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OGH 23.02.2006, 8Ob131/05f

OGH 23.02.2006, 8Ob131/05f

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** a.s., ***** vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl S***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Rainer Kornfeld, Rechtsanwalt in Wien, und dem Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei Dr. Helmar Feigl, Rechtsanwalt, Preinsberger Straße 5, 3300 Amstetten, als Masseverwalter im Konkurs der I***** GmbH, ***** wegen zuletzt 150.561,52 EUR sA (Rekursinteresse 123.262,38 EUR sA), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 64/05m-110, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Handelsgericht vom , GZ 6 Cg 148/99s-102, in seinem klagestattgebenden Teil aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Beklagte nahm als Frachtführerin Transportaufträge der Klägerin an, die Kaolin, einen Ausgangsrohstoff für Keramik, erzeugt und exportiert. Zur Durchführung dieser Aufträge an die in Italien ansässige Empfängerin bediente sich die Beklagte der nunmehr in Konkurs befindlichen I***** GmbH (deren Masseverwalter als Nebenintervenient beitrat) und einer weiteren Subfrächterin. Beim ersten und dritten Transport reinigten die Fahrer der jeweiligen Subfrächterin den Silowagen vor Beladung durch Auskehren und Auswaschen. Beim zweiten Transport erfolgte ein bloßes Auskehren des Silowagens vor dessen Beladung. Bei keinem der drei Transporte wurde der Auslaufhahn gereinigt. Auch eine Endkontrolle wurde nie durchgeführt.

Diese Reinigungsmaßnahmen entsprechen nicht dem technischen Standard. Es kam daher zu Rückständen von Polymergranulaten im Bereich der Auslaufhähne der Silowägen aus vorangehenden Transporten. Bei sämtlichen Transporten wären die Verunreinigungen bei ordnungsgemäßer, den Richtlinien und Anweisungen der Beklagten und dem technischen Stand entsprechender Reinigung mit nachfolgender Endkontrolle der Silos samt der Auslaufhähne aufgefallen und hätten leicht beseitigt werden können.

Durch die im Bereich der Auslaufhähne vorhandenen Rückstände kam es zu einer nicht homogenen Verunreinigung des danach eingefüllten Kaolins. Das Kaolin wurde bei allen drei Transporten derart verunreinigt, dass es zu Schäden im Bereich des Empfängers kam, nachdem dieser es in seinem Produktionsablauf einsetzte. Im ersten Rechtsgang wurden der Klägerin rechtskräftig 14.393,84 EUR sA zugesprochen (Rückersatz Transportkosten; Schäden am Transportgut).

Gegenstand des Rekursverfahrens ist nach rechtskräftiger Abweisung eines Teilbegehrens von 27.299,14 EUR sA durch das Erstgericht im zweiten Rechtsgang das Begehren auf Zahlung von 123.262,38 EUR für Mangelfolgeschäden, das die Klägerin auf grobe Fahrlässigkeit der Beklagten bzw ihrer Subfrächter im Sinne des Art 29 CMR stützte. Das Erstgericht gab diesem Zahlungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung Folge, hob das Ersturteil im Umfang der Klagestattgebung auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht. Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs mit der Begründung für zulässig, dass die Rechtsansicht, grobe Fahrlässigkeit liege vor, mit der erheblichen Rechtsfrage verbunden sei, ob auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ein mehrmaliger Verstoß gegen die dem Stand der Technik entsprechende Reinigung eines Silofahrzeuges grobe Fahrlässigkeit begründe und ob für den Sorgfaltsmaßstab auf den Ort der Beladung oder den Wohnsitzstaat der eingesetzten Frächter abzustellen sei.

