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OGH vom 17.03.2005, 8Ob131/04d

OGH vom 17.03.2005, 8Ob131/04d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** AG, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Tautschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Dr. Alfred Köhler, Rechtsanwalt, Wilhelm Straße 42, D-65582 Diez, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der P***** GmbH, *****, vertreten durch Safron Großmann Wagner Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen Feststellung einer Konkursforderung (EUR 155.151,17 sA), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 136/04s-35, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte von der beklagten Partei P***** GmbH (der nunmehrigen Gemeinschuldnerin) aus Lieferung von Zirkonoxid und Yttriomoxid EUR 125.000,-- und aus einem Konsignationsvertrag EUR 30.151,17 insgesamt daher EUR 155.151,17 sA unter Berufung auf eine, zwischen den Streitteilen geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung. Die Beklagte wendete mangelnde inländische Gerichtsbarkeit und örtliche Unzuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt ein und machte bis zur Höhe des Klagsbetrages eine Gegenforderung aufrechungsweise geltend.

Mit Beschluss und Urteil vom verwarf das Erstgericht die Einreden der Beklagten erkannte das Klagebegehren als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte die Beklagte zur Bezahlung des Klagsbetrages sA und Kosten.

Mit Beschluss vom gab das Oberlandesgerichtes Graz der von der Beklagten erhobenen Berufung (und erkennbar auch dem Rekurs) Folge, hob die erstinstanzlichen Entscheidungen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung (auch über die Prozesseinreden) nach Verfahrensergänzung auf.

Mit Beschluss des Amtsgerichtes Montabauer vom wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und der nunmehrige Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Über Antrag des Gemeinschuldners fasste das Erstgericht am den Beschluss auf Unterbrechung des Verfahrens.

Mit Beschluss vom , 29 Cg 177/02a-29, wies das Erstgericht (nach Berichtigung der Bezeichnung der Beklagten auf den Konkursverwalter) den Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des Verfahrens zurück. Seine sachliche und örtliche Zuständigkeit sei nicht mehr gegeben. Gemäß § 221 Abs 1 KO gelte für Insolvenzverfahren das Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet werde. Aus Abs 2 Z 6 dieser Bestimmung gehe hervor, dass sich insbesondere die Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung richteten. Daraus folge, dass die nunmehrige Feststellungsklage nicht mehr vor dem Landesgericht Klagenfurt, sondern dem sachlich und örtlich in der Bundesrepublik Deutschland zuständigen Gericht zu führen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Rekursgericht dem Rekurs dahin Folge, das es den erstgerichtlichen Beschluss in Ansehung der Zurückweisung des Fortsetzungsantrages behob und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auftrug. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es nicht zu.

Nach Art 15 der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO) gelte für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem der Rechtsstreit anhängig sei. Unstrittig handle es sich dabei um eine verfahrensrechtliche Kollisionsnorm. Darüber, ob es zu einer Unterbrechung bzw Fortführung des fraglichen Rechtsstreites komme, entscheide allein das Verfahrensrecht des Staates, in dem der Rechtsstreit zur Zeit der Verfahrenseröffnung (Insolvenz) anhängig gewesen sei. Die Frage ob es sich bei diesem Erkenntnisverfahren um einen „Rechtsstreit" im Sinn der genannten Bestimmung handle, sowie ob dieser „anhängig" sei, entscheide weder das Insolvenzstatut (deutsches Recht) noch das Prozessstatut (österreichisches Recht); vielmehr seien die Kriterien gemeinschaftsweit einheitlich mit Hilfe der autonomen Auslegung zu ermitteln.

Art 15 EuInsVO gelte nur für anhängige Rechtsstreite „über Gegenstände oder Rechte der Masse". Für die Ermittlung der Massezugehörigkeit sei die lex fori concursus (deutsches Recht) maßgeblich. Daran ändere auch der in Art 15 EuInsVO festgelegte Ausschließlichkeitsausspruch zu Gunsten des Prozessstatuts nichts.

Von einer Massezugehörigkeit sei hier auszugehen. Die Auswirkungen der Insolvenz auf den anhängigen Rechtsstreit bestimmten sich ausschließlich nach der lex fori processus, somit nach österreichischem Recht.

Gemäß § 221 Abs 2 Z 6 KO richte sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger zwar nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung, ausgenommen seien jedoch die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten gemäß § 231 KO. Nach dieser Bestimmung sei für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über eine Sache oder ein Recht der Masse das Recht des Staates maßgebend, in dem der Rechtsstreit anhängig sei. § 231 KO entspreche somit Art 15 EuInsVO.

Nach § 7 Abs 3 KO könne das Verfahren bei Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche, die der Anmeldung im Konkurs unterliegen, vor Abschluss der Prüfungstagsatzung nicht aufgenommen werden. Hier sei die von der Klägerin im Insolvenzverfahren der Gemeinschuldnerin angemeldete Forderung bestritten worden, sodass gemäß § 7 Abs 2 KO das Verfahren von der Klägerin aufgenommen werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des beklagten Konkursverwalters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss „aufzuheben bzw dahin abzuändern", dass dem Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des gegenständlichen Verfahrens nicht Folge gegeben werde bzw die mangelnde inländische Gerichtsbarkeit bzw internationale Zuständigkeit ausgesprochen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Überdies regt der Rechtsmittelwerber an, den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Der Rechtsmittelwerber beruft sich zur Zulässigkeit seines außerordentlichen Rekurses erkennbar darauf, dass zu §§ 221 ff KO, sowie Art 3 und 15 EuInsVO, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht vorliege. Soweit die Entscheidung 3 R 151/03b des Obersten Gerichtshofes (gemeint wohl: des Oberlandesgerichtes Wien) vom auf den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt analog zur Anwendung gebracht werden könne, würde sich daraus ergeben, dass der bekämpfte Beschluss rechtlich unrichtig beurteilt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, da eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Art 3 und 15 EuInsVO nicht vorliegt, er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes dass auf den vorliegenden Fall Art 15 EuInsVO anzuwenden ist, wonach für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist, gilt, ist nicht zu beanstanden:

