OGH vom 13.04.2016, 10Ob9/16w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1. Arch. DI C*****, 2. Mag. Arch. G*****, beide *****, beide vertreten durch Hämmerle Hübner Rechtsanwälte OG in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien (ehemals 1. Z***** HotelbetriebsgesmbH, *****,) 2. A*****, vertreten durch Dr. Peter Sparer, Rechtsanwalt in Innsbruck, 3. Dr. K*****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (eingeschränkt) 99.606,91 EUR sA, über die außerordentliche Revision der drittbeklagten Partei (Revisionsinteresse 42.393,91 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 10 R 85/15y 78, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Kläger sind Architekten. Der Zweitbeklagte und der drittbeklagte Rechtsanwalt sind Gesellschafter der vormals erstbeklagten Hotelbetriebs Gesellschaft mbH. Der Zweitbeklagte fungierte auch als Geschäftsführer dieser Gesellschaft.
Im Oktober 2008 unterfertigten die beiden Kläger, der Zweitbeklagte (als Geschäftsführer und Gesellschafter der Erstbeklagten) und der Drittbeklagte (als deren Gesellschafter) den als „Vereinbarung/Werkvertrag“ bezeichneten Vertrag betreffend den Zu und Umbau des von der Erstbeklagten angekauften Hotels. Zuvor waren von mehreren Architekturbüros Vorschläge eingeholt worden; die Voschläge der beiden Kläger hatten aber am meisten überzeugt. Nach Punkt A.2) des mit „Präambel“ übertitelten Vertragsteils erklären die Gesellschafter, den Auftragnehmern gegenüber gemeinsam mit der erstbeklagten Gesellschaft die persönliche Haftung für die Erfüllung sämtlicher aufgrund dieser Vereinbarung gegenüber den Auftragnehmern übernommenen Pflichten zu übernehmen, insbesondere was den Ausgleich deren Gebührennote anlangt. Nach Pkt A.3) sind auf der Vertragsliegenschaft ein Zubau zum bestehenden Hotel und weitere Umbaumaßnahmen (Foyer, Rezeption, Anbindung des Eingangsbereichs an den Bestand) beabsichtigt, nach Pkt A.4) des Vertrags sollte auch eine Änderung im Keller- und Dachgeschoss und an den Außenanlagen (Terrasse, Schwimmbad etc) erfolgen. Laut Pkt A.5) betragen die Herstellungskosten nach einer „ersten Schätzung“ insgesamt 1.825.000 EUR, davon 1.650.000 EUR für den Zubau (exklusive Arbeiten nach Punkt A.4)). Nach Pkt B.1) des mit „Auftrag“ übertitelten Vertragsteils beauftragen die Auftraggeber die Auftragnehmer mit der Erstellung des in der Präambel beschriebenen Bauvorhabens und die Auftragnehmer nehmen diesen Auftrag an. Der Auftrag besteht aus Vorentwurf, Entwurf, Einreichplanung, Kostenberechnungsgrundlage, Ausführungs und Detailzeichnungen, Leistungsverzeichnis etc. Nach Pkt B.2) sind sämtliche Tätigkeiten der Auftragnehmer in ständigem Kontakt mit dem Auftraggeber zu erbringen, wobei jeweils einer der Gesellschafter bzw der Geschäftsführer binnen 24 Stunden für eine entsprechende Entscheidungsfindung bzw direkte Weisung an die Auftragnehmer zur Verfügung zu stehen hat. In Pkt C.2) des mit „Entgelt“ übertitelten Vertragsteils wird ausgehend von einer geschätzten Netto Herstellungssumme das Honorar festgelegt („Beispielrechnung“). In weiteren Vertragsteilen werden Regelungen zur vorzeitigen Auflösung und zum Rücktritt, zur Beendigung der Tätigkeit der Auftragnehmer, Verjährung etc getroffen. Nach Punkt H.1) des Vertrags bedürfen Änderungen und Ergänzungen des Vertrags der Schriftform. Die schriftliche Fassung dieses Vertrags stammte von den Klägern.
Im Hinblick auf Finanzierungsschwierigkeiten kam es letztlich ausschließlich zur Ausführung des Dachbodenausbaus. Zuvor war der Zweitbeklagte vom ursprünglich geplanten „5 Achsen Umbau“ auf einen „3 Achsen Umbau“ („reduziertes Hotel“) zurückgegangen, was Änderungen des Konzepts mit sich brachte. Der Zweitbeklagte hatte mündlich auch den Wunsch geäußert, eine Planung für den Hang auf der von der Erstbeklagten ebenfalls erworbenen Nachbarliegenschaft zu erstellen, worauf die Kläger Planungsleistungen für eine Terrassenhausanlage, eine Reihenhausanlage und eine Chalet Anlage in verschiedenen Varianten durchführten.
