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OGH vom 27.06.2013, 8Ob130/12v

OGH vom 27.06.2013, 8Ob130/12v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Z***** K*****, und 2. B***** K*****, beide vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** B*****, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Kafka, Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1. Feststellung (Streitwert: 1.500 EUR) und 2. Kosten, über die Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 18 R 57/12d 42, mit dem über Berufungen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom , GZ 3 C 2520/10m, 3 C 2519/10i 33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die zur Revision der Nebenintervenientin erstattete Revisionsbeantwortung des Zweitklägers wird zurückgewiesen.

2. Den Revisionen der beklagten Partei und der Nebenintervenientin wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei die mit 370,28 EUR (darin enthalten 61,71 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger ist seit Mieter der Wohnung Nr 9 im Haus ***** in N*****. Dieses Haus wurde im September 2009 von der Nebenintervenientin gekauft, die es wiederum im Dezember 2009 an den Beklagten verkaufte. Das Mietverhältnis unterliegt unstrittig dem MRG.

Der Erstkläger hatte nach dem unbefristeten Hauptmietvertrag vom für die von ihm unmöbliert angemietete Wohnung einen monatlichen Mietzins zu zahlen, der zuletzt im September 2009 225,70 EUR brutto betrug. Er war aufgrund des Mietvertrags verpflichtet, die Haus und Gehsteigreinigung gemeinsam mit den übrigen Mietern durchzuführen.

Nach Erwerb des Hauses durch die Nebenintervenientin im Jahr 2009, suchten deren Geschäftsführer den Erstkläger auf und es kam zu zwei Gesprächen in dessen Wohnung. Die Geschäftsführer der Nebenintervenientin teilten dem Erstkläger mit, dass das Haus verkauft worden sei und der alte Mietvertrag keine Gültigkeit mehr habe. Der Erstkläger müsse einen neuen Mietvertrag abschließen, wodurch sich aber für ihn mit Ausnahme des Namens des neuen Hauseigentümers nichts ändere. Dem Erstkläger wurde erklärt, dass er ausziehen müsse, wenn er den Vertrag nicht unterschreibe. Weder wurde über die Höhe der neuen Miete, noch über eine Möbelmiete, eine Kaution oder Betriebskosten gesprochen. Dem Erstkläger wurde lediglich erklärt, er müsse den neuen Mietvertrag unterschreiben. Ihm wurden mit dem Hinweis, es würde sich „ohnedies nichts ändern“, Formulare zur Unterfertigung vorgelegt.

Daraufhin unterfertigte der Erstkläger zunächst eine Vereinbarung einer einvernehmlichen Auflösung seines Mietvertrags. In weiterer Folge vereinbarte er den Abschluss eines neuen Mietvertrags über die bereits bisher von ihm bewohnte Wohnung mit der Nebenintervenientin. Der Erstkläger spricht nur schlecht deutsch, er hat den Vertrag, der ihm vorgelesen wurde, unterschrieben, jedoch nicht verstanden.

Der neue Mietvertrag des Erstklägers sollte am beginnen. Der Mietzins betrug nach diesem Vertrag ab Oktober 2009 einschließlich Betriebskosten monatlich 293,83 EUR brutto, er erhöhte sich ab März 2010 auf 320,45 EUR. Im Vertrag scheint ein Entgelt für mitvermietete Einrichtungsgegenstände und sonstige Leistungen in Höhe von 20 EUR monatlich auf. Der Erstkläger verpflichtete sich, eine Kaution von 300 EUR bei Vertragsunterfertigung zu übergeben. Er erkannte die Angemessenheit des vereinbarten Bestandzinses an. Mit der Reinigung der Allgemeinflächen sollte ein Reinigungsunternehmen betraut werden.

Eine Belehrung des Erstklägers über das Rücktrittsrecht nach dem KSchG erfolgte weder schriftlich noch mündlich.

