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OGH vom 01.02.2011, 10Ob89/10a

OGH vom 01.02.2011, 10Ob89/10a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch und Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen K*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, Bezirk 10, 1100 Wien, Van der Nüll Gasse 20), wegen Unterhaltsvorschuss, über den Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 306/10h 121, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 6 PU 53/10t 105, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Vater hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der am geborene Minderjährige ist der Sohn von M***** und O*****. Der Vater wurde zuletzt mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom (ON 13 sowie ON 20) zur Leistung eines monatlichen Unterhalts von 255 EUR an den Minderjährigen verpflichtet.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom (ON 40) wurden dem Minderjährigen Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe für die Zeit vom bis weitergewährt, die in der Folge mit Beschluss des Erstgerichts vom (ON 67) bzw mit Beschluss des Rekursgerichts vom (ON 80) ab dem auf 40 EUR monatlich herabgesetzt wurden. Dieser Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse lag zugrunde, dass der Vater mit seiner Ehegattin und der am geborenen Tochter E***** im gemeinsamen Haushalt lebt und über ein monatliches Gesamteinkommen von 959,70 EUR (= Bezug des Kinderbetreuungsgeldes für die minderjährige E***** und eines Pensionsvorschusses) verfügte. Dem Vater verblieb somit abzüglich der Unterhaltsleistung für den Minderjährigen ein Einkommen von 704,70 EUR monatlich. Da das Erstgericht dennoch gemäß § 7 UVG Bedenken gegen die finanzielle Leistungsfähigkeit des Vaters hatte und sich der Rekurs des durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Minderjährigen nur gegen die Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse auf den Betrag von 40 EUR monatlich für die Monate März und April 2009 richtete, verblieb es bei der unbekämpften Herabsetzung der Unterhaltsvorschüsse auf 40 EUR monatlich ab .

Mit Antrag vom (ON 79 bzw ON 94) beantragte der Jugendwohlfahrtsträger als Vertreter des Minderjährigen, die Unterhaltsvorschüsse ab auf 120 EUR monatlich anzuheben. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass der Vater seit eine Invaliditätspension in Höhe von 635 EUR monatlich netto beziehe und der Minderjährige unter Berücksichtigung der Sorgepflicht des Vaters für die minderjährige E***** Anspruch auf Unterhalt in Höhe von 19 % des Nettoeinkommens seines Vaters (= 120 EUR monatlich) habe. Das Erstgericht erhöhte daraufhin mit Beschluss vom (ON 95) die Unterhaltsvorschüsse gemäß § 19 Abs 2 UVG antragsgemäß ab von bisher 40 EUR monatlich auf 120 EUR monatlich. Gegen diesen Beschluss erhob der Unterhaltsschuldner rechtzeitig Rekurs mit dem Vorbringen, dass er seit für ein weiteres Kind sorgepflichtig sei.

Mit Antrag vom (ON 97 bzw ON 101) beantragte der durch den Jugendwohlfahrtsträger vertretene Minderjährige, ihm Unterhaltsvorschüsse in der Höhe von 120 EUR monatlich weiterzugewähren.

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss des Erstgerichts vom (ON 105) wurden dem Minderjährigen für die Zeit vom bis gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG Unterhaltsvorschüsse in Höhe von 120 EUR monatlich mit der Begründung weitergewährt, dass der Weitergewährungsantrag rechtzeitig gestellt worden sei und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass die Voraussetzungen für die Vorschussgewährung nicht mehr gegeben seien. Gleichzeitig ordnete das Erstgericht die Innehaltung der Auszahlung der einen Betrag von 40 EUR monatlich übersteigenden Unterhaltsvorschüsse mit der Begründung an, dass der Vater gegen den Erhöhungsbeschluss (ON 95) einen Rekurs erhoben habe.

Das Rekursgericht gab mit Beschluss vom (ON 122) dem vom Vater gegen den Erhöhungsbeschluss vom (ON 95) erhobenen Rekurs Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts im Sinne einer Abweisung des entsprechenden Erhöhungsantrags des Minderjährigen (ON 79 bzw ON 94) ab. Es verwies insbesondere darauf, dass mit Beschluss des Erstgerichts vom (ON 67) bzw des Rekursgerichts vom (ON 80) die dem Minderjährigen gewährten Unterhaltsvorschüsse gemäß § 7 Abs 1 Z 1 UVG auf 40 EUR monatlich herabgesetzt worden seien. Werden Vorschüsse aufgrund von begründeten Bedenken gegenüber dem Titel teilweise herabgesetzt, werde in der Praxis auf entsprechenden Antrag des Minderjährigen in analoger Anwendung des § 19 Abs 2 UVG eine Angleichung an den Titel zugelassen, wenn die Gründe, die zur Herabsetzung geführt haben, weggefallen seien. Eine solche Änderung der Verhältnisse müsse vom antragstellenden Minderjährigen mit entsprechenden Tatsachenbehauptungen vorgebracht werden. Da dies hier nicht der Fall sei, sei der Erhöhungsantrag des Minderjährigen nicht berechtigt.