Im Bezug auf die Wirkungen eines Insolvenzverfahrens auf anhängige Rechtsstreitigkeiten, die einen Bezug zu Gegenständen oder Rechten der Masse aufweisen, gilt gemäß Art 15 EuInsVO ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem das jeweilige Verfahren anhängig ist (H.-C. Duursma-Kepplinger, D. Duursma, E. Chalupsky, Komm zur Europäischen Insolvenzverordnung Art 15 Rz 3 mwN). Darüber ob es zu einer Aussetzung/Unterbrechung bzw Fortführung/Wiederaufnahme der fraglichen Rechtsstreitigkeiten kommt, sowie über die Form ihrer etwaigen Fortsetzung und über die prozessualen Änderungen entscheidet allein das (Verfahrens-)Recht des Staates, in dem der Rechtsstreit zur Zeit der Verfahrenseröffnung anhängig war (Duursma-Kepplinger ua aaO Rz 4 mwH; M. Morscher, Die Europäische Insolvenzverordnung S 45; auch jüngst 9 Ob 135/04z).

Der vom Rechtsmittelwerber zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien liegt ein völlig anders gelagerter Sachverhalt, nämlich die rund 8 Monate nach der Konkurseröffnung über ein Unternehmen in Deutschland vom Insolvenzverwalter bei einem österreichischen Gericht eingebrachte Mahnklage zugrunde. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch ausschließlich die Frage nach der Unterbrechung, bzw Fortsetzung eines bereits längere Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das beklagte deutsche Unternehmen, bei einem österreichischen Gericht anhängigen Rechtsstreits.

Soweit der Rechtsmittelwerber damit argumentiert, dass der Entscheidung des Rekursgerichtes eine „verfehlte Interpretation" der Bestimmung des § 231 KO sowie des Art 15 EuInsVO zugrundeliege, ist ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Offensichtlich geht der Rechtsmittelwerber selbst von einer unrichtigen Auslegung des in Art 15 EuInsVO verwendeten Begriffes „anhängiger Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse" aus, indem er die Auffassung vertritt, dass ein Feststellungsanspruch eines (Konkurs-)Gläubigers nicht als „Sache oder Recht der Masse" angesehen werden könne.

Die Bestimmung der Massegegenstände richtet sich gemäß Art 4 Abs 2 lit b EuInsVO nach der lex fori concursus. Das jeweilige Insolvenzstatut gibt danach vor, welche Vermögensgegenstände in die Insolvenzmasse fallen und welche nicht. Im Verhältnis Österreich-Deutschland kommt es in diesem Bereich seit Inkrafttreten der EuInsVO zu keinen bemerkenswerten Unterschieden (Duursma-Kepplinger ua aaO Art 4 Rz 14). Im Sinn des Art 15 EuInsVO unproblematisch sind jene Fälle, in denen es sich um ein Erkenntnisverfahren handelt, das sich auf einen Gegenstand, dessen Massezugehörigkeit selbst außer Zweifel steht, bezieht (Duursma-Kepplinger aaO Art 15 Rz 10). Der Rechtsmittelwerber unterliegt offenbar dem Irrtum, dass als „Gegenstände oder Rechte der Masse" Masseforderungen gemäß § 46 der Konkursordnung anzusehen sind. Tatsächlich betrifft diese Formulierung jedoch alle in die Konkursmasse fallenden Rechte und Verbindlichkeiten. Weshalb die gegenständliche von der klagenden Partei gegen die Gemeinschuldnerin behauptete und auch im Konkurs angemeldete Forderung aus Lieferungen im Rahmen einer Geschäftsbeziehung, nicht der (Konkurs-)Masse zugehörig sein soll, vermag das Rechtsmittel nicht aufzuzeigen. Als Verfahren, die die Insolvenzmasse betreffen, gelten insbesondere Prozesse über Masseaktiva, Aus- oder Absonderungsansprüche, Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen (Schumacher in Kirchhof-Lwowski-Stürmer Insolvenzordnung, vor §§ 85 bis 87, Rz 22).

Nicht die Masse betreffen Verfahren, wenn sie das insolvenzfreie Vermögen des Schuldners zum Gegenstand haben (zB unpfändbarer Teil des Arbeitseinkommens), Streitigkeiten nicht vermögensrechtlicher Art oder Prozesse, in denen der Schuldner auf höchstpersönliche Leistungen in Anspruch genommen wird (Schumacher aaO Rz 24).

Die Insolvenzmasse muss vom Verfahren betroffen sein, sei es, dass ein der Masse zustehendes Recht geltend gemacht wird, sei es, dass die Masse in Anspruch genommen wird (Obermüller/Hess Insolvenzordnung Rz 219). Es kann aber schon auf Grund der Anmeldung der verfahrensgegenständlichen Forderung im Insolvenzverfahren der Beklagten nicht zweifelhaft sein, dass es sich um einen Anspruch gegen die Masse handelt.

Angesichts der klaren Fassung des Art 15 EuInsVO sieht sich der Oberste Gerichtshof auch nicht veranlasst, der Anregung auf Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH zu folgen.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.