Rechtlich ging das Berufungsgericht zusammengefasst davon aus, dass die unzureichende Reinigung des Transportfahrzeuges einen Fahrzeugmangel im Sinne des Art 17 Abs 3 CMR darstelle. Es sei zwar keine ausdrückliche Vereinbarung einer besonderen Reinigung getroffen worden. Die Beklagte sei aber auf dem Markt als Spezialistin für Silotransporte mit Iso-Zertifikation aufgetreten. Die Klägerin habe sich auf die Einhaltung einer dem Stand der Technik entsprechende Reinigung verlassen dürfen. Dabei komme es nicht auf die bei tschechischen oder slowakischen Frächtern übliche Reinigung an, sondern auf die objektiv erforderliche. Die mehrfache, ja geradezu planmäßige Missachtung der Richtlinien durch die Subfrächter stelle grobes Verschulden dar, weshalb die Beklagte grundsätzlich für die durch das verunreinigte Kaolin verursachten Folgeschäden hafte.

Allerdings sei das erstinstanzliche Verfahren ergänzungsbedürftig:

Insbesondere zur Ermittlung der Schadenshöhe müssten bisher unterlassene, von der Beklagten beantragte und relevante Beweise aufgenommen werden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Beklagten erhobene Rekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes unzulässig:

Auch die Beklagte bezweifelt nicht ernstlich, dass die Übernahme eines Auftrages zur Beladung und zum Transport von Kaolin in Silowägen auch ohne ausdrückliche Vereinbarung einer bestimmten Reinigungsart die Verpflichtung beinhaltet, dass gereinigte und von jeglichen Resten aus Vortransporten befreite Silofahrzeuge zur Beladung bereit gestellt werden.

Ob aber die Verletzung dieser Reinigungspflicht nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls den Vorwurf grober Fahrlässigkeit im Sinne des Art 29 CMR begründet, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (so ausdrücklich zu § 29 Abs 1 CMR 7 Ob 145/98v; 7 Ob 184/01m). Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichtes ist nicht ersichtlich:

Dabei ist hervorzuheben, dass es hier gerade nicht darum geht, ob das Auskehren bzw Auswaschen der Silowägen ausreicht, grobe Fahrlässigkeit zu verneinen: Vielmehr steht fest, dass die Schäden dadurch auftraten, dass die Auslaufhähne überhaupt nicht gereinigt wurden. Die Beurteilung aber, dass die gänzliche Unterlassung einer gebotenen Reinigung der Auslaufhähne grobe Fahrlässigkeit begründet, ist zumindest vertretbar. Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall auch von dem der Entscheidung 1 Ob 204/00g zugrunde liegenden Sachverhalt: Dort wurde die grobe Fahrlässigkeit wegen Unterlassung einer durchaus möglichen gründlichen Reinigung in Verbindung mit der ausdrücklichen Vereinbarung über die Beistellung von Silofahrzeugen in gereinigtem Zustand als grobe Fahrlässigkeit beurteilt. Im Unterschied zu dem dort behandelten Fall ist aber hier nicht eine bloß unzulängliche Reinigung der Transportfahrzeuge zu beurteilen, sondern ein gänzliches Unterbleiben der Reinigung der Auslaufhähne, wobei gerade diese Unterlassung den Schaden verursachte.

Dass gemäß Art 30 Abs 1 CMR bei Fehlen eines wirksamen Vorbehaltes nur die widerlegliche Vermutung besteht, dass die Empfängerin das Gut in dem im Frachtbrief beschriebenen Zustand erhalten hat, dass aber diese Vermutung - wie es hier geschah - von der Geschädigten widerlegt werden kann, ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Art 30 Abs 1 CMR (siehe dazu auch 1 Ob 204/00g).

Der auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigende Rekurs der Beklagten war daher zurückzuweisen. Auch dann, wenn der zugelassene Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss mangels Vorliegens einer Rechtsfrage erheblicher Bedeutung zurückgewiesen wurde und der Gegner in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, ist die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung der Endentscheidung vorzubehalten (zum Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss ausdrücklich 8 Ob 78/04k).

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
Schlagworte
Kennung XPUBL - XBEITR
Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in
Platte, ecolex 2008,225
XPUBLEND
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2006:0080OB00131.05F.0223.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
FAAAD-91695