OGH vom 20.11.2018, 10Ob93/18a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Greiml & Horwath, Rechtsanwalts Partnerschaft OG in Graz, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Mag. Michael Rebasso, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 134/18k-44, womit das Urteil des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom , GZ 6 C 56/16y-38, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die von der Revisionswerberin gerügte Nichtigkeit des Berufungsurteils nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO liegt nicht vor. Diese soll daraus resultieren, dass das Berufungsgericht der Verwerfung der Nichtigkeitsberufung und dem Ausspruch, dass der Berufung nicht Folge gegeben werde, die Formel vorangestellt hat „… in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt ...“, ohne eine weitere Aufgliederung vorzunehmen. Wie sich aber aus § 425 Abs 1 ZPO eindeutig ergibt, hat die Sachentscheidung über das Klagebegehren in Urteilsform zu ergehen, in allen Fällen, in denen kein Urteil zu fällen ist, ist mit Beschluss zu entscheiden (Rechberger in Rechberger, ZPO4 Vor § 390 Rz 1). Eine gravierend mangelhafte Fassung des Berufungsurteils, weil nicht erkennbar sei, welcher Teil des Spruchs in Form eines Berufungsurteils und welcher Teil in Form eines Beschlusses entschieden wurden, ist daher zu verneinen.
1.2 Die Verneinung der Nichtigkeit des Verfahrens erster Instanz nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO durch das Berufungsgericht (infolge Nichtbeischaffung eines Verlassenschaftsakts) ist unanfechtbar (RISJustiz RS0042981).
2.1 Die bereits verneinte Mangelhaftigkeit des Verfahrens infolge Nichteinvernahme der Tochter der Beklagten (= Stieftochter des Klägers) als Zeugin kann vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden (RISJustiz RS0042963). Anderes würde dann gelten, wenn dem Berufungsgericht bei Erledigung der Mängelrüge eine unrichtige Anwendung eines tragenden Grundsatzes des Verfahrensrechts unterlaufen wäre. Ein derartiger Fehler liegt aber nicht vor, weil auf die Einvernahme dieser Zeugin von beiden Parteien verzichtet worden war und das Berufungsgericht im Einklang mit der Rechtsprechung davon ausgegangen ist, dass einem Beweis vom Hörensagen (Zeugenaussagen über die Wahrnehmungen eines Dritten) zwar mit Vorsicht zu begegnen ist, dieser aber– sofern kein unmittelbarer Beweis zur Verfügung steht – vom Richter frei gewürdigt werden kann (RISJustiz RS0114723).
2.2 Auch die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wegen Nichtbefassung mit der Beweisrüge liegt nicht vor. Um von einer ordnungsgemäß ausgeführten Beweisrüge sprechen zu können, genügt es nicht die „ersatzlose“ Streichung einer Feststellung anzustreben, sondern, es muss der Rechtsmittelwerber angeben, welche Feststellungen er anstrebt und worauf sich diese stützen (vgl RIS-Justiz RS0041835 [T3]).
3.1 Die Beurteilung bzw Gewichtung des Verschuldens von Ehegatten an der Zerüttung der Ehe ist stets von den besonderen Umständen des Einzelfalls abhängig, sodass sich regelmäßig keine iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen stellen (vgl RIS-Justiz RS0119414).
3.2 Eine gravierende, korrekturbedürftige Fehlbeurteilung ist den Vorinstanzen, die übereinstimmend vom überwiegenden Verschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe ausgegangen sind, nicht unterlaufen:
3.3 Die Beurteilung, ob eine Ehe objektiv unheilbar zerrüttet ist, stellt eine auf Grund der Feststellungen im Einzelfall zu beurteilende Rechtsfrage dar, ebenso die Ermittlung des Zeitpunkts des Eintritts der Zerrüttung (RIS-Justiz RS0043423 [T8]; RS0043432 [T6]). Im vorliegenden Fall sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die außereheliche Beziehung der Beklagten zu einem Mann, den der Kläger lange Zeit als Vertrauensperson empfunden hatte, den entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe geleistet hat. Der Zeitpunkt des Eintritts der unheilbaren Zerrüttung der Ehe wurde mit Ende November 2016 bzw Anfang Dezember 2016 angenommen, nachdem die Beklagte gegenüber dem Kläger „beim Leben“ des gemeinsamen Kindes ihre außereheliche Beziehung zu diesem Mann weiterhin in Abrede gestellt hatte. Am brachte der Kläger die Scheidungsklage ein, am zog er aus der Ehewohnung aus. Angesichts dieser Feststellungen ist die vom Berufungsgericht erfolgte Beurteilung der Zerrüttungsfrage jedenfalls vertretbar.
4. Die außerordentliche Revision ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00093.18A.1120.000 |
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