OGH vom 23.11.2004, 10ObS175/04i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Matzka (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Paul H*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Mag. Norbert Hein, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 63/04w-18, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Nach den unbekämpft gebliebenen Ausführungen des Berufungsgerichtes hat der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag insgesamt 47 Beitragsmonate, nämlich 6 Monate als Autoverkäufer, 2 Monate als Maschinenführer, 16 Monate als Lagerangestellter, 19 Monate als Kellner und 4 Monate im Rahmen einer AMFG-Umschulung erworben.
Hat ein Versicherter Versicherungsmonate in mehreren Zweigen der Pensionsversicherung nach dem ASVG (nämlich der Arbeiter und der Angestellten) erworben, so kommen für ihn gemäß § 245 Abs 1 ASVG die Leistungen des Zweiges der Pensionsversicherung in Betracht, dem er leistungszugehörig ist. Im vorliegenden Fall wird auch in den Revisionsausführungen die Leistungszugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherung der Arbeiter nicht in Zweifel gezogen. Aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit ist aus der Pensionsversicherung der Arbeiter die Invaliditätspension zu leisten (§ 222 Abs 1 Z 2 lit a ASVG). Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für die Invaliditätspension finden ihre Regelung in § 255 ASVG (SSV-NF 16/84, 2/50 ua).
Es hat bereits das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass selbst ausgehend davon, dass der Kläger den Beruf eines Kellners ("Restaurantfachmann") erlernt oder zumindest angelernt hat, eine überwiegende Ausübung dieses Berufes während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag nicht vorliegt, da nur 19 Beitragsmonate auf diese Tätigkeit und 28 Monate auf Tätigkeiten in anderen Berufen und AMFG-Umschulung entfallen. Damit kann aber die Tätigkeit als Kellner nicht zu einem Berufsschutz führen, weil sie nach dem Wortlaut des § 255 Abs 2 zweiter Satz ASVG nicht überwiegend, also in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt wurde (vgl SSV-NF 6/73 ua). Die vom Revisionswerber zitierte Rechtsprechung, wonach ein Versicherter, der während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag mehrere erlernte oder angelernte Berufe iSd § 255 Abs 1 und 2 ASVG ausgeübt hat, auch dann Berufsschutz erlangt, wenn die Summe der dadurch erworbenen Beitragsmonate die Zahl der Beitragsmonate übersteigt, während der er unqualifizierte Tätigkeiten verrichtet hat (vgl SSV-NF 16/75, 10/98, 8/119, 6/19, 5/65 ua), ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil es sich bei der nach dem Vorbringen des Revisionswerbers weiters qualifizierten Tätigkeit eines Autoverkäufers nicht um einen erlernten oder angelernten Beruf iSd § 255 Abs 1 und 2 ASVG sondern um eine Angestelltentätigkeit handelt (vgl 10 ObS 447/89).
Obwohl die Leistungszugehörigkeit zur Pensionsversicherung der Arbeiter besteht, kann sich die Lösung der Frage, ob der Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit eingetreten ist, nach § 273 ASVG richten, nämlich dann, wenn die in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag erworbenen Beitragsmonate überwiegend auf Beschäftigungen zurückgehen, die ihrem Inhalt nach gemäß § 14 ASVG die Zugehörigkeit des Klägers zur Pensionsversicherung der Angestellten begründet hätten. Bei der Lösung der Frage, welchem Versicherungszweig eine Tätigkeit zuzuordnen ist, kommt es nicht auf eine hierüber zwischen dem Versicherten und seinem Arbeitgeber getroffene Vereinbarung sondern auf den Inhalt der Tätigkeit an (SSV-NF 16/84, 3/156, 3/2 ua). Der nähere Inhalt der Tätigkeit des Klägers als Autoverkäufer (6 Monate) und als "Lagerangestellter" (16 Monate) kann jedoch im vorliegenden Fall unerörtert bleiben, da der Kläger aufgrund seines festgestellten Leistungskalküls durchaus imstande ist, verschiedene ihm zumutbare Angestelltentätigkeiten auszuüben. Da nach dem eigenen Vorbringen des Klägers in der Klage davon auszugehen ist (Gegenteiliges wird auch in der Revision nicht behauptet), dass der Kläger keine kaufmännische Lehre absolviert hat und er - abgesehen von seiner Tätigkeit im erlernten Beruf als Kellner (Restaurantfachmann) - unqualifizierte Tätigkeiten im Rahmen seiner Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt hat, kann davon ausgegangen werden, dass er keine Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hatte, die eine höhere Einstufung als in die Beschäftigungsgruppe 2 oder höchstens 3 des Kollektivvertrages für Handelsangestellte rechtfertigten. Ein Angestellter, der eine Tätigkeit verrichtete, die keine besondere Qualifikation erforderte, kann aber nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des festgestellten medizinischen Leistungskalküls auf einfache Angestelltentätigkeiten verwiesen werden, wie sie im Beschäftigungsgruppenschema des Kollektivvertrages der Handelsangestellten unter der Beschäftigungsgruppe 2 beispielshaft aufgezählt sind (SSV-NF 3/156 ua). Nach dem medizinischen Leistungskalkül kann der Kläger noch leichte und fallweise mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen und Sitzen bei normalen Arbeitspausen verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie in schwindelexponierten Lagen und Arbeiten, die mit Kälteexposition und erhöhter isometrischer Belastung verbunden sind. Nicht zumutbar sind weiters Akkordarbeiten, Nacht- und Schichtarbeiten, Arbeiten unter verstärkter psychischer und emotionaler Belastung, Arbeiten unter besonderen Zeitdruck, Tätigkeiten, die mit einer vermehrten Umstellungsfähigkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Ausdauer, Problemlösungsfähigkeit, Eigeninitiative und Eigenverantwortung einhergehen und Tätigkeiten, bei denen eine vermehrte Führungs- und Kontaktfähigkeit erforderlich ist. Unter Berücksichtigung dieses Leistungskalküls ist an einer Verweisbarkeit des Klägers auf verschiedene Angestelltentätigkeiten der Beschäftigungsgruppe 2 des Kollektivvertrages für Handelsangestellte nicht zu zweifeln.
Es ergibt sich daher, dass der Kläger im Sinne der ständigen Judikatur in keinem Fall Anspruch auf Invaliditätspension hat.
Da eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zu beurteilen war, war die Revision zurückzuweisen.