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OGH vom 09.06.1998, 10ObS173/98h

OGH vom 09.06.1998, 10ObS173/98h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ehmayr und Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Bukovec (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag.Albert Ullmer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alfred S*****, Invaliditätspensionist, *****, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 275/97s-43, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 35 Cgs 227/94g-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte dem am geborenen Kläger die begehrte Invaliditätspension nur für den Zeitraum bis zu, weil es die Auffassung vertrat, daß die Invalidität durch eine dem Kläger zumutbare Operation (Entfernung von etwa einem Fünftel der Niere unter Vollnarkose) spätestens mit wegfallen würde.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es die Invaliditätspension ohne zeitliche Begrenzung zusprach. Es begründete seine Entscheidung damit, daß die beklagte Partei im gesamten Verfahren nie eingewendet habe, die Voraussetzungen für die Invaliditätspension würden durch eine zumutbare Behandlung wegfallen. Die mangels eines entsprechenden Parteienvorbringens überschießende Feststellung des Erstgerichtes über die Zumutbarkeit des operativen Eingriffs sei daher als unbeachtlich auszuscheiden.

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung der Sache, daß der Kläger - nach der am Stichtag geltenden Rechtslage - die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer zeitlich unbegrenzten Invaliditätspension erfüllt, ist zutreffend, weshalb es ausreicht, deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Den Revisionsausführungen ist ergänzend folgendes zu erwidern:

Den Versicherungsträger trifft nicht nur die Beweislast (SSV-NF 5/17), sondern auch die Behauptungslast dafür, daß die Voraussetzungen für die weitere Zuerkennung der Pensionsleistung nicht mehr gegeben sind, wenn (sobald) sich der Versicherte einer ihm zumutbaren Behandlung unterzieht. Die sich aus § 87 Abs 1 ASGG ergebende Verpflichtung des Gerichtes, alle notwendigen Beweise von Amts wegen aufzunehmen, kann sich nur innerhalb der - wenngleich weit zu steckenden - Grenzen des Parteivorbringens bewegen. § 87 Abs 1 ASGG wird daher im Sinne eines umfassenden Rechtsschutzbedürfnisses durch die sich aus § 39 Abs 2 Z 1 ASGG, allenfalls auch § 82 Abs 2 Z 1 und Abs 4 ASGG ergebende Anleitungspflicht ergänzt (vgl Kuderna, ASGG2, 528). Der die Bestimmtheit des Klagebegehrens betreffende § 82 ASGG kann hier außer Betracht bleiben. § 39 Abs 2 Z 1 ASGG normiert die Anleitungspflicht gegenüber Parteien, die nicht Versicherungsträger sind und auch nicht durch eine qualifizierte Person vertreten werden. Für sie gelten die Bestimmungen der §§ 432, 435 ZPO, wobei der Vorsitzende die Parteien über die bei derartigen Arbeits- und Sozialrechtssachen in Betracht kommenden besonderen Vorbringen und Beweisanbietungen, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (Rechtsverteidigung) dienen können, zu belehren und sie zur Vornahme der sich anbietenden derartigen Prozeßhandlungen anzuleiten hat. Gegenüber der beklagten Partei als Versicherungsträger bestand jedoch die erweiterte Anleitungspflicht des § 39 Abs 2 Z 1 ASGG nicht. Die amtswegige Beweisaufnahme gemäß § 87 Abs 1 ASGG hatte sich daher innerhalb des Vorbringens der beklagten Partei zu bewegen (vgl 8 ObS 156/97t; 10 ObS 131/98g). Diesem kann aber selbst bei weitherziger Auslegung nicht entnommen werden, daß der Anspruch es Klägers auf Invaliditätspension durch eine ihm zumutbare Behandlung (vgl SSV-NF 4/23 = SZ 63/32 uva) wegfallen würde. Daher braucht auch nicht dazu Stellung genommen zu werden, ob es sich bei der vom urologischen Sachverständigen vorgeschlagene operative Maßnahme angesichts der mit ihr verbundenen Gefahren und Erfolgsaussichten sowie der Schwere des Eingriffs und seiner Folgen überhaupt um eine dem Kläger zumutbare Behandlung seines Leidens handeln würde.

Ob das Erstgericht verpflichtet gewesen wäre, die beklagte Partei gemäß § 182 ZPO zu weiterem Vorbringen anzuleiten, muß nicht geprüft werden, weil eine Verletzung der materiellen Prozeßleitungspflicht des Erstgerichtes nicht gerügt wurde, die beklagte Partei vielmehr auf dem Standpunkt steht, weiteres Vorbringen im Sinne einer rechtsvernichtenden Einwendung sei von ihr nicht zu erstatten gewesen.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.