Nach Einholung einer Rechtsauskunft erklärte der Erstkläger mit Schreiben vom an den Beklagten und vom an die Nebenintervenientin, gemäß § 3 KSchG von der Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung des bisherigen Mietvertrags und dem Abschluss des neuen Mietvertrags zurückzutreten. Der Beklagte bestritt die Wirksamkeit dieser Erklärungen.

Der Erstkläger begehrt die Feststellung, dass er Hauptmieter der von ihm gemieteten Wohnung auf Grundlage des Hauptmietvertrags vom sei. Er brachte zusammengefasst vor, dass die Nebenintervenientin ebenso wie der Beklagte Unternehmer seien. Bei den im Oktober 2009 abgeschlossenen Vereinbarungen handle es sich um ein Verbrauchergeschäft iSd § 1 KSchG. Der Erstkläger habe gemäß § 3 KSchG wirksam seinen Rücktritt von der für ihn nachteiligen Auflösungserklärung und dem Abschluss eines neuen Mietvertrags im Oktober 2009 erklärt. Eine Belehrung über das Rücktrittsrecht habe nicht stattgefunden, sodass die Erklärung auch fristgerecht erfolgt sei. Da der Beklagte die Wirksamkeit dieser Rücktrittserklärung bestreite, habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung.

Der Zweitkläger , der ebenfalls seit Hauptmieter einer Wohnung im Haus des Beklagten war und ursprünglich ein vergleichbares Feststellungsbegehren erhoben hatte, beendete nach Einbringung dieser Klage den Mietvertrag über die von ihm gemietete Wohnung durch gerichtliche Aufkündigung zum und schränkte das Klagebegehren in der Verhandlung vom (ON 31) auf Kosten ein.

Der Beklagte und die Nebenintervenientin bestritten, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, die Passivlegitimation des Beklagten, weil die hier in Rede stehenden Vereinbarungen nicht mit diesem, sondern mit der Nebenintervenientin abgeschlossen worden seien. Das Rücktrittsrecht gemäß § 3 KSchG sei ausgeschlossen, weil für Bestandverträge die Sondernorm des § 30a KSchG anzuwenden sei. Darüber hinaus sei nur der bisher bestehende Bestandvertrag konkretisiert, nicht aber ein neuer Mietvertrag abgeschlossen worden, sodass es auch daher an den Voraussetzungen für die Ausübung eines Rücktrittsrechts nach § 3 KSchG fehle. Der schon vorher vereinbarte Mietzins sei nicht erhöht worden, es sei lediglich klargestellt worden, dass darin eine Möbelmiete enthalten sei. Nur die Betriebskosten seien angepasst und zulässigerweise eine Kaution verlangt worden. Der Erstkläger sei nicht überrumpelt worden, es habe mehrere Gespräche gegeben, er sei über das Rücktrittsrecht gemäß § 3 KSchG belehrt worden.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren des Erstklägers und dem Kostenerstattungsbegehren des Zweitklägers statt. Sowohl der Nebenintervenientin als auch dem Beklagten komme Unternehmereigenschaft zu. § 3 KSchG sei auf jede Art von Verbraucherverträgen, und daher auch auf Mietverträge anwendbar. Der Beklagte sei als nunmehriger Eigentümer der Liegenschaft passiv legitimiert. Die Kläger seien über das Rücktrittsrecht gemäß § 3 KSchG nicht belehrt worden. Sie hätten daher den Rücktritt von der Auflösungsvereinbarung und dem Abschluss eines neuen Mietvertrags nach dieser Bestimmung wirksam erklärt.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Nebenintervenientin wegen Nichtigkeit und gab im Übrigen den Berufungen des Beklagten und der Nebenintervenientin gegen das den Erstkläger betreffende Urteil des Erstgerichts nicht Folge. Mit einem in seine Entscheidung aufgenommenen Beschluss gab es im Rahmen einer Maßgabebestätigung dem gegen die Kostenentscheidung des Erstgerichts hinsichtlich beider Kläger erhobenen Rekurs des Beklagten nicht Folge. Auf das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG könnten sich die Kläger nicht berufen. Die Mietverträge beider Kläger fielen gemäß Art 3 Abs 2 lit a der RL 85/577/EWG des Rates vom betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumlichkeiten geschlossenen Verträgen („Haustürgeschäfte RL“) nicht in den Anwendungsbereich dieser RL. Daher komme § 3 Abs 1 letzter Satz KSchG im Weg der Analogie zur Anwendung, sodass das Rücktrittsrecht der Kläger einen Monat nach Abschluss der Vereinbarung und damit vor Abgabe der Rücktrittserklärungen der Kläger erloschen gewesen sei. Allerdings hätten sich die Kläger bei Unterfertigung der Auflösungserklärung und Abschluss des neuen Mietvertrags in einem von den Vertretern der Nebenintervenientin veranlassten Geschäftsirrtum befunden, der sie zur Anfechtung dieser Vereinbarungen berechtige. Die Anfechtung könne sich auch gegen den Beklagten, der gemäß § 2 Abs 1 MRG Rechtsnachfolger der Nebenintervenientin als Vermieter sei, richten. Das Feststellungsinteresse der Kläger sei zu bejahen, weil gerade im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses das Bedürfnis bestehe, dass grundsätzliche, für dieses Rechtsverhältnis maßgebliche Rechtsfragen mit bindender Wirkung für die Zukunft geklärt würden.

