OGH vom 27.05.2008, 8ObA20/08m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef L*****, vertreten durch Dr. Helga Hofbauer, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei ÖBB-Personenverkehr Aktiengesellschaft, 1220 Wien, Wagramer Straße 17-19, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen 15.474,54 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 65/07p-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 2 Cga 71/06h-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 976,68 EUR (darin 162,78 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die für das Revisionsverfahren noch wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Der Kläger war seit 1970 bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit bei der Beklagten bzw deren Rechtsvorgänger (Bundesbahnstrukturgesetz 2003 BGBl I Nr 138/2003 - BBSG) beschäftigt. Der Kläger war vom Dienst freigestellter Betriebsrat. Zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem aktiven Dienstverhältnis hatte er noch 66 Tage Resturlaub, woraus sich der Höhe nach unstrittig der geltend gemachte Betrag als Urlaubsabfindung errechnet. Bei dienstfreigestellten Personalvertretern bzw Betriebsräten hatte vorweg der Betriebsratsvorsitzende den Urlaub zu genehmigen und war in weiterer Folge der Urlaub an die Personalabteilung zu melden. Der Kläger hatte einen Urlaubszettel abzugeben. Dieser Urlaubszettel ging ans Personalbüro und wurde im System für die Urlaubserfassung eingearbeitet. Von Seiten der Beklagten wurde dem Kläger der Konsum von weiterem Urlaub nicht angeboten. Die Personalabteilung hat nie auf einen Urlaubsverbrauch durch den Kläger bestanden.
Auf sein Dienstverhältnis gelangten verschiedene Vertragsschablonen zur Anwendung, darunter auch die Urlaubsdienstanweisung DA (79) GD-Nbl. Sbl. 2/1977. Punkt 12 der Urlaubsdienstanweisung lautet:
„12. Urlaubsantritt und Urlaubsverbrauch; Urlaubsplan
12.1 Der Erholungsurlaub darf erst angetreten werden, wenn er genehmigt ist. Der Zeitpunkt des Urlaubsantrittes ist im Einvernehmen zwischen dem Dienststellenvorstand und dem ÖBB-Angestellten unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse des Dienstes und der Erholungsmöglichkeit des ÖBB-Angestellten zu bestimmen. Auf berechtigte Wünsche des ÖBB-Angestellten ist soweit als möglich Rücksicht zu nehmen; hiebei ist aber zu trachten, dass der Urlaub möglichst bis zum Ende des Urlaubsjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, verbraucht werden kann.
12.2 Die Ablösung eines nicht verbrauchten Erholungsurlaubes in Geld ist unstatthaft.
12.3 Der Erholungsurlaub kann auch in Teilen ausgenützt werden; der ÖBB-Angestellte hat jedoch Anspruch, zwei Drittel des gebührenden Urlaubsausmaßes ungeteilt zu verbrauchen.
12.4 Jugendliche ÖBB-Angestellte und Lehrlinge müssen mindestens 18 Werktage ungeteilt ausnützen. Auf Verlangen ist dieser Erholungsurlaub derart zu vereinbaren, dass zumindest 12 Werktage in den Zeitraum zwischen 15. Juli und 15. September eines Jahres fallen.
12.5 Um eine restlose und planmäßige Urlaubsausnützung zu gewährleisten, hat der Dienstvorstand im Einvernehmen mit der örtlich zuständigen Personalvertretung zu Beginn des Urlaubsjahres nach den vorgenannten Bestimmungen für das ganze Jahr einen Urlaubsplan aufzustellen.
12.6 Hiebei ist insbesondere im Bahnhofs-, Zugbegleit- und im Lokfahrdienst auf den in den Sommermonaten durch den verstärkten Reiseverkehr bedingten vermehrten Personalbedarf Rücksicht zu nehmen und daher anzustreben, dass die Erholungsurlaube in tunlichst weitgehendem Ausmaß schon vor Beginn dieser Periode ausgenützt werden. ÖBB-Angestellten mit schulpflichtigen Kindern soll aber nach Möglichkeit Gelegenheit geboten werden, ihren Erholungsurlaub während der Schulferien auszunützen. Im Übrigen ist der Erholungsurlaub grundsätzlich jährlich abwechselnd einmal im Sommer und einmal im Winter zu gewähren.
