OGH vom 20.12.1988, 11Os147/88

OGH vom 20.12.1988, 11Os147/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Felzmann und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Zeh als Schriftführer, in der Strafsache gegen Engelbert E*** wegen des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1 SuchtgiftG I./ über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 15 Vr 2101/87-97 a (S 5 a-e/III), sowie II.) über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Klagenfurt gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 15 Vr 2101/87-97 a (S 59/III), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Gulner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Unterstellung der an Elke T*** begangenen Tat (Faktum 11) nur unter den § 16 Abs. 1 SuchtgiftG, sowie im Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung und demnach auch der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung aufgetragen.

Die Staatsanwaltschaft wird mit ihrer Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Kellner Engelbert E*** des Vergehens nach dem § 16 Abs. 1, vierter, fünfter und sechster Fall, SuchtgiftG schuldig gesprochen. Darnach erwarb, besaß oder überließ er in der Zeit von 1984 bis Oktober 1987 in Völkermarkt und anderen Orten Suchtgift (in einem die große Menge im Sinn des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG nicht erreichenden Quantum) an zahlreiche im Urteilsspruch (1 bis 12) angeführte Personen; so auch im Februar/März 1986 an Elke T*** eine geringe Menge Cannabisharz (einen "Joint") zum sofortigen Konsum (Faktum 11-S 5 a verso und 5 d/III).

Die Anklagebehörde bekämpft nur dieses Schuldspruchfaktum 11 mit einer auf den § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie die Unterstellung dieser Tat auch unter die Qualifikation nach dem § 16 Abs. 2 Z 1 SuchtgiftG anstrebt.

Nach dem Akteninhalt (S 7 in ON 79/II) war die am geborene Elke T*** zum Tatzeitpunkt noch minderjährig, als ihr der am geborene, sohin mehr als zwei Jahre ältere und bereits volljährige Angeklagte "einen Joint mit Gras" zum sofortigen Konsum zur Verfügung stellte. Bei der rechtlichen Subsumtion dieser zu Recht dem Tatbestand nach dem § 16 Abs. 1, sechster Fall, SuchtgiftG unterstellten Handlung (EvBl 1979/40, 246; 1981/117; die Entscheidung EvBl 1979/48 geht von dem Fall aus, daß beim Mitrauchen kein Gewahrsam am Suchtgift vorlag) wäre das Gericht aber verpflichtet gewesen, von Amts wegen (§§ 262, 267 StPO) auch die Qualifikation nach dem § 16 Abs. 2 Z 1 SuchtgiftG zu prüfen, zumal die objektiven Qualifikationsmerkmale aktenkundig waren. Die Staatsanwaltschaft hatte daher bei Stellung des (wegen eines Teils der Urteilsfakten) zunächst erhobenen Strafantrags die Qualifikation angenommen (ON 3 in ON 79/II), nach dem Hinzutreten weiterer Fakten aber in der gemäß dem § 227 Abs. 2 StPO im Austausch erhobenen Anklage den Verbrechenstatbestand nach dem § 12 Abs. 1 SuchtgiftG für erfüllt angesehen und daher auf diese (nur subsidiär zur Anwendung gelangende) Qualifikationsnorm keinen Bezug genommen. Das Schöffengericht sah jedoch das Vorliegen einer "großen Menge" (im Zweifel) als nicht erwiesen an und griff auf den Tatbestand des § 16 Abs. 1 SuchtgiftG zurück, ohne zu der nach dem Akteninhalt indizierten Qualifikation des Überlassens des Suchtgifts an eine minderjährige Person Feststellungen zu treffen. Solche Konstatierungen wären vor allem in die Richtung erforderlich gewesen, ob der Angeklagte auf Grund seiner persönlichen Bekanntschaft mit dem Mädchen oder aus anderen Gründen dessen Alter (unter neunzehn Jahren - § 74 Z 3 StGB) kannte, weil nur bei entsprechendem Vorsatz die von der Staatsanwaltschaft reklamierte strafsatzerhöhende Qualifikation nach dem § 16 Abs. 2 Z 1 SuchtgiftG angenommen werden könnte.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof konnte daher nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern mußte spruchgemäß das Urteil im Umfang der Anfechtung aufheben und dem Erstgericht eine neuerliche Verhandlung und Entscheidung auftragen (§ 288 Abs. 2 Z 3 StPO). Aus Anlaß des eingangs erwähnten Urteils, mit dem über Engelbert E*** nach dem § 16 Abs. 1 SuchtgiftG eine unbedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten verhängt wurde, beschloß das Schöffengericht, vom Widerruf der bedingten Nachsicht der wegen der §§ 12 Abs. 1 und 16 Abs. 1 SuchtgiftG mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom , AZ 12 Vr 1249/83, ausgesprochenen Strafe von achtzehn Monaten gemäß dem § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO abzusehen (S 5 f/III). Zur Begründung wurde angeführt, daß "die Folgeverurteilung lediglich nach dem § 16 Abs. 1 SuchtgiftG erfolgte und die Voraussetzungen des § 494 a Abs. 1 Z 2 StPO ... vorliegen".

Ohne auf die von der Staatsanwaltschaft richtig aufgezeigten Begründungsmängel eingehen zu müssen, ist dem bekämpften Ausspruch über das Absehen vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht durch das (auch) den Strafausspruch beseitigende (teilweise) kassatorische Erkenntnis über die Nachverurteilung der Boden entzogen und es mußte, um die vom Gesetzgeber mit der Schaffung der Bestimmungen der §§ 494 a, 494 b StPO in der Fassung des StrÄG 1987 angestrebte "Gesamtregelung" der Straffrage in erster Instanz zu ermöglichen, auch der angefochtene Beschluß aufgehoben werden (vgl hiezu schon 15 Os 30,31/88 = EvBl 1988/63).