Weiters gab das Rekursgericht mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss ebenfalls vom (ON 121) dem Rekurs des Vaters gegen den Weitergewährungsbeschluss des Erstgerichts vom dahin Folge, dass es diesen Beschluss aufhob und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auftrug. Es führte dazu im Allgemeinen aus, dass die Weitergewährung von Vorschüssen an weniger strenge Voraussetzungen geknüpft sei als die Erstgewährung. Das Kind habe im Wesentlichen bloß zu behaupten, dass die Voraussetzungen, die bei der Erstgewährung angenommen worden seien, weiterhin gegeben seien. Seien die Vorschüsse herabgesetzt worden, könne eine Weitergewährung nur in der verminderten Höhe erfolgen. Das Gericht sei nicht berechtigt, im Zusammenhang mit der Weitergewährung den ursprünglichen Gewährungsbeschluss zu überprüfen, sondern nur, ob abgesehen vom Fall des § 18 Abs 2 UVG die früheren Gewährungsgrundlagen noch gegeben seien. Neue Versagungsgründe iSd § 7 UVG seien jedoch auch bei der Weitergewährungsentscheidung uneingeschränkt von Amts wegen zu beachten. An diesen Grundsätzen habe sich auch durch die Novellierung des UVG durch das FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, nichts geändert.

Im konkreten Fall sei vom Erstgericht zu Unrecht die bereits aktenkundige weitere Sorgepflicht des Vaters für seine am geborene Tochter A***** nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen seien die näheren Lebensumstände der im gemeinsamen Haushalt lebenden Familie des Vaters insbesondere auch der Umstand, ob er Kinderbetreuungsgeld oder einen Kinderzuschuss für seine Tochter A***** beziehe, nicht bekannt. Erst nach amtswegiger Erklärung dieser Umstände werde beurteilt werden können, ob eine die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse in der bisherigen Höhe voraussetzende bestehende Unterhaltspflicht des Vaters gegeben sei oder ob sie gegenüber dem bestehenden Titel herabzusetzen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil im Hinblick auf die Bestimmungen des UVG idF FamRÄG 2009 noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu der Frage vorliege, unter welchen Umständen die (auch nur teilweise) Versagung der Vorschüsse möglich sei bzw ob im Sinne des Ziels der Kontinuität der Vorschussleistungen die Vorschüsse nunmehr jedenfalls zu bewilligen und gleichzeitig im Hinblick auf die bestehenden Zweifel von Amts wegen Ermittlungen in Richtung Herabsetzung bzw Einstellung einzuleiten seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Minderjährigen, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger, mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses, in eventu Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse in einer auch geringeren Höhe.

Der Vater beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben. Die übrigen Verfahrensparteien haben keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zwar zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Minderjährige macht in seinen Rechtsmittelausführungen geltend, mit der Änderung des UVG durch das FamRÄG 2009 habe auch die Kontinuität der Vorschusszahlungen für die Kinder gesichert werden sollen. Der Vater sei seit Jahren keiner versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen und beziehe (auch jüngst) Notstandshilfe. Es sei daher bei ihm der Anspannungsgrundsatz anzuwenden, weshalb auch die Voraussetzungen für die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse gegeben seien.

Dazu wurde Folgendes erwogen:

1. Der Minderjährige hat mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Eingabe die Weitergewährung der Titelvorschüsse in Höhe von 120 EUR monatlich beantragt. Dieser Antrag ist als „verfahrenseinleitender Antrag“ iSd § 37 Abs 2 UVG anzusehen, weshalb auf den Antrag soweit hier von Bedeutung die Bestimmungen des UVG in der durch das FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) novellierten Fassung anzuwenden sind (10 Ob 71/10d).

2. Nach § 18 Abs 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse für längstens jeweils fünf weitere Jahre zu gewähren, wenn 1. dies das Kind spätestens innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Monats, für den der letzte Vorschuss gezahlt wird, beantragt und 2. keine Bedenken dagegen bestehen, dass die Voraussetzungen der Gewährung der Vorschüsse, ausgenommen die des § 3 Z 2, weiter gegeben sind. § 18 Abs 2 UVG sieht einen Vorschussversagungsgrund vor, wenn es wahrscheinlich ist, dass die laufenden Unterhaltsbeiträge künftig im Weg freiwilliger Zahlungen oder der Exekution vom Unterhaltsschuldner voll eingehen werden.

