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OGH vom 27.09.2006, 9Ob91/06g

OGH vom 27.09.2006, 9Ob91/06g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski, als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragsteller 1. Mag. Richard W*****, 2. Nora W*****, 3. Isabella L*****, 4. Adelheid B*****, und 5. Dr. Elvira B*****, alle vertreten durch Dr. Karl Grigkar, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner Ing. Anton W*****, vertreten durch Dr. Robert Hyrohs, Rechtsanwalt in Wien, wegen Genehmigung von Mietzins- und Räumungsklagen, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 45 R 705/05t-25, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Beurteilung der Vorinstanzen, die beabsichtigte Einbringung der Mietzins- und Räumungsklagen sei nicht von vornherein als aussichtslos einzustufen, hängt von den festgestellten Umständen des Einzelfalls ab. Eine grobe Verkennung der Rechtslage ist nicht zu erblicken.

1. Soweit der Revisionsrekurswerber rechtsirrig ausführt, die Antragsteller seien als Mehrheitseigentümer nur berechtigt, insgesamt 7/12 der angeblich aushaftenden Mietzinse entsprechend ihren eigenen Anteilen einzufordern, ist darauf hinzuweisen, dass gemeinsame Vermieter Gesamthandgläubiger sind und dementsprechend die Mietzinszahlungen nur von allen Gläubigern gemeinsam gefordert werden können (vgl nur Gamerith in Rummel3 I § 890 ABGB, Rz 8 mwN). Es handelt sich bei den von den Antragstellern beanspruchten Mietzinsforderungen also um der Eigentümergemeinschaft zustehende Forderungen, welche nach § 848 ABGB an die ganze Gemeinschaft zu entrichten sind, die davon ja auch die gemeinschaftlichen Aufwendungen zu bestreiten hat (8 Ob 527/90 = ecolex 1991, 534; weitere Nachweise bei Gamerith in Rummel3 I § 848 ABGB, Rz 5). Dass nicht alle Miteigentümer als Kläger auftreten, beruht allein darauf, dass niemand in einem Rechtsstreit sowohl Kläger als auch Beklagter sein kann.

2. Mit seinen Ausführungen, die Antragsteller haben sich in ihrem Vorbringen zum Genehmigungsantrag lediglich auf eine „angeschlossene gerichtliche Aufkündigung" bezogen und demnach kein Vorbringen zu den behaupteten Mietzinsrückständen erstattet, geht der Revisionsrekurswerber ins Leere, da der Antrag - trotz der aufgezeigten Fehlbezeichnung - im Sinn des § 9 Abs 1 AußStrG hinreichend erkennen lässt, welche gerichtliche Entscheidung die Antragsteller anstreben. Dass diese die „Genehmigung" der Mietzins- und Räumungsklagen (richtiger: die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners zur Klageführung) begehrten, ergibt sich unmissverständlich sowohl aus dem vorformulierten Antragsbegehren (AS 3) als auch aus den zur Genehmigung vorgelegten Klageentwürfen.

3. Wie der Oberste Gerichtshof in wiederholten Entscheidungen ausgesprochen hat, stellt die Einbringung einer Mietzins- und Räumungsklage gegenüber einem Miteigentümer eine wichtige Veränderung dar, die gegen den Willen des Minderheitseigentümers ohne vorherige Genehmigung des Außerstreitrichters nicht erfolgen kann. Nach ständiger Rsp hat der Außerstreitrichter die Entscheidung über die Genehmigung der Aufkündigung eines Minderheitseigentümers durch die Mehrheitseigentümer nach Ermessen danach zu fällen, ob die von der Mehrheit beschlossene Maßnahme ausreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (vgl nur SZ 53/18). Nur bei offenbarer Aussichtslosigkeit der Mietzins- und Räumungsklagen hat der Außerstreitrichter keine Ermächtigung zu erteilen (vgl nur 3 Ob 156/01 mwN). Die bloße Möglichkeit der Erfolglosigkeit der Mietzins- und Räumungsklage rechtfertigt nicht die Versagung der Genehmigung.

Der Einwand des Revisionsrekurswerbers, der Gesamtmietzinsrückstand betrage entsprechend der von einer Zeugin vorgelegten Urkunden lediglich EUR 21.254,39, hat im Revisionsrekursverfahren keine Berücksichtigung zu finden, da der Revisionsrekurswerber im erstinstanzlichen Verfahren lediglich das Bestehen der Gegenforderung, und nicht eine unrichtige Berechnung des Mietzinsrückstandes, einwendete. Dieser erstmals im Rechtsmittelverfahren erhobene Einwand der unrichtigen Berechnung der Mietzinsrückstände stellt eine unzulässige Neuerung dar (RIS-Justiz RS0079200).