12.7 Wenn ein ÖBB-Angestellter zu dem ihm vom Dienstvorstand eingeräumten Zeitpunkt seinen Erholungsurlaub nicht antritt, so dürfen hiedurch andere ÖBB-Angestellte an der Ausnützung ihres Erholungsurlaubes nicht behindert werden.
12.8 Die Urlaubspläne sind vom Vorstand der Dienststelle zur Einsichtnahme durch die betroffenen ÖBB-Angestellten und sonstige befugte Organe bereitzuhalten. Schwierigkeiten in der Urlaubsabwicklung sind der vorgesetzten Stelle rechtzeitig zu melden."
Der Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub und die Urlaubsabfindung ist in Punkt 15 und 16 der Urlaubsdienstanweisung geregelt:
„15. Verfall des Anspruches auf Erholungsurlaub
15.1 Der Anspruch auf Erholungsurlaub verfällt nach Ablauf eines Jahres ab dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist.
Durchführungsanweisung zu Pkt. 15.1:
Im Sinne des Pkt. 12.1 ist danach zu trachten, dass nach Möglichkeit der gebührende Erholungsurlaub in jenem Urlaubsjahr, in dem der Anspruch entsteht, konsumiert wird. Der Verfall nach 15.1 tritt erst ein, wenn der Konsum des dem Bediensteten angebotenen Erholungsurlaubes unbegründet abgelehnt wird. Es ist dabei zu beachten, dass für den Bediensteten genügend Zeit besteht, etwaige Urlaubsvorbereitungen zu treffen.
15.2 Ist der Verbrauch innerhalb dieses Zeitraumes aus dienstlichen Gründen nicht möglich, so tritt der Verfall erst mit Ablauf eines weiteren Jahres ein.
Durchführungsanweisung zu Pkt. 15.2:
Der Dienstvorgesetzte ist verpflichtet, personelle Vorsorge zu treffen, dass ein gem. Pkt. 15.2 vom Verfall bedrohter Urlaubsanspruch jedenfalls gewährt werden kann.
15.3 Hat ein ÖBB-Angestellter oder Lehrling eine Karenz nach den §§ 15, 15a, 15c, 15d und 15j des Mutterschutzgesetzes 1979 (MSchG), in der Fassung des BGBl. I Nr. 103/2001, oder nach den §§ 2, 3, 5, 6 und 9 des Vater-Karenzgesetzes (VKG), BGBl. I Nr. 103/2001, in Anspruch genommen, so wird der Verfallstermin um jenen Zeitraum hinausgeschoben, um den diese Karenz das Ausmaß von zehn Monaten übersteigt.
16. Urlaubsabfindung
16.1 Dem ÖBB-Angestellten oder Lehrling gebührt eine Abfindung, wenn das aktive Dienstverhältnis vor Konsumierung des nach den Punkten 2 bis 4 festgesetzten gebührenden Urlaubsausmaßes endet. Der Anspruch auf Abfindung ist vom ÖBB-Angestellten oder Lehrling innerhalb von drei Jahren nach Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses (Ruhestandsversetzung) geltend zu machen. Für Zeiten einer ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst besteht kein Anspruch auf Abfindung.
...
16.1.2 Der ÖBB-Angestellte verliert den Anspruch auf Erholungsurlaub und Abfindung, wenn er ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes (§ 48 Abs 2 AVB) austritt. ÖBB-Angestellte, die aus dem Dienstverhältnis entlassen werden, verlieren den Anspruch auf Erholungsurlaub; der Anspruch auf Abfindung bleibt gewahrt."
Der Kläger begehrt zuletzt der Höhe nach unstrittig 15.474,54 EUR brutto an Urlaubsabfindung für den zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch offenen Resturlaub.