2.1 § 18 Abs 1 Z 2 UVG stellt nach seinem auch durch das FamRÄG 2009 unverändert gebliebenen Wortlaut im Wesentlichen darauf ab, dass die Voraussetzungen der Vorschussgewährung gegeben sein müssen. Die Rechtsprechung hat daraus abgeleitet, dass das Gericht nicht berechtigt ist, im Zusammenhang mit der Weitergewährung den ursprünglichen Gewährungsbeschluss zu überprüfen. Haben sich nach der Erstgewährung die Sach und Rechtslage nicht geändert, ist eine abweichende rechtliche Beurteilung im Weitergewährungsverfahren ausgeschlossen (RIS Justiz RS0122248 [T1]). Diesen Gedanken der Kontinuität der Vorschussgewährung hat der Oberste Gerichtshof insoweit ausgedehnt, als er ihn auch für das Verhältnis zwischen einem früheren Weitergewährungsbeschluss und einem späteren Weitergewährungsantrag heranzieht (10 Ob 71/10d mwN).

2.2 Es entspricht ebenfalls ständiger Rechtsprechung, dass für den Fall, dass die Vorschüsse infolge begründeter Bedenken nach § 7 Abs 1 Z 1 UVG gegenüber dem Unterhaltstitel herabgesetzt wurden, eine Weitergewährung nur in der verminderten Höhe erfolgen kann ( Neumayr in Schwimann , ABGB³ I § 18 UVG Rz 1 mwN ua). Es wird in der Praxis allerdings auf entsprechenden Antrag eine Angleichung von laufenden Vorschüssen an den nicht herabgesetzten Titel zugelassen, wenn die Gründe, die zur Einschränkung bzw teilweisen Versagung geführt haben, weggefallen sind. Solange begründete Bedenken bestehen, dass die im Titel festgesetzte Unterhaltspflicht über die gesetzliche Unterhaltspflicht hinausgeht, kann einem Antrag auf Angleichung der Vorschüsse an die volle Titelhöhe nicht stattgegeben werden. Die Änderung der Verhältnisse muss vom antragstellenden Kind mit entsprechenden Tatsachenbehauptungen vorgebracht werden. Eine Anpassung an die Titelhöhe von Amts wegen ist nicht möglich ( Neumayr aaO § 19 UVG Rz 26 mwN). Es kann daher das Kind den Weitergewährungsantrag auch mit einem Erhöhungsantrag kombinieren, wobei Letzterer Behauptungen über eine Änderung der Verhältnisse voraussetzt ( Neumayr aaO § 18 UVG Rz 1 mwN).

3. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass der dem Minderjährigen mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichts vom (ON 40) für die Zeit vom bis weitergewährte Unterhaltsvorschuss in Titelhöhe (255 EUR monatlich) mit Beschluss des Erstgerichts vom (ON 67) bzw mit Beschluss des Rekursgerichts vom (ON 80) aufgrund begründeter Bedenken nach § 7 Abs 1 UVG ab rechtskräftig auf 40 EUR monatlich herabgesetzt wurde. Der Erhöhungsantrag des Minderjährigen vom (ON 79 bzw ON 94) blieb letztlich erfolglos (vgl Beschluss des Rekursgerichts vom , ON 122).

Der gegenständliche Antrag des Klägers auf „Weitergewährung“ der Unterhaltsvorschüsse in Höhe von 120 EUR monatlich (ON 97 bzw ON 101) ist daher im Sinne der oben dargelegten Ausführungen gleichzeitig auch als Erhöhungsantrag zu werten, wobei der Minderjährige entsprechende Tatsachenbehauptungen über eine Änderung der Verhältnisse vorzubringen hat. Der Minderjährige kann sich daher durch die vom Rekursgericht verfügte Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses und die Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung im Ergebnis nicht beschwert erachten, da ihm dadurch erst die Möglichkeit zur Erstattung des für seinen Rechtsstandpunkt erforderlichen Tatsachenvorbringens eröffnet wird. Die vom Minderjährigen begehrte Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse von zuletzt 40 EUR monatlich auf 120 EUR monatlich kommt nur bei einer vom Minderjährigen noch entsprechend darzulegenden Änderung der Verhältnisse in Betracht.

Dem Revisionsrekurs des Minderjährigen musste daher ein Erfolg versagt bleiben.

Da im Unterhaltsvorschussverfahren kein Kostenersatz stattfindet (vgl § 10a UVG), hat der Vater die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.