Die Kläger begehren (nach Klageeinschränkung) von den Beklagten zur ungeteilten Hand an offenem Honorar 99.606,91 EUR sA.
Die Beklagten bestritten und beantragten die Klageabweisung. Die Zweitbeklagte und die vormals Erstbeklagte wendeten aufrechnungsweise eine Gegenforderung von 298.512,23 EUR an Umsatzausfall in den Fertigstellungsphasen und infolge der notwendigen Totalschließung des Hotels ein.
In der Streitverhandlung vom schlossen die Kläger mit der erstbeklagten Hotelbetriebs Gesellschaft mbH einen rechtskräftigen Vergleich, dies unpräjudiziell für die beiden verbliebenen Beklagten. Zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung war die Erstbeklagte in Insolvenz.
Das Erstgericht erkannte die Klageforderung (im Hinblick auf einen Abzug für den Sanierungsaufwand für einen Mangel der planlichen Gestaltung im Bereich des Niveaus der Balkone/Terrassen in Höhe von 10.920 EUR brutto) mit 88.686,91 EUR sA als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete den Zweit und Drittbeklagten unter Bedachtnahme auf den von der Erstbeklagten geschlossenen Vergleich zur ungeteilten Hand zur Zahlung von 88.686,91 EUR sA.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Zweit- und Drittbeklagten teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass die Klageforderung unter Einschluss des unbekämpften und des bestätigten Teils mit 42.393,91 EUR als zu Recht und die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend erkannt und der Zweit und Drittbeklagte unter Bedachtnahme auf den mit der Erstbeklagten geschlossenen Vergleich zur ungeteilten Hand schuldig erkannt wurden, den Klägern 42.393,91 EUR sA zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 57.213 EUR sA wurde abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Rechtlich legte das Berufungsgericht soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich seiner Entscheidung zugrunde, dass der Vertrag/Werkvertrag rechtswirksam zustande gekommen sei. Die vom Drittbeklagten unterzeichnete Erklärung sei als Schuldbeitritt iSd § 1347 ABGB zwecks Gutstehung für die gegen die erstbeklagte Gesellschaft gerichteten Forderungen zu qualifizieren. Im Hinblick darauf, dass in den Punkten A.3) und A.4) des Vertrags allgemein sowohl von einem Zubau als auch von einem Dachgeschossausbau die Rede sei, sei für den Drittbeklagten sowohl die reduzierte Variante des „3 Achsen Zubaus“ als auch der Dachgeschossausbau als im Vertrag ausdrücklich in Aussicht genommene Leistungen noch „deutlich erkennbar“ im Sinn des § 1353 ABGB gewesen. Diese Leistungen seien von der Interzession rechtswirksam weil schriftlich erklärt erfasst. Für die als neue Projekte anzusehenden, allein vom Zweitbeklagten (für die erstbeklagte Partei) mündlich in Auftrag gegebenen Planungen für die Terrassenhausanlage, die Reihenhaus und die Chaletanlage hafte der Drittbeklagte jedoch nicht. Die Klageforderung bestehe daher im Umfang des darauf entfallenden Honorars von 46.293 EUR nicht zu Recht.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den klagestattgebenden Teil dieser Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision des Drittbeklagten ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
1.1 Die Einwilligung in einem Vertrag muss frei, ernstlich, bestimmt und verständlich erklärt werden (§ 869 ABGB). Eine Erklärung ist bestimmt, wenn ihr die wesentlichen Rechtsfolgen, die der Erklärende anstrebt, entnehmbar sind, und ihr Inhalt im Übrigen nach dem jeweiligen beabsichtigten Geschäftstyp (eindeutig) bestimmbar ist (RIS Justiz RS0014693 [T4, T 5], RS0014010).