Die Beklagte stellte die rechnerische Richtigkeit des Klagebegehrens der Höhe nach außer Streit, beantragte die Abweisung der Klage und wandte ein, dass der Kläger als Mitglied eines gemäß § 7 Bahn-Betriebsverfassungsgesetz gebildeten Vertrauenspersonenausschusses freigestellt gewesen sei. Er habe keinen Anspruch auf Abgeltung des nicht voll ausgenützten Erholungsurlaubs, weil er ohnedies dauernd von der Arbeitsleistung befreit gewesen sei. Durch den Nichtverbrauch seines Urlaubs habe der Kläger nur eine zeitliche Mehrleistung gegenüber der Belegschaft, nicht jedoch gegenüber der beklagten Partei erbracht, deren Abgeltung nicht dem Arbeitgeber aufgebürdet werden dürfe. Der Anspruch sei ferner auch verfallen, weil der Kläger den Urlaub nicht rechtzeitig konsumiert habe.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach Punkt 16. der Urlaubsdienstanweisung habe der Kläger Anspruch auf eine Abfindung für die zum Zeitpunkt der Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses noch offenen 66 Tage Resturlaub. Ein Verfall auch nur eines Teils dieses Anspruchs sei nicht eingetreten, weil der Kläger niemals ein Angebot abgelehnt habe, den Urlaub zu konsumieren. Im Übrigen ging es auch davon aus, dass der Urlaubsanspruch von der Beklagten anerkannt worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und erklärte die Revision für zulässig, weil die Entscheidung in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehe und aktuelle Rechtsprechung hiezu fehle. Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Der Kläger habe auch als freigestelltes Betriebsratsmitglied einen Urlaubsanspruch. Dem freigestellten Betriebsratsmitglied sei im Sinne des Ausfallprinzips jenes Entgelt weiterzuzahlen, das ihm ohne Freistellung gebührt hätte. Es trete nur das vollständige Ruhen der nach dem Arbeitsvertrag bestehenden Arbeitspflicht ein, alle anderen Pflichten des Betriebsratsmitglieds als Arbeitnehmer blieben jedoch bestehen. Mitglieder des Betriebsrats dürften in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht beschränkt und wegen dieser, insbesondere hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten, nicht benachteiligt werden. Er hätte daher wie alle anderen Anspruch auf Urlaubsabfindung gegen die Beklagte. Eine Erhöhung des „Entgeltfortzahlungsanspruchs" trete dadurch nicht ein, sondern sei dies nur ein Ausgleich für den nicht konsumierten Urlaub. Ein Abfindungsanspruch gegenüber der Belegschaft trete nicht ein, auch wenn die Freistellung nicht zweckgebunden sei. Sonst wäre einem freigestellten Betriebsratsmitglied die Umwandlung des nicht konsumierten Freistellungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch des offenen Urlaubsrests verwehrt, was eine unzulässige Schlechterstellung im Vergleich zu den anderen Arbeitnehmern bewirkte. Willkür oder Rechtsmissbrauch hinsichtlich des Urlaubsverbrauchs habe die Beklagte nicht nachweisen können. Es sei sogar denkbar, dass das Ausmaß seines nicht verbrauchten Resturlaubs zu Beginn seiner Dienstfreistellung höher gewesen sei als zum hier relevanten Zeitpunkt der Beendigung des Dienstverhältnisses. Dass die Beklagte keinerlei Einfluss auf den Zeitpunkt und das Ausmaß der Inanspruchnahme des Urlaubs durch den Kläger habe, sei insoweit relativiert, als der Kläger diese vereinbarungsgemäß gemeldet habe und diese evident gehalten worden sei. Eine analoge Heranziehung des § 119 Abs 2 ArbVG komme nicht in Betracht, weil während der Zeit der erweiterten Bildungsfreistellung im Sinn dieser Bestimmung kein Anspruch auf das laufende Entgelt zustehe, während für eine Freistellung gemäß § 117 Abs 1 ArbVG die Fortzahlung des Entgelts ausdrücklich angeordnet sei.