Das Berufungsgericht begründete seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision unter anderem damit, dass Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 3 KSchG auf Mietverträge fehle.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die vom Erstkläger beantwortete Revision des Beklagten und die von beiden Klägern beantwortete Revision der Nebenintervenientin.

Die gegen die Revision der Nebenintervenientin erstattete Revisionsbeantwortung des Zweitklägers ist unzulässig, weil der den Zweitkläger betreffende Beschluss des Berufungsgerichts über die Kosten des Verfahrens in Rechtskraft erwachsen ist, sodass der Zweitkläger nicht mehr Partei des Revisionsverfahrens ist.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind zulässig, weil die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts einer Korrektur bedarf, sie sind aber nicht berechtigt.

Die Revisionen des Beklagten und der Nebenintervenientin werden aus Gründen der Zweckmäßigkeit gemeinsam behandelt.

1.1 Das KSchG findet auch auf Bestandverträge Anwendung, sofern einander ein Unternehmer und ein Verbraucher gegenüberstehen. Dass dies hier zutrifft, ist in dritter Instanz nicht mehr strittig.

1.2 Gemäß § 3 Abs 1 KSchG kann der Verbraucher grundsätzlich vom Vertrag zurücktreten, wenn er seine Vertragserklärung weder in den vom Unternehmer für seine geschäftlichen Zwecke dauernd benützten Räumen noch bei einem von diesem dafür auf einer Messe oder einem Markt benützten Stand abgegeben hat. Der Rücktritt muss binnen einer Woche ab Zustandekommen des Vertrags erklärt werden, es sei denn, dem Verbraucher wäre anlässlich der Entgegennahme seiner Vertragserklärung keine schriftliche Belehrung über dieses Rücktrittsrecht ausgefolgt worden. Dieses Rücktrittsrecht bezweckt den Schutz des Verbrauchers vor Überrumpelung beim Vertragsabschluss durch fragwürdig agierende Unternehmer und ihre Vertreter. Der Verbraucher soll vor Rechtsnachteilen bewahrt werden, die ihm durch die Ausnützung seiner typischerweise schwächeren Position drohen (2 Ob 1/12d mwN).

Zwischen den Parteien ist nicht mehr strittig, dass dem Erstkläger eine Belehrung über das Rücktrittsrecht nicht ausgefolgt worden ist. Von einer das Rücktrittsrecht iSd § 3 Abs 3 Z 1 KSchG ausschließenden Anbahnung der Geschäftsbeziehungen durch den Erstkläger (vgl RIS Justiz RS0065220 [T2 und T 4]; RS0042926; RS0119797) kann nach den Feststellungen keine Rede sein. Auch wenn die Geschäftsführer der Nebenintervenientin zweimal (unaufgefordert) in der Wohnung des Erstklägers erschienen, schließt das das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG nicht aus.

