OGH vom 24.03.2014, 8Ob130/13w

OGH vom 24.03.2014, 8Ob130/13w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Ing. A***** P*****, vertreten durch Ganzert Partner Rechtsanwälte OG in Wels, gegen die Antragsgegnerin A***** P*****, vertreten durch Dr. Lindmayr, Dr. Bauer, Dr. Secklehner Rechtsanwalts OG in Liezen, wegen Zustimmung zu einer Baumaßnahme, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom , GZ 1 R 61/13g 13, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Irdning vom , GZ 1 Nc 49/12p 8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 744,43 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 124,07 EUR USt) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Antragsteller ist zu 2550/10000 Anteilen Miteigentümer einer als Alm landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft, die anderen 7450/10000 Anteile stehen im Eigentum der Antragsgegnerin. Aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom kommt dem Antragsteller die ausschließliche Nutzung des auf dem Grundstück errichteten, hier verfahrensgegenständlichen Heustadls und zweier weiterer Gebäude zu.

Nachdem der als landwirtschaftlicher Lagerraum genutzte hölzerne Heustadl über den Winter 2010/11 baufällig geworden war und bereits Einsturzgefahr bestand, ließ ihn der Antragsteller abreißen; kurz danach begann er mit dem Neubau einer Holzhütte auf dem selben Standort. Das neue Gebäude weist im Unterschied zum alten eine betonierte Fundamentplatte anstelle von Punktfundamenten auf, gegen die Böschung hin wurden Mauerteile errichtet, die jedoch nach Hinterfüllung mit Erdreich nicht mehr von außen sichtbar sein werden. Ansonsten entspricht der Neubau in Größe, Stil, Konstruktion und Verwendungszweck dem alten, abgerissenen Heustadl.

Der Antragsteller begehrte, die Antragsgegnerin zur Einwilligung in die Errichtung eines Landwirtschaftsgebäudes im Ausmaß von 12,4 x 4,77 Metern gemäß Einreichplan und Baubeschreibung zu verpflichten, „womit die Zustimmungserklärung gemäß § 22 Abs 2 Z 2 Stmk BauG abgegeben wird und die Unterschriften gemäß § 23 Abs 4 Stmk BauG auf Einreichplan und Baubeschreibung als ersetzt gelten“.

Die Antragsgegnerin wandte ein, das Gebäude sei konsenswidrig errichtet worden, weshalb die Baubehörde bereits seine Entfernung angeordnet habe. Eine nachträgliche rechtliche Sanierung mit Hilfe des begehrten Sachbeschlusses sei nicht möglich. Ein teilmassives Gebäude an Stelle der abgerissenen Holzhütte werde für den Nebenerwerbsbetrieb des Antragstellers auch nicht benötigt.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die Wiedererrichtung eines wegen Baufälligkeit abgerissenen Gebäudes in annähernd gleichartiger Ausführung sei als Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung im Sinne des § 834 ABGB zu werten. In diesen Angelegenheiten könne die Minderheit der Miteigentümer Maßnahmen, die die Mehrheit ablehnt, nicht erzwingen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers Folge und änderte die angefochtene Entscheidung im stattgebenden Sinn ab. Die Rechtsansicht des Erstgerichts entspreche zwar der herrschenden Lehre und Rechtsprechung, führe aber im konkreten Fall zu einem völlig unbilligen Ergebnis, weshalb eine differenziertere Betrachtung geboten sei.

Der Antragsteller habe aufgrund der geltenden Benützungsvereinbarung auch das Recht zu physischen Veränderungen des Gebäudes, solange damit nicht in die Rechtssphäre der Miteigentümerin eingegriffen und deren wichtige Interessen nicht berührt würden. Er müsse darum auch die Möglichkeit haben, die zur behördlichen Bewilligung und Durchführung solcherart berechtigter Baumaßnahmen erforderliche Zustimmung der Antragsgegnerin ersetzen zu lassen. Nach § 838a ABGB sei über einen Anspruch des Miteigentümers im Außerstreitverfahren zu entscheiden, auch wenn sich die in Anspruch genommene Berechtigung aus einer obligatorischen Benützungsvereinbarung ergebe.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage vorliege, ob ein Antragsrecht nach § 835 ABGB auch zur Bewilligung von Verwaltungshandlungen an Objekten zustehe, die einem Minderheitseigentümer zur alleinigen Nutzung überlassen wurden.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsteller beantwortete Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, unzulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG betroffen ist.

Die Streitteile haben als Miteigentümer der Almliegenschaft eine Benützungsvereinbarung geschlossen, die dem Antragsteller (unter anderem) das Recht zur alleinigen Nutzung des alten Heustadels für Zwecke seines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs einräumte.