Die Voraussetzungen für einen Verfall des Urlaubsanspruchs für den Zeitraum vor dem sei nicht konkretisiert worden. Auch solle der Verfall ja erst dann eintreten, wenn der Konsum des dem Bediensteten angebotenen Erholungsurlaubs von diesem unbegründet abgelehnt werde. Die Berufung auf die Verfallsfrist verstoße wegen der jahrelangen Kenntnis der Beklagten auch gegen die guten Sitten und widerspräche dem Benachteiligungsverbot. Der Zweck der Regelung liege darin, dem Arbeitnehmer den Konsum seines Urlaubs bei Vorliegen betrieblicher Verhinderungsgründe auch zu einem späteren Zeitpunkt zu sichern. Analog dazu müsse daher auch einem freigestellten Betriebsratsmitglied eine solche Möglichkeit eingeräumt werden, wenn er seinen Urlaub nur deshalb nicht in Anspruch nehmen habe können, weil dem Belegschaftsinteressen entgegengestanden seien.
Abweichend vom Erstgericht verneinte das Berufungsgericht bloß das Vorliegen eines Anerkenntnisses zur Zahlung des Abfindungsanspruchs, was jedoch nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist.
Gegen dieses Urteils richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung zu den hier relevierten, für eine große Anzahl von Arbeitnehmern maßgeblichen Fragen zum Dienstrecht der Beklagten noch nicht vorliegt. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
Das Dienstverhältnis der ÖBB-Bediensteten beruht auf einem privatrechtlichen Vertrag, der seit dem In-Kraft-Treten des BBG, BGBl 1992/825, am nicht mehr zum Bund, sondern zu den ÖBB bzw seit der Umstrukturierung durch das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 zu einem deren Rechtsnachfolger besteht. Die verschiedenen Dienstvorschriften, wie etwa Dienst-, Besoldungs- oder Disziplinarordnungen, stellen nach ständiger Rechtsprechung im Wesentlichen Vertragsschablonen dar, die mit Abschluss des jeweiligen Einzelvertrags rechtlich wirksam werden (9 ObA 181/07v; RIS-Justiz RS0052622; RS0054759 ua). Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) waren seit gemäß § 1 Abs 1 Bundesbahngesetz (BBG), BGBl 1992/825, eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, auf die - soweit das BBG keine abweichenden Regelungen enthielt - die Bestimmungen des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sinngemäß anzuwenden waren. Die Anteile des Bundes an den ÖBB wurden gemäß § 2 BBG idF Bundesbahnstrukturgesetz 2003 in die ÖBB-Holding AG eingebracht. Gemäß § 4 Abs 1 Z 2 BBG war es deren sofortige Aufgabe, die Umstrukturierung der ÖBB auf der Grundlage des Bundesbahnstrukturgesetzes 2003 vorzunehmen (RV 311 BlgNR 22. GP 8 f). Zur Durchführung dieser Umstrukturierung waren von der ÖBB-Holding AG bis verschiedene Gesellschaften zu gründen. Zu diesen Gesellschaften zählt auch die beklagte ÖBB-Personenverkehr AG. Nach dem Bundesbahnstrukturgesetz BGBl I 2003/138 wurde der Teilbetrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter sinngemäßer Anwendung des Bundesgesetzes über die Spaltung von Kapitalgesellschaften (Spaltung zur Aufnahme) übertragen. Es trat eine gesetzlich angeordnete und auch bewirkte Gesamtrechtsnachfolge ein.
