VfGH vom 07.03.1990, B232/89
Sammlungsnummer
12302
Leitsatz
Gleichheitswidrigkeit der Versagung des Verlustvortrages beim Wechsel von der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zum Betriebsvermögensvergleich
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 15.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Beschwerdeführer betrieb bis März 1984 ein Textilhandelsunternehmen. Zwecks Feststellung des Gewinnes aus der Veräußerung des Betriebsvermögens ging er von der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach § 4 Abs 3 EinkommensteuerG 1972 zum Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs 1 dieses Gesetzes über und ermittelte zum neben dem laufenden Verlust von 19.283,80 S und einem Veräußerungsverlust von 112.440,67 S einen (aus den bestehenden Liefer- und sonstigen Verbindlichkeiten errechneten) Übergangsverlust von 525.460,65 S. Vom Gesamtbetrag dieser Verluste wurden 168.887 S noch 1984 mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausgeglichen und 217.495 S in der auf Antrag erfolgten Veranlagung 1985 zum Abzug gebracht. Der mit dem Verlangen nach weiterem Verlustabzug verbundene Antrag auf Veranlagung für 1986 wurde mit dem im Instanzenzug angefochtenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich mit der Begründung verweigert, die Voraussetzungen für eine Veranlagung lägen nicht vor. Anders als Übergangsverluste aus einem Wechsel vom Betriebsvermögensvergleich zur Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, deren Berücksichtigung VfSlg. 9890/1983 gebiete, seien solche aus einem Wechsel von der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung zum Betriebsvermögensvergleich nicht vortragsfähig. Vom Einkommen des Jahres 1985 sei nur der 1984 noch unberücksichtigt gebliebene Veräußerungsverlust abzuziehen gewesen, der restliche Abzug sei irrtümlich geschehen.
Die gegen den Berufungsbescheid erhobene Beschwerde rügt die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz. Die in VfSlg. 9890/1983 genannten Gründe verlangten auch für den hier vorliegenden Wechsel der Gewinnermittlungsart die Möglichkeit des Verlustvortrages. Daß § 18 Abs 1 Z 4 EStG nur einen durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs 1 EStG ermittelten Verlust vortragsfähig erkläre, verschlage nichts, weil sich die Vortragsfähigkeit von Übergangsverlusten nicht aus § 18, sondern aus den Grundsätzen über den Wechsel der Gewinnermittlungsart ergebe und Übergangsverluste immer außerhalb des Rechnungswerkes bestimmt würden.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Nach § 41 Abs 2 EStG findet eine Veranlagung auch ohne die in Abs 1 genannten Voraussetzungen auf Antrag unter anderem dann statt, wenn dem Steuerpflichtigen ein Verlustabzug gemäß § 18 Abs 1 Z 4 zusteht. Zum Übergangsverlust wegen eines Wechsels der Gewinnermittlungsart hat der Verfassungsgerichtshof in Übereinstimmung mit der Praxis der Finanzbehörden und der Lehre bereits im Erkenntnis 9890/1983 dargelegt, daß seine Behandlung im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt ist und daher aus dem (im Gesetz erkennbar verankerten) Grundsatz erschlossen werden muß, daß kein Vorfall doppelt zu erfassen ist und keiner endgültig unberücksichtigt bleiben darf. Nicht aus § 18, aber aus den Grundsätzen über den Wechsel der Gewinnermittlungsart hat er sodann die Vortragsfähigkeit dieses Verlustes abgeleitet.
Demgegenüber weist die belangte Behörde auf das Erkenntnis VfSlg. 11260/1987 hin, das den Ausschluß des Verlustvortrages für Einnahmen-Ausgaben-Rechner durch § 18 Abs 1 Z 4 insbesondere wegen der mangelnden Periodenrichtigkeit dieser Gewinnermittlungsart als verfassungsmäßig erkannt hat und tritt vor diesem Hintergrund den Schlußfolgerungen der Beschwerde aus VfSlg. 9890/1983 wie folgt entgegen:
"Daraus kann jedoch nicht die generelle Vortragsfähigkeit von Übergangsverlusten abgeleitet werden, sondern dieser Ausspruch ist nur aus dem Gesichtspunkt des betreffenden Anlaßfalles (Übergang von § 4 Abs 1 zu § 4 Abs 3 EStG) zu sehen. Dem Einwand, daß einem Übergangsverlust ja immer die gesetzliche Voraussetzung mangle, daß er aufgrund eines Betriebsvermögensvergleiches nach § 4 Abs 1 oder § 5 EStG ermittelt wurde, ist entgegenzuhalten, daß bei einem ermittelten Übergangsverlust anläßlich des Überganges vom Betriebsvermögensvergleich zur Einnahmen-Ausgabenrechnung zumindest die gegenüberzustellenden Bestände in einem Rechenwerk ermittelt wurden, für das die gesetzlichen Voraussetzungen zutreffen müssen."
Diesem Einwand kann der Verfassungsgerichtshof ebensowenig beipflichten wie ehemals den Ableitungen der zu VfSlg. 9890/1983 belangt gewesenen Behörde. In keinem Fall berührt der sogenannte Übergangsverlust - also der zur Vermeidung einer doppelten Erfassung von Vorgängen erforderliche Abschlag von dem nach der neuen Methode ermittelten Gewinn - den Erfolg des Übergangsjahres. Insoweit geht es weder beim Übergang vom Betriebsvermögensvergleich auf die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung noch im umgekehrten Fall um einen wirklichen Verlust, wie ihn § 18 Abs 1 Z 4 EStG vor Augen hat. Vielmehr soll in beiden Fällen nur der Übergang von einer Gewinnermittlungsart zur anderen sachgerecht bewältigt werden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher auch schon in VfSlg. 9890/1983 ganz allgemein ausgesprochen, daß die (gebotene) Berücksichtigung von Übergangsverlusten nicht am Mangel entsprechend hoher laufender Gewinne scheitern dürfe, weil sonst der Grundsatz der Gleichbehandlung verletzt würde.
Die aus der Notwendigkeit der Berücksichtigung von Übergangsverlusten folgende Vortragsfähigkeit ergibt sich eben nicht aus § 18 EStG und ist daher nicht an die Voraussetzungen dieser Gesetzesstelle gebunden. Damit fehlt es aber an jedem normativen Anhaltspunkt für die Beschränkung des Abzugs auf die durch Betriebsvermögensvergleich ermittelten Verluste. Da ein Übergangsverlust niemals aus einem Betriebsvermögensvergleich abgeleitet wird, greifen die Gründe für die Unterscheidung des § 18 EStG hier nicht. Eine auch nur analoge Anwendung der Beschränkung des Verlustvortrages auf Steuerpflichtige, die ihren Gewinn bisher nach § 4 Abs 1 ermittelt haben, würde sachlich nicht gerechtfertigt sein.
Da die Behörde von der Unzulässigkeit der Berücksichtigung von Verlusten aus dem Übergang von § 4 Abs 1 EStG schlechthin ausgegangen ist, hat sie dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt und den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt.
Im fortgesetzten Verfahren wird es ihre Sache sein, im einzelnen nachzuprüfen, ob der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verlust als Übergangsverlust anerkannt (und daher im Sinne der dargelegten Grundsätze berücksichtigt) werden kann.
Da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ, hat der Gerichtshof von einer mündlichen Verhandlung abgesehen (§19 Abs 4 VerfGG).
Der Kostenzuspruch stützt sich auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind 2.500 S an Umsatzsteuer enthalten.