Eine Benützungsvereinbarung bewirkt die Umgestaltung allgemeiner Gebrauchsbefugnisse eines Miteigentümers in Sondernutzungsrechte an bestimmten Sachteilen (5 Ob 3/95; 5 Ob 174/02b; 5 Ob 40/12m jeweils mwN). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits wiederholt ausgesprochen (5 Ob 174/02b; 5 Ob 40/12m, immolex LS 2012/86-88 = EvBl LS 2012/168 = bbl 2013/27; 5 Ob 7/13k), dass einem Miteigentümer, dem der physische Besitz eines Teils der Liegenschaft zur alleinigen Nutzung überlassen wurde, die ausschließliche rechtliche Verfügungsgewalt über diesen Teil zukommt.

Das alleinige Nutzungsrecht umfasst unter gewissen Voraussetzungen auch das Recht zur physischen Veränderung (6 Ob 63/98b; 5 Ob 174/02b). Dem steht § 828 ABGB, wonach kein Teilhaber einer gemeinsamen Sache bei Uneinigkeit der Miteigentümer Veränderungen vornehmen darf, nur dann entgegen, wenn durch eine Widmungsänderung oder einen Eingriff in die Substanz in die Rechtssphäre der übrigen Teilhaber eingegriffen und deren wichtige Interessen berührt werden (RIS Justiz RS0013205; 1 Ob 47/04z; 6 Ob 63/98b; Gamerith in Rummel , ABGB³ § 828 Rz 4; Gruber/Sprohar-Heimlich in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 829 Rz 9).

Substanzveränderungen können insbesondere in Baumaßnahmen liegen, die ohne Einstimmigkeit nur dann unzulässig sind, wenn sie zwar die den einzelnen Teilhabern zur Sondernutzung zugewiesenen Teile des Gemeinschaftsguts betreffen, aber in die Rechtssphäre der Übrigen durch eine Berührung deren wichtigen Interessen eingreifen würden (6 Ob 63/98b; 5 Ob 174/02b; 1 Ob 47/04z ua).

Von diesen Grundsätzen ist das Rekursgericht nicht abgewichen.

Es entspricht zunächst dem wohlverstandenen Sinn der zwischen den Streitteilen bestehenden Benützungsregelung, dass der Antragsteller allein berechtigt und auch verpflichtet ist, notwendige Erhaltungsreparaturen an den ihm zur Nutzung zugewiesenen Gebäuden vorzunehmen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass bei Gefahr im Verzug von dieser Vereinbarung auch das Recht zum Ersatz einer irreparabel baufällig gewordenen, vom Einsturz bedrohten Substanz durch einen gleichartigen Neubau umfasst sein kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Korrektur.

Die zu beurteilende Neuerrichtung des Heustadels wäre damit nur dann ohne Einstimmigkeit unzulässig, wenn sie wichtige, schutzwürdige Interessen der anderen Miteigentümerin berühren würde. Diese Voraussetzung kann aber immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und begründet nur bei einer krassen, im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG.

Das Ergebnis des Rekursgerichts, das im Anlassfall keine wichtigen Interessen der Antragsgegnerin am Unterbleiben der Baumaßnahme erblicken konnte, weil die gemeinsame Almliegenschaft durch den Neubau in standfester Ausführung nicht beeinträchtigt, sondern eher aufgewertet wurde, Ausmaße und äußeres Erscheinungsbild des Stadels erhalten geblieben sind und der Antragsteller sämtliche Kosten selbst getragen hat, kann zumindest nicht als unvertretbar beurteilt werden.

Der Umstand, dass der Antragsteller nur Minderheitseigentümer ist, wogegen das Gericht nach § 835 ABGB von den Miteigentümern nur zur Entscheidung über die Durchführung einer von der Mehrheit beschlossenen Maßnahme der außerordentlichen Verwaltung des gemeinsamen Gutes angerufen werden kann (stR, RIS Justiz RS0117159; ua Egglmeier Schmolke in Schwimann [Hrsg], ABGB TaKomm § 834 Rz 5 mwN; RIS Justiz RS0013692), stand der Entscheidung des Rekursgerichts hier nicht entgegen. Der zu beurteilende Antrag zielt in Wahrheit nicht auf die Entscheidung über einen Miteigentümerbeschluss ab, sondern hat einen Anspruch aus der zwischen den Streitteilen geschlossenen Benützungsregelung zum Gegenstand. Zu diesem Begehren ist auch ein Minderheitseigentümer legitimiert. Nach § 838a ABGB sind Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinsamen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten ganz allgemein im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden, auch, wenn der Auseinandersetzung eine Vereinbarung der Miteigentümer zugrunde liegt (RIS Justiz RS0013563 [T15]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 Abs 2 AußStrG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, seine Gegenschrift diente daher der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00130.13W.0324.000