1.3 In der erst nach der Entscheidung des Berufungsgerichts veröffentlichten Entscheidung 2 Ob 1/12d führte der Oberste Gerichtshof zu einem durchaus vergleichbaren Sachverhalt aus, dass die auf alle Verbraucherverträge anzuwendende Regelung des Rücktrittsrechts gemäß § 3 Abs 1 KSchG über die (gemäß Art 31 der RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und Rates vom über die Rechte der Verbraucher noch bis in Geltung stehende) „Haustürgeschäfte RL“ hinausgeht; erfasst sind auch Dauerschuldverhältnisse (ebenso bereits 6 Ob 110/07f). Die mit dem Maklergesetz BGBl 1996/262 eingeführte Regelung des § 30a KSchG gewährt dem Verbraucher im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Bestandrechts ein zusätzliches Rücktrittsrecht ( Kolba in Kosesnik-Wehrle/Hammerl/Kolba/Langer , KSchG³ § 30a Rz 37), das im Gegensatz zu jenem des § 3 KSchG unabhängig davon besteht, ob der Verbraucher den geschäftlichen Kontakt selbst angebahnt hat oder ob ihm ein Unternehmer oder ein anderer Verbraucher als (potentieller) Vertragspartner gegenübersteht. Die Schaffung dieser Bestimmung kann als Indiz dafür gewertet werden, dass dem Gesetzgeber gerade der Schutz von Wohnungsmietern vor Überrumpelungen ein besonderes Anliegen ist (siehe im Detail 2 Ob 1/12d mwN).

Daraus hat der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung geschlossen, dass auf Dauerschuldverhältnisse nicht nur § 30a KSchG sondern auch § 3 Abs 1 KSchG anwendbar ist. Dem schließt sich der erkennende Senat an.

1.4.1 In 2 Ob 1/12d führte der Oberste Gerichtshof weiter aus, dass das Tatbestandsmerkmal der „Vertragserklärung“ in § 3 Abs 1 KSchG unter Bedachtnahme auf den Gesetzeszweck dahin auszulegen ist (RIS Justiz RS0065410), dass es nicht nur den Vertragsabschluss, sondern auch Änderungen oder Aufhebung des Vertrags gerichtete Willenserklärungen umfasst. Im Fall von Vertragsänderungen steht jedoch nach Ansicht des 2. Senats im Hinblick auf das geringere Schutzbedürfnis des Verbrauchers bei einem bestehenden Vertragsverhältnis das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG nur in Ausnahmefällen zu. Es muss sich um solche Erklärungen handeln, die für den Verbraucher von vergleichbarer wirtschaftlicher Tragweite sind wie der Vertragsabschluss selbst. Ausgehend von den Wertungen der §§ 3 und 30a KSchG ist es gerechtfertigt, einem Verbraucher den Schutz des § 3 KSchG auch dann zu gewähren, wenn seine „Vertragserklärung“ auf die Auflösung eines Mietvertrags über eine Wohnung gerichtet ist und alle sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.

1.4.2 Die Entscheidung 2 Ob 1/12d lehnte die weitergehende Auffassung von Mayrhofer/Tangl (in Klang ³ KSchG § 3 Rz 62), wonach Vertragsänderungen grundsätzlich in den Anwendungsbereich des § 3 KSchG einbezogen werden sollten, ab. Daran knüpft die Kritik Leitners (in immolex 2012/78, 249 f), der ebenfalls eine weitergehende Ansicht vertritt. Erscheine die Partei eines bestehenden Vertrags ungebeten beim Verbraucher und wirke auf eine Vertragsänderung hin, bestehe nicht per se eine geringere Überrumpelungsgefahr als bei einem erstmaligen Vertragsabschluss. Auch eine Differenzierung nach der wirtschaftlichen Tragweite einer Vertragsänderung komme nicht in Frage, weil dieses Kriterium lediglich im Fall der Bagatellausnahme des § 3 Abs 3 Z 3 KSchG eine Rolle spiele.

