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VfGH vom 06.12.1986, B228/86

VfGH vom 06.12.1986, B228/86

Sammlungsnummer

11164

Leitsatz

EStG 1972; Besteuerung des nominellen Wertzuwachses aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung - keine Substanzbesteuerung der Art, die den Wesensgehalt des Eigentumsrechtes oder das Sachlichkeitsgebot verletzen würde; bei den vorherrschenden wirtschaftlichen Gegebenheiten durch die Regelung des § 27 Abs 2 Z 1 kein Überschreiten der Grenzen rechtspolitischer Gestaltungsfreiheit; keine Bedenken gegen § 27 Abs 2 Z 1; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und keine Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm durch Besteuerung von Wertsicherungsbeträgen gemäß § 27 Abs 2 Z 1

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bf. hat der U Industrie - Ges.m.b.H., deren Gesellschafter und Geschäftsführer er ist, aufgrund eines Darlehensvertrages vom mehrere Darlehen in der Höhe von über 20 Millionen S gewährt. Dabei wurde eine Wertsicherung des Vermögensstammes nach dem Verbraucherpreisindex 1976 und eine 5%ige Verzinsung p.a. vereinbart. Nach einer Betriebsprüfung und der Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs 4 BAO rechnete das Finanzamt im Bescheid betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 1981 die Wertsicherungsbeträge gemäß § 27 Abs 2 Z 1 EStG zu Einkünften aus Kapitalvermögen. Die Berufung an die Finanzlandesdirektion blieb erfolglos.

2. Diesen Bescheid bekämpft der Bf. und wendet ein, daß § 27 Abs 2 Z 1 EStG gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und Unverletzlichkeit des Eigentumes verstoße. Wertsicherungen sicherten den Vermögensstamm, der systemgemäß nicht der Einkommenbesteuerung unterworfen werden könne. Es sei die Besteuerung von Einkünften in einem Ausmaß, das die Nettoeinkünfte unter die Inflationsrate absinken lasse, von jener Besteuerung, die kraft gesetzlicher Regelung von vorneherein den Vermögensstamm angreife, zu unterscheiden. Der VfGH unterscheide in VfSlg. 7770/1976 daher folgerichtig zwischen der Erzielung von Kapitaleinkünften und der Wertsicherung des hingegebenen Kapitals.

3. Die Finanzlandesdirektion legte den Verwaltungsakt vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie zur Verfassungskonformität der gegenständlichen Bestimmung Stellung nahm und die Abweisung der Beschwerde beantragte.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. § 27 Abs 2 Z 1 EStG bestimmt ua., daß nominelle Mehrbeträge aufgrund einer Wertsicherung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören.

Diese Bestimmung wurde mit der Nov. BGBl. 563/1980 in das Einkommensteuergesetz aufgenommen. Dabei verwarf der Gesetzgeber eine auf eine Entscheidung eines verstärkten Senates zurückgehende, jahrzehntelange Judikatur des VwGH, die Wertsicherungsbeträge für steuerfrei erklärte (vgl. VwSlg. 1214/F/1955). Der VwGH legte dieser Auffassung die Unterscheidung zwischen Früchten und Vermögensstamm zugrunde: Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen sollten nur die Früchte einer Kapitalnutzung zählen. Bloß nominelle Wertzuwächse, die sich aus Wertsicherungsvereinbarungen ergeben, hätten nur die Wirkung, den Vermögensstamm zu erhalten, seien daher nicht Früchte einer Kapitalnutzung und unterlägen dementsprechend nicht der Einkommensteuer.

In Abkehr von dieser Judikatur legte der Gesetzgeber mit der zitierten Nov. BGBl. 563/1980 fest, Wertsicherungsbeträge dennoch den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen. In den Erläuterungen zur RV wurde dies damit begründet, daß die Auffassung des VwGH

"mit dem Nominalwertprinzip unvereinbar (erscheine). Denn nach diesen Grundsätzen wirken sich Wertänderungen des Kapitals auf die Besteuerung der tatsächlich erzielten Nominalerträge nicht aus. Kapitalerträge sind im allgemeinen unabhängig von realen Wertänderungen der Kapitalanlage zu versteuern. Nominelle Erträge können daher nicht zum Zwecke des Ausgleiches einer Wertminderung der Kapitalanlage außer acht gelassen werden. Ein nomineller Wertzuwachs, der sich aus einer Vereinbarung ergibt, die zum Zwecke einer Wertsicherung des Kapitals (Vermögensstammes) getroffen wurde, ist demnach den Früchten des Kapitals und nicht etwa der Kapitalsphäre zuzurechnen." (BlgNR XV. GP, 457)