4. Unzutreffend führt der Revisionsrekurswerber aus, der vom Rekursgericht nicht gewürdigte Umstand, dass hinsichtlich der unter anderem von den Antragstellern beanspruchten Mietzinse für den Zeitraum April bis Juli 2002 Verjährung eingetreten sei, hätte Eingang in das Genehmigungsverfahren finden müssen. Da die Antragsteller die Mietzinse (betreffend Top 8, 9, 11 und 13) für den Zeitraum Mai 2002 bis August 2005 begehren, hat die Beurteilung der aufgezeigten Verjährungsfrage eine im Hinblick auf den Gesamtwert der beanspruchten Mietzinse nur untergeordnete Bedeutung, deren abschließende Klärung im Streitverfahren zu erfolgen hat und gemäß § 43 Abs 2 ZPO auch keinen Prozesskostennachteil für die Mieteigentümergemeinschaft befürchten lässt. Dementsprechend begründet auch der Verjährungseinwand nicht die zur Untersagung der (uneingeschränkten) Genehmigung erforderliche Aussichtslosigkeit der Mietzinsklagen.

5. Wenn der Revisionsrekurswerber verneint, dass nach Bestellung eines Verwalters kein Miteigentümer zur Vornahme selbständiger (auch außerordentlicher) Verwaltungsmaßnahmen berechtigt ist, so geht diese Ansicht ins Leere, weil die Befugnisse eines Verwalters nur alles umfassen, was zur ordentlichen Verwaltung gehört (vgl Gamerith in Rummel3 I § 837 ABGB Rz 2 ff). Demnach ist der Verwalter nicht berechtigt, außerordentliche Maßnahmen zu treffen, wie etwa die Erhebung einer Mietzins- und Räumungsklagen gegen einen Miteigentümer.

6. Zutreffend führte das Rekursgericht aufgrund der Ergebnisse des dem Erstgericht aufgetragenen Zwischenverfahrens aus, dass die den Erstantragsteller betreffende Zwangsverwaltung mit Beschluss vom rechtskräftig eingestellt - und mittlerweile auch die Löschung der Anmerkung der Zwangsverwaltung im Grundbuch vollzogen - wurde. Nach § 130 Abs 2 EO erlangte der Erstantragsteller bereits mit Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses wieder die Verfügungsbefugnis über seinen Eigentumsanteil an der Liegenschaft, sodass der eingebrachte Genehmigungsantrag durch die Mehrheit der Anteile (7/12) repräsentiert wurde.

7. Dem Einwand des Revisionsrekurswerbers, die Genehmigung von vier Mietzins- und Räumungsklagen entspreche nicht dem Gedanken der Prozessökonomie, kann nicht gefolgt werden, zumal diese verschiedene Bestandobjekte (Top 8, 9, 11 und 13) betreffen und ein unterschiedliches rechtliches Schicksal nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Eine Verbindung der vier Klagen zur gemeinsamen Verhandlung steht ohnehin im Ermessen des Streitgerichtes und kann erfolgen, wenn dadurch voraussichtlich die Erledigung der Prozesse vereinfacht oder beschleunigt oder der Aufwand für die Kosten der Prozessführung vermindert werden wird. Unter diesen Gesichtspunkten stellt sich die Einbringung von vier Klagen nicht als von vornherein unökonomisch dar.

8. Soweit der Revisionsrekurswerber die „Abweisung" seines Unterbrechungsantrages rügt, übersieht er, dass er auch nach dem neuen AußStrG einen vom Rekursgericht verneinten Mangel des Verfahrens erster Instanz im Revisionsrekursverfahren nicht neuerlich geltend machen kann (RIS-Justiz RS0050037, RS0030748). Die Frage, ob § 25 AußStrG anzuwenden ist, stellt eine Frage des Verfahrensrechts dar; eine Fehlbeurteilung begründete somit einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens. Im Übrigen mangelt es an der für die Unterbrechung erforderlichen Präjudizialität (§ 25 Abs 2 Z 1 AußStrG), zu der der Revisionsrekurswerber auch gar nichts substanzielles ausführt.

9. Eine Bekämpfung des Kostenpunktes scheidet im Revisionsrekursverfahren nach § 62 Abs 2 AußStrG aus. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).