OGH vom 17.12.2012, 9ObA1/12f

OGH vom 17.12.2012, 9ObA1/12f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Werner Rodlauer und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17 19, 1011 Wien, gegen die beklagte Partei Dr. *****, vertreten durch Dr. Günther R. John, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.113,40 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 56/11p 20, womit das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 2 Cga 120/10w 11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Das Gericht, an welches eine Rechtssache infolge Beschlusses des Berufungsgerichts zu gänzlicher oder teilweiser neuer Verhandlung oder Entscheidung gelangt, ist nach § 499 Abs 2 ZPO an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Berufungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist. Der Revisionswerber erblickt nun eine erhebliche Rechtsfrage darin, dass es noch keine Rechtsprechung zur Frage gebe, an welche von mehreren Entscheidungen des Berufungsgerichts das Erstgericht gebunden sei, wenn die Entscheidungen miteinander in Widerspruch stehen. Die vom Revisionswerber aufgeworfene Frage ist hier nur von theoretischer Natur, weil die vermuteten Widersprüche nicht vorliegen. Gegenstand des vorliegenden Regressprozesses sind anteilige Kosten, die der Beklagten des Anlassprozesses im Berufungsverfahren des dritten Rechtsgangs erwachsen sind. Die aufhebende und zurückverweisende Entscheidung des Berufungsgerichts im zweiten Rechtsgang des Anlassprozesses ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Vom Revisionswerber angenommene Widersprüche zwischen den Entscheidungen des Berufungsgerichts im Anlassprozess vermag der Oberste Gerichtshof nicht zu erblicken. Die vom Revisionswerber angesprochene Entscheidung des Berufungsgerichts im zweiten Rechtsgang war vom erkennbaren Bestreben getragen, die vom Beklagten offenbar missverstandenen Ausführungen des Berufungsgerichts im ersten Rechtsgang weiter zu verdeutlichen und den Beklagten dazu zu bewegen, den Aufträgen des Berufungsgerichts unter Beachtung der Bindung nach § 499 Abs 2 ZPO nachzukommen. Im Übrigen hängt der Vergleich der Berufungsentscheidungen von der Auslegung der jeweiligen Begründung im Einzelfall ab, die keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (vgl 3 Ob 209/11y; RIS Justiz RS0118891 ua).

Eine weitere erhebliche Rechtsfrage erblickt der Revisionswerber im Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer analogen Anwendung des § 4 DHG im Regressverfahren aufgrund einer Amtshaftung. In der Folge räumt der Revisionswerber ein, dass § 4 Abs 4 DHG „im Ergebnis gleichlautend wie § 5 AHG“ sei, und fordert unter Berufung auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsprinzip eine „analoge Anwendung der zu § 4 DHG entwickelten Rechtsprechung“. Eine erhebliche Rechtsfrage zeigt der Revisionswerber auch mit diesen Überlegungen nicht auf. Dass sich die vorliegende Regressklage der Klägerin zutreffend auf das Amtshaftungsgesetz (AHG), namentlich § 3 AHG, und nicht auf das Dienstnehmerhaftpflichtgesetz (DHG) stützt, stellt auch der Revisionswerber nicht in Frage. Richtig ist, dass der beklagte Rechtsträger im Amtshaftungsprozess dem Organ, das er für den Rückersatzanspruch für haftbar erachtet, nach § 10 Abs 1 Z 2 AHG den Streit zu verkünden hat. Das Organ kann dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beitreten. Dem Anspruch auf Rückersatz kann das Organ nach § 5 AHG alle Einwendungen entgegensetzen, die der Rechtsträger nicht ausgeführt hat, und sich dadurch von dem Rückersatz in dem Maß befreien, als diese Einwendungen, wenn von ihnen gehörig Gebrauch gemacht worden wäre, eine andere Entscheidung über das Schadenersatzbegehren veranlasst haben würden. Entgegen der Behauptung des Revisionswerbers liegt zur Frage der unterlassenen Streitverkündung im Amtshaftungsprozess bereits Rechtsprechung vor. Darin ging der Oberste Gerichtshof im Einklang mit der Lehre ( Schragel , AHG³ Rz 262; Mader in Schwimann , ABGB³ VII § 10 AHG Rz 3; Ziehensack , AHG § 10 Rz 3 ua) davon aus, dass das AHG keine Bestimmung enthält, die an eine Streitverkündung zivilrechtliche Wirkungen knüpft, sodass auch die Unterlassung der Streitverkündung mit keinen besonderen Rechtsfolgen verbunden ist (1 Ob 30/78 = SZ 52/2). Der Regressanspruch des Rechtsträgers gegen das schuldtragende Organ ist dennoch zulässig. Dem auf Rückersatz in Anspruch genommenen Organ stehen aber alle Einwendungen zu ( Schragel , AHG³ Rz 262 ua). Im Übrigen wird zu den sachlichen Unterschieden zwischen der Haftung und dem Regress nach dem AHG einerseits und dem DHG andererseits auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen. Die vom Revisionswerber geforderte „analoge Anwendung der Rechtsprechung“ zum DHG ist hier nicht geboten.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).