Vorweg zu beurteilen sind nun die maßgeblichen Rechtsgrundlagen für den Urlaubsanspruch. Das Urlaubsgesetz (UrlG), BGBl 1976/390, gilt zwar für Arbeitnehmer aller Art, deren Arbeitsverhältnis auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht (§ 1 Abs 1 UrlG). Ausgenommen sind jedoch Arbeitsverhältnisse zum Bund, auf die dienstrechtliche Vorschriften anzuwenden sind, die den Urlaubsanspruch zwingend regeln (§ 1 Abs 2 Z 4 UrlG). Als solche dienstrechtliche Vorschriften werden auch Dienstordnungen, wie sie etwa für das Dienstrecht der Bediensteten der ÖBB als lex contractus (Vertragsschablone) regeln, verstanden (9 ObA 181/07v; Cerny, UrlG9 § 1 Anm 7). Der Nichtanwendung des Urlaubsgesetzes auf das Dienstverhältnis des Klägers gemäß § 1 Abs 2 Z 4 UrlG steht auch nicht der Umstand entgegen, dass es sich sowohl bei den ÖBB nach der Ausgliederung als auch bei der Beklagten nach der Umstrukturierung um Kapitalgesellschaften handelt, also ein direktes Dienstverhältnis zum Bund nicht mehr vorliegt, legte doch § 22 Abs 5 BBG in der Stammfassung (BGBl 1992/825) ausdrücklich fest, dass der Anwendungsbereich von Rechtsvorschriften des Bundes, die auf Regelungsinhalte gemäß § 22 Abs 1 BBG (Dienst-, Besoldungs- und Pensionsrecht) abstellen, unberührt bleibt. Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, dass die jeweils geltenden Rechtsvorschriften des Bundes, deren Anwendungsbereich sich für die ÖBB ausdrücklich ergibt, unberührt bleiben sowie, dass jene Rechtsvorschriften, die bisher auf die Dienstverhältnisse der ÖBB-Bediensteten aufgrund deren Qualifikation als Dienstverhältnisse zum Bund anzuwenden waren, weiterhin anzuwenden sind; weiters sollte sichergestellt werden, dass jene Regelungen, die aus diesem Grund nicht anzuwenden waren, auch weiterhin nicht anzuwenden sind (9 ObA 181/07v unter Hinweis auf RV 652 BlgNR 18. GP 16). Dies wurde mit § 53 Abs 5 BBG idF Bundesbahnstrukturgesetz 2003, der § 22 Abs 5 BBG aF ablöste, beibehalten (8 ObA 33/05v). Danach bleibt der Anwendungsbereich von arbeitsvertragsrechtlichen Rechtsvorschriften des Bundes in ihrer jeweils geltenden Fassung, die auf dienst- und besoldungsrechtliche Regelungsinhalte des ÖBB-Dienstrechts und die diesen Regelungsinhalten bis zum zugrundeliegenden Rechtsverhältnisse abstellen, für Arbeitsverhältnisse zu den ÖBB, deren vertraglich vereinbarter Beginn vor dem liegt und die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen, unberührt, auch wenn sie infolge eines Betriebsübergangs nach dem auf ein anderes Unternehmen (Erwerber) übergehen. Zufolge der § 22 Abs 5 BBG aF, § 53 Abs 5 BBG nF gilt daher § 1 Abs 2 Z 4 UrlG für das - früher zum Bund bestehende - Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten weiter und nimmt es damit von der Anwendung des Urlaubsgesetzes aus (9 ObA 181/07v; 8 ObA 33/05v; RIS-Justiz RS0123205).
Maßgeblich ist damit einerseits die festgestellte Urlaubsdienstanweisung als Vertragsschablone. Andererseits sind aber auch die rechtlichen Grundlagen der Stellung des Klägers als Vertrauensperson bzw Betriebsrat zu beleuchten. Die Sonderregelungen des Bahn-Betriebsverfassungsgesetzes (BBVG) wurden im bereits erwähnten Bundesbahnstrukturgesetz 2003 BGBl I 138/2003 in Art 7 aufgehoben. Es gelangt seitdem durch die gleichzeitige Aufhebung des § 33 Abs 2 Z 3 ArbVG der II. Teil des Arbeitsverfassungsgesetzes (§§ 33 ff) über die Betriebsverfassung mit bestimmten, hier nicht maßgeblichen Modifikationen zur Anwendung. Die am bestehenden Organe der Arbeitnehmerschaft wurden einschließlich der Freistellungen übergeleitet (Art 7 Abs 2 Bundesbahnstrukturgesetz).
Die nunmehr maßgeblichen Bestimmungen des ArbVG sehen im Wesentlichen vergleichbar den früher anwendbaren §§ 64 ff Bahn-Betriebsverfassungesetz einerseits verschiedene Freistellungsansprüche für Zwecke der Ausbildung (Bildungsfreistellung: §§ 118, 119 ArbVG) und andererseits zur Erfüllung der „Obliegenheiten" (§§ 116, 117 ArbVG) vor, wobei bei letzteren generell eine Entgeltfortzahlungspflicht