1.4.3 Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Kritik muss im hier zu beurteilenden Einzelfall nicht erfolgen. Vertragserklärungen, die die Miete einer Wohnung betreffen, sind in der Regel von großer wirtschaftlicher Tragweite für den Verbraucher. Auch im konkreten Fall zeigt sich diese wirtschaftliche Bedeutung schon darin, dass die Vertreter der Nebenintervenientin den Erstkläger nicht etwa zu einer bloßen Änderung der Mietzinsvereinbarung veranlasst haben, sondern zur Auflösung seines bisherigen und zum Abschluss eines neuen Mietvertrags. Beide Erklärungen rechtfertigen daher für sich allein genommen in jedem Fall das Rücktrittsrecht gemäß § 3 Abs 1 KSchG. Aber selbst dann, wenn man die hier vom Erstkläger der die ihm vorgelegten Verträge nicht verstand unterfertigten Erklärungen im Sinn des Vorbringens des Beklagten im Verfahren erster Instanz im Rahmen einer Gesamtbetrachtung als (bloße) Änderung des bestehenden Mietvertrags ansehen wollte, liegt darin im konkreten Fall eine Erklärung des Verbrauchers, die jedenfalls von vergleichbarer wirtschaftlicher Tragweite wie der Vertragsabschluss selbst ist. Dies ergibt sich schon aus der dem Erstkläger entstandenen Belastung durch die Erhöhung des bisherigen Mietzinses um rund 30 % sowie der Verpflichtung zur Hinterlegung einer Kaution nach mehr als 20 jähriger Dauer des Mietverhältnisses.

1.5.1 Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts und des Beklagten in seiner Revision ist das Rücktrittsrecht des Erstklägers auch nicht erloschen. Die Sonderregelung des § 3 Abs 1 letzter Satz KSchG idF des ZivRÄG 2004, BGBl I 2003/91, wonach das Rücktrittsrecht bei Versicherungsverträgen spätestens einen Monat nach Zustandekommen des Vertrags erlischt, ist auf andere Dauerschuldverhältnisse als Versicherungsverträge nicht anzuwenden (6 Ob 110/07f; RIS-Justiz RS0123039; Kathrein in KBB³ § 3 Rz 9; Apathy in Schwimann ³ V § 3 KSchG Rz 25; vgl auch Kosesnik Wehrle in Kosesnik Wehrle/Hammerl/ Kolba/Langer , KSchG³ § 3 Rz 14 mwH sowie Mayrhofer/Tangl aaO § 3 Rz 77; aA Krejci in Rummel ³ § 3 KSchG Rz 47; Koch , Von Rücktritten und Retrozessionen in ÖBA 2008/1486, 476 in Bezug auf Wertpapiergeschäfte). Für die vom Berufungsgericht angenommene analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Fall fehlt es schon deshalb an einer Grundlage, weil der Gesetzgeber des ZivRÄG 2004 andere Dauerschuldverhältnisse als Versicherungsverträge bewusst (ErlRV 173 BlgNR 22. GP 20 f) nicht von der Grundregel des § 3 Abs 1 KSchG ausgenommen hat, sodass eine als Voraussetzung für eine Analogie erforderliche planwidrige Lücke nicht besteht (6 Ob 110/07f). Diese gesetzliche Situation blieb durch die geringfügige Novellierung des § 3 Abs 5 KSchG mit dem BGBl I 2008/21 unberührt.

1.5.2 Daran ändert der vom Berufungsgericht zutreffend erwähnte Umstand, dass die Miete von Immobilien gemäß Art 3 Abs 2 lit a RL 85/577/EWG aus dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie fällt, schon deshalb nichts, weil der Schutzbereich des § 3 Abs 1 KSchG in gemeinschaftsrechtlich zulässiger Weise (Art 8 Haustürgeschäfte RL) über jenen der Haustürgeschäfte RL hinausgeht, wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 2 Ob 1/12d festgehalten hat. Sowohl die Absicht des Gesetzgebers als auch der klare Wortlaut des § 3 Abs 1 letzter Satz KSchG, der nur für Versicherungsverträge eine Einschränkung des Rücktrittsrechts auf einen Monat nach Zustandekommen des Vertrags vorsieht, stehen daher der vom Berufungsgericht vorgenommenen Analogie entgegen ( P. Bydlinski in KBB³ § 7 Rz 2).