2. Der Bf. meint, daß der Gesetzgeber durch die Besteuerung des nominellen Wertzuwachses aufgrund einer Wertsicherungsvereinbarung in exzessiver Weise den Gleichheitsgrundsatz und die Eigentumsgarantie verletzte, weil er ohne Unterscheidung jedwede Mehrbeträge der Abgabenpflicht unterstelle und damit den Vermögensstamm selbst einer ertragsabhängigen Steuer unterwerfe.

Der VfGH teilt diese Bedenken jedoch nicht und sieht sich nicht veranlaßt, von Amts wegen ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten:

Der Gerichtshof ist nicht der Auffassung, daß die Einbeziehung der Erträge aus einer Wertsicherungsklausel als eine Substanzbesteuerung der Art zu qualifizieren ist, daß damit der Wesensgehalt des Grundrechts der Unversehrtheit des Eigentums oder das dem Gleichheitsgebot innewohnende Sachlichkeitsgebot verletzt würde.

Dabei geht der Gerichtshof davon aus, daß bei Darlehensverträgen ohne Wertsicherungsklauseln in der Regel de facto die Zinsen zT die Funktion einer Wertsicherung übernehmen (was sich wirtschaftlich auch darin zeigt, daß bei Darlehen mit Wertsicherungsvereinbarungen regelmäßig Zinsenvereinbarungen in geringerer Höhe zu finden sind). Nun erachtete es der VfGH in VfSlg. 7770/1976 für verfassungsrechtlich unbedenklich, auch jenen Teil der Zinsen der Einkommensteuer zu unterwerfen, der seiner wirtschaftlichen Funktion nach bloß der Abdeckung der inflationsbedingten Kapitalentwertung dient. Es sei nämlich dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht verwehrt, aus vertretbaren rechtspolitischen Erwägungen auch eine reale Vermögenssteuer einzuführen, bei der die Abgabenschuld grundsätzlich nicht aus dem Einkommen, sondern aus dem Vermögensstamm zu tragen ist.

Wendet man diese Sentenz auf das im vorliegenden Fall zur Erörterung stehende Problem an, so ergibt sich, daß auch Einkünfte aus Wertsicherungsklauseln an sich der Einkommensteuer unterworfen werden dürfen, da ja die Wertsicherungsbeträge durch die genannte Nov. den Zinsen gleichgestellt wurden (vgl. Hassler, ÖStZ 1983, 114 f., 119). Eine solche Entscheidung des Gesetzgebers hält sich - wie sich der Sache nach ebenfalls schon aus VfSlg. 7770/1976 ergibt - im Rahmen der ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine solche grundsätzlich zulässige Regelung unsachlich oder sonst verfassungswidrig machen könnten. Wo immer eine solche Grenze im einzelnen verläuft: der Gesetzgeber hat sie jedenfalls nicht überschritten, wenn er bei den vorherrschenden wirtschaftlichen Gegebenheiten (vgl. auch VfSlg. 8727/1980, 9583/1982) auch Einkünfte aus Wertsicherungsvereinbarungen zu Einkünften aus Kapitalvermögen rechnet.

Die Regelung bewirkt aber auch sonst keine Gleichheitswidrigkeit: Die bel. Beh. weist zutreffenderweise darauf hin, daß im Rahmen anderer Einkunftsarten Erträge aufgrund von Wertsicherungen schon bisher einkommensteuerrechtlich erfaßt wurden. Zum Beispiel werden Wertsicherungsbeträge von Darlehen, die beim Darlehensgeber zum Betriebsvermögen gehören, zu den Betriebseinnahmen gerechnet. So gesehen ist durch die Nov. des § 27 Abs 2 Z 1 EStG eine Gleichstellung privater mit betrieblichen Darlehen eingetreten.

3. Die vom Bf. behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Da gegen § 27 Abs 2 Z 1 EStG verfassungsrechtliche Bedenken nicht entstanden sind und der VfGH auch sonst gegen die den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken hat, wurde der Bf. auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt. Die Beschwerde war daher abzuweisen.