OGH vom 26.04.2011, 8Ob13/11m

OGH vom 26.04.2011, 8Ob13/11m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners S***** P*****, geboren am *****, vertreten durch Mag. Robert Igáli Igálffy, Rechtsanwalt in Wien, Insolvenzverwalter Dr. Peter Zens, Rechtsanwalt in Wien, wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 28 R 313/10w 11, mit dem der Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom , GZ 38 S 134/10y 1, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs des Schuldners unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom , GZ 38 S 134/10y 1, wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und Dr. Peter Zens zum Insolvenzverwalter bestellt. Laut Edikt wurde die Insolvenzeröffnung am in der Insolvenzdatei bekannt gemacht.

Gegen diesen Beschluss erhob der Schuldner Rekurs, der laut Faxvermerk am per Telefax an das Erstgericht übermittelt wurde (ON 6).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Rekursgericht das Rechtsmittel als verspätet zurück. Zudem sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Aufnahme eines öffentlich bekannt zu machenden Beschlusses in die Insolvenzdatei habe die Wirkung der Zustellung. Da die öffentliche Bekanntmachung des Eröffnungsbeschlusses am erfolgt sei, habe die 14 tägige Rekursfrist am geendet. Der mittels Telefax erst am eingebrachte Rekurs sei daher verspätet gewesen.

Gegen diesen Zurückweisungsbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Schuldners.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht zur Frage der Rechtzeitigkeit des Rekurses von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen ist.

1. Nach der Bestimmung des § 257 Abs 2 IO ist für den Beginn der 14 tägigen Rekursfrist (§ 260 Abs 1 IO) gegen die Insolvenzeröffnung (§ 2 iVm § 74 IO) die öffentliche Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei (§ 255 IO) maßgebend. Nach ständiger Rechtsprechung wird mit der öffentlichen Bekanntmachung die Zustellung bewirkt, und zwar unabhängig davon, ob auch noch eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist (8 Ob 125/10f mwN). Für die Zustellungswirkung ist somit die Veröffentlichung der Eröffnung in der Insolvenzdatei bzw die Abrufbarkeit der Verfahrensdaten über die Insolvenzeröffnung im Internet maßgebend. Damit kann sich der Rechtsmittelwerber jederzeit genaue Kenntnis vom kundgemachten Beschluss verschaffen (8 Ob 161/09y).

Entgegen der Ansicht des Schuldners muss die Bekanntmachung in der Insolvenzdatei keine über die Veröffentlichung der Verfahrensdaten hinausgehende Begründung enthalten. Auf seine Behauptung, dass die Abrufbarkeit der relevanten Verfahrensdaten im Internet erst am gegeben gewesen sei, kommt es nicht an, weil sich der Rekurs auch bei Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung und Eintritt der Zustellungswirkung bereits am als rechtzeitig erweist.

2.1 Für die fristwahrende Übertragung einer Rechtsmittelschrift mittels Telefax muss das Schriftstück rechtzeitig und grundsätzlich vollständig beim Empfangsgerät der Einlaufstelle des zuständigen Gerichts einlangen. Das Risiko des Nichteinlangens, etwa aufgrund eines technischen Gebrechens, eines Eingabe oder Übertragungsfehlers oder der Tatsache, dass das Empfangsgerät belegt ist, hat der Absender zu tragen (RIS Justiz RS0119013).

2.2 Der Schuldner behauptet keinen technischen Übertragungsfehler, sondern den rechtzeitigen Eingang seiner Telefaxsendung bereits am . Dieses Vorbringen unterliegt nicht dem Neuerungsverbot, weil es sich bei der Überprüfung der Wirksamkeit einer Zustellung und der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels um von Amts wegen wahrzunehmende Umstände handelt.

Nach den vom Obersten Gerichtshof veranlassten Erhebungen wurde die Telefaxsendung mit dem Rekurs des Schuldners im Umfang von zehn Seiten am um 23:56 Uhr vom Telefaxgerät seines Vertreters aus an das Empfangsgerät der Einlaufstelle des Erstgerichts übermittelt und im dortigen Übertragungsprotokoll unter der Nr 6296 verzeichnet. Die Übertragung war nach 1 Minute und 46 Sekunden ordnungsgemäß abgeschlossen. Aufgrund eines technischen Defekts am Sendegerät wurden sowohl im Faxvermerk auf dem Rekurs (ON 6) als auch auf dem Sendebericht des Vertreters des Schuldners falsche Übertragungszeiten angegeben.

Die Bescheinigungslage ergibt sich aus den Erhebungen des Erstgerichts (ON 18) sowie aus den vom Schuldner mit dem Revisionsrekurs vorgelegten Urkunden. Beim Journal Beilage ./A handelt es sich um das Übertragungsprotokoll des Empfangsgeräts der Einlaufstelle des Erstgerichts. Aus diesem Protokoll sind die Faxsendungen zwischen , 16:24 Uhr, und , 8:30 Uhr, ersichtlich. Darin ist nur eine aus zehn Seiten bestehende Sendung verzeichnet, und zwar jene mit der Übertragungsnummer 6296. Eine am kurz nach Mitternacht eingelangte Sendung lässt sich dem Protokoll nicht entnehmen. Die Zeitangaben im Faxvermerk auf dem Rekurs ON 6 sowie auf dem Sendebericht des Vertreters des Schuldners (Beilage ./B) sind somit unrichtig. Aufgrund der zeitlichen Nähe der Übertragung Nr 6296 laut Journal Beilage ./A zu den Angaben im Faxvermerk (ON 6) und auf dem Sendebericht (Beilage ./B), weiters derselben Seitenanzahl sowie der nahezu übereinstimmenden Übertragungsdauer kann die Faxübermittlung des Vertreters des Schuldners eindeutig jener mit der Nr 6296 laut Journal des Erstgerichts zugeordnet werden.

2.3 Da der Rekurs somit bereits am mittels Telefax ordnungsgemäß beim Erstgericht eingebracht und durch Beibringung des Originals samt Anwaltsunterschrift verbessert wurde, war der Rekurs des Schuldners rechtzeitig. Der Zurückweisungsbeschluss des Rekursgerichts war daher ersatzlos zu beheben und dem Rekursgericht die inhaltliche Entscheidung über den Rekurs aufzutragen.

Ein Kostenersatz kommt im Insolvenzverfahren nicht in Betracht (RIS Justiz RS0065227).