Zu Unrecht stützt das Berufungsgericht seine Rechtsansicht auf die Entscheidung 6 Ob 110/07f. In dieser Entscheidung war nicht ein Mietvertrag, sondern ein Vermögensverwaltungsvertrag zu beurteilen, der in den Anwendungsbereich der Richtlinie fiel. Die Frage einer allfälligen analogen Anwendung des § 3 Abs 1 letzter Satz KSchG auf einen nicht in den Anwendungsbereich der Haustürgeschäfte RL fallenden Vertrag wurde in dieser Entscheidung zwar in Betracht gezogen, war aber letztlich nicht zu beurteilen.

1.6 Da dem Erstkläger eine Belehrung über das Rücktrittsrecht von der Nebenintervenientin nicht ausgefolgt wurde, war sein Rücktritt daher unbefristet möglich (2 Ob 1/12d), sodass die Rücktrittserklärungen des Beklagten gemäß § 3 KSchG wirksam sind. Auf die irrtumsrechtlichen Rechtsausführungen der Vorinstanzen kommt es daher nicht an, sodass auch auf die dahingehenden Revisionsausführungen nicht einzugehen ist.

2. Veräußert der Vermieter die Liegenschaft, bewirkt dies nach § 1120 ABGB iVm § 2 Abs 1 MRG eine gesetzliche Vertragsübernahme auf Vermieterseite ( Würth in Rummel 3 § 1120 Rz 1); der Inhalt des Schuldverhältnisses wird dadurch nicht geändert. Der Erwerber einer Liegenschaft hat die gleichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Bestandnehmer wie sein Rechtsvorgänger (RIS Justiz RS0021158).

Dass der Beklagte gemäß § 2 Abs 1 MRG nach dem Erwerb des Hauses im Dezember 2009 in die Rechtsposition des Vermieters eingetreten ist, haben die Revisionswerber gar nicht in Frage gestellt. Damit hat der Beklagte aber auch die Wirksamkeit der nicht nur ihm, sondern auch der Nebenintervenientin gegenüber abgegebenen Rücktrittserklärungen des Erstklägers gemäß § 3 KSchG, die die davon betroffenen Verträge rückwirkend beseitigten ( Mayrhofer in Fenyves/Kerschner/Vonkilch , Klang ³ § 4 KSchG Rz 4), gegen sich gelten zu lassen. Zutreffend haben die Vorinstanzen vor diesem Hintergrund die Passivlegitimation des Beklagten bejaht.

3. Auch das Feststellungsinteresse des Klägers wurde von den Vorinstanzen zu Recht bejaht: Dass das Feststellungsbegehren im konkreten Fall geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen und künftige Leistungsansprüche abzuschneiden (RIS Justiz RS0038908; RS0038935), steht außer Frage. Die dagegen vorgebrachten Argumente überzeugen nicht.

4. Die in der Revision der Nebenintervenientin behaupteten Aktenwidrigkeiten wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Beide Revisionen sind daher im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Kosten der Beantwortung der Revision der Nebenintervenientin sind nicht zuzusprechen: Die Revisionen des Beklagten und der Nebenintervenientin wurden dem Erstkläger am und zugestellt. Die am zu beiden Revisionen in getrennten Schriftsätzen erstatteten Revisionsbeantwortungen waren zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig, weil es dem Erstkläger möglich gewesen wäre, beide Revisionen mit einer einzigen Rechtsmittelgegenschrift zu beantworten ( Obermaier , Kostenhandbuch² Rz 427 mwH). Ein allfälliger Mehraufwand infolge der Beantwortung zweier Revisionen wird durch den vom Erstkläger begehrten Streitgenossenzuschlag abgegolten (6 Ob 276/02k).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00130.12V.0627.000