl dieser ohnehin bereits dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei angeschlossen war (ON 2 S 23 f), und den mit dem Fortführungsantrag übermittelten Lichtbildern der Hecke, die lediglich das bereits davor verbal beschriebene Ausmaß des unstrittigen Heckenschnitts wiedergeben (Blg ./B zu ON 5), neue Beweismittel. Weiters wurde ausdrücklich dem Beweisantrag auf ergänzende Vernehmung des K***** „Folge gegeben“ und ausgeführt, dieser werde im weiteren Verfahren als Zeuge zu mehreren im Schriftsatz angeführten Fragen zu vernehmen sein.

Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, verletzt der Beschluss des Landesgerichts Linz das Gesetz.

Gemäß § 195 Abs 1 StPO hat das Gericht auf Antrag des Opfers die Fortführung eines nach § 190 bis 192 StPO beendeten Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft anzuordnen, wenn das Gesetz verletzt oder unrichtig angewendet wurde (Z 1), erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Tatsachen bestehen, die der Entscheidung über die Beendigung zugrunde gelegt wurden (Z 2), oder neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die für sich allein oder im Zusammenhalt mit übrigen Verfahrensergebnissen geeignet erscheinen, den Sachverhalt soweit zu klären, dass nach dem 11. oder 12. Hauptstück vorgegangen werden kann (Z 3).

Gemäß § 195 Abs 2 StPO muss der Antrag oder die Äußerung (§ 196 Abs 1 StPO) die Gründe einzeln und bestimmt bezeichnen, aus denen die Verletzung oder unrichtige Anwendung des Gesetzes oder die erheblichen Bedenken abzuleiten sind. Werden neue Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht, so gilt § 55 Abs 1 StPO sinngemäß (§ 195 Abs 2 letzter Satz StPO).

Da der mit dem Fortführungsantrag vorgelegte Kostenvoranschlag (ON 5 S 3) bereits dem Abschlussbericht der Kriminalpolizei angeschlossen war (ON 2 S 23 f), scheidet dieser von vornherein als „neues“ Beweismittel aus (zu aktenkundigen Beweisen siehe auch Nordmeyer, WK-StPO § 196 Rz 21).

Auf beigebrachte neue Tatsachen und Beweismittel kann der Fortführungsantrag gestützt werden, wenn diesen die Eignung zur Änderung der Beweislage innewohnt und das Vorbringen in Bezug auf neue Tatsachen und Beweismittel sinngemäß den Anforderungen des § 55 Abs 1 StPO genügt (Nordmeyer, WK-StPO § 196 Rz 27), wobei der Fortführungswerber die Eignung der Neuerungen, die Beweislage entsprechend zu verändern, darzustellen hat (Nordmeyer, WK-StPO § 195 Rz 29), soweit sich die Relevanz nicht offensichtlich aus der angeführten Tatsache, dem Beweisthema oder der Art des Beweismittels ergibt.

Weshalb neben dem bereits im zur Anzeige erstatteten Abschlussbericht entsprechend verbal beschriebenen Zustand der Hecke (ON 2 S 3, 17, 21) die Lichtbilder der Hecke (ON 5 S 5 ff) der Sachverhaltsaufklärung dienende neue Tatsachen oder Beweismittel darstellen sollten, im Besonderen, weshalb aus den wenig aussagekräftigen Bildern auf die – einzig strittige – subjektive Tatseite der Beschuldigten zu schließen sei, legte der Fortführungsantrag nicht schlüssig dar (vgl RIS-Justiz RS0124908, RS0118444). Demnach bot das Vorbringen der Fortführungswerberin keinen Ansatz für die vom Gericht vorzunehmende Relevanzprüfung.

Mit dem allgemeinen Beschleunigungsgebot (§ 9 Abs 1 StPO) und dem Recht auf ein faires Verfahren (Art 6 EMRK) wäre es nicht vereinbar, müsste der Beschuldigte immer wieder mit einer auf neue belastende Umstände gestützten Verfolgung rechnen, obwohl diese bereits Gegenstand des Ermittlungsverfahrens hätten sein können (oder müssen; vgl auch § 195 Abs 2 erster Satz StPO). Macht der Privatbeteiligte daher von seinem Beweisantragsrecht im Ermittlungsverfahren nicht ausreichend Gebrauch, kann er später seinen Fortführungsantrag nicht auf Beweiserhebungen stützen, die er bereits früher hätte initiieren können (Nordmeyer, WK-StPO § 195 Rz 20).

Dementsprechend war es dem Landesgericht verwehrt, dem Antrag auf ergänzende Vernehmung des K***** „Folge“ zu geben und die Anordnung der Fortführung der Sache nach auch (arg „den beantragten Beweismitteln kommt die Eignung zu …“ [ON 15 S 3]) auf den Beweisantrag vom zu stützen.

Mangels gesetzmäßiger Geltendmachung des in § 195 Abs 1 Z 3 StPO genannten Grundes hätte das Landesgericht Linz dem Antrag auf Fortführung des Ermittlungsverfahrens nicht Folge geben dürfen; vielmehr hätte es diesen – da die Ausführungen zu Z 1 des § 195 Abs 1 StPO substratlose Rechtsbehauptungen darstellen (neuerlich Nordmeyer, WK-StPO § 195 Rz 29) – gemäß § 196 Abs 2 erster Satz StPO zurückzuweisen gehabt (zur irrigen Annahme einer aus § 3 Abs 1 StPO resultierenden Pflicht vgl 11 Os 82/18w, EvBl 2019/7, 39).

Die aufgetragene Fortführung des Ermittlungsverfahrens gereicht der Beschuldigten zum Nachteil (§ 292 letzter Satz StPO), weswegen sich der Oberste Gerichtshof veranlasst sah, wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 196 Abs 2 zweiter Satz StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00149.19Z.1210.000

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