1.2 Die Beurteilung, ob nach der Entscheidung für die von den Klägern erstellten Vorschläge der in Pkt B.1) der Vereinbarung bzw des Werkvertrags erteilte Auftrag für das in der Präambel in den Punkten A.3) und A.4) beschriebene Bauvorhaben und der Umfang der Forderung, für die der Revisionswerber haften soll, ausreichend bestimmt ist, wirft nur eine auf den jeweiligen Einzelfall abzustellende Auslegungsfrage auf (RIS Justiz RS0113547 [T1]). Diese Frage könnte vom Revisionsgericht nur dann aufgegriffen werden, wenn das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung zu einem geradezu unvertretbaren Ergebnis gelangt wäre. Das ist hier nicht der Fall. Mag auch der Drittbeklagte subjektiv der Ansicht gewesen sein, die Werkvertragsleistung und der Umfang seiner Haftung sei noch unbestimmt und bedürfte einer laut Pkt H.1) des Vertrags in Schriftform zu erfolgenden Konkretisierung bzw Ergänzung, so sind die aus einer Erklärung abzuleitenden Rechtsfolgen nicht danach zu beurteilen, was der Erklärende sagen wollte oder was der Erklärungsempfänger darunter verstanden hat, sondern danach, wie die Erklärung bei objektiver Beurteilung der Sachlage zu verstehen war (RIS Justiz RS0014205). Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RIS Justiz RS0014160).
2. Auch mit dem Vorbringen, so seine Haftung überhaupt bestehe, liege zu deren Umfang eine unwirksame „Erweiterungsvereinbarung“ vor, zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung auf. Auf den zu Gutstehungszwecken beitretenden Mitschuldner kommt analog das Schriftformgebot des § 1346 Abs 2 ABGB zur Anwendung (4 Ob 205/09i). Es gilt § 1353 ABGB, nach dem die Bürgschaft nicht weiter ausgedehnt werden kann, als sich der Bürge ausdrücklich erklärt hat (RIS Justiz RS0018048). „Ausdrücklich“ iSd § 1353 ABGB bedeutet nicht mehr als „deutlich erkennbar“ (RIS Justiz RS0032159; P . Bydlinski in KBB 4 § 1353 Rz 2). So ist etwa die Übernahme der Bürgschaft für einen in seiner Höhe ziffernmäßig noch nicht feststehenden Kredit grundsätzlich wirksam (RIS Justiz RS0032062). Damit im Einklang steht die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der genaue Umfang der Mithaftung im Zeitpunkt des Schuldbeitritts noch nicht feststehen muss. Ob die im Vertrag in Aussicht genommenen Leistungen (Zubau und Dachgeschossausbau) für den Drittbeklagten noch „deutlich erkennbar“ iSd § 1353 ABGB waren, also der Gesamtumfang der Mithaftung zureichend umschrieben ist, wirft nur eine spezifische, auf den jeweiligen Einzelfall abzustellende Auslegungsfrage auf. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege keine unzulässige Erstreckung der Haftung vor, vielmehr hafte der Drittbeklagte für die Honorare für die Planung des Zubaus und des Dachbodenausbaus, da diese eine Verpflichtung der Hauptschuldnerin darstellen, hält sich im Rahmen der bisher bestehenden Rechtsprechung (RIS Justiz RS0032050; RS0032062 [T5]; RS0032159; 8 Ob 29/94). Darauf, dass eine Haftungserklärung eines Bürgen (Mitschuldners) streng auszulegen und im Zweifel anzunehmen ist, dass sich der Bürge (Mitschuldner) eher eine geringere als die schwerere Last auferlegen wollte (§ 915 ABGB,§ 1353 Satz 1 ABGB;6 Ob 142/10s), hat das Berufungsgericht ausdrücklich Bedacht genommen. Sind die Honorare für den Zubau und den Dachgeschossausbau als von der schriftlichen Haftungserklärung umfasst anzusehen, kann sich der Revisionswerber auch nicht erfolgreich darauf berufen, seine Haftung könnte mangels Einhaltung der Schriftform nicht schlagend werden.
3. Letztlich stellt es kein infolge wesentlicher Verkennung der Rechtslage unvertretbares Auslegungsergebnis dar, wenn die Vorinstanzen Punkt B.2) des Vertrags dahin ausgelegt haben, eine Informationspflicht der Kläger habe nur gegenüber einem der Auftraggeber (Mitschuldner) bestanden, die Kläger seien aber nicht dazu verpflichtet gewesen, alle Auftraggeber (Mitschuldner) gleichzeitig über jeden einzelnen Schritt sowie den Fortgang der Planungen und Auftragsleistungen auf dem Laufenden zu halten.
Die außerordentliche Revision des Drittbeklagten war daher zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0100OB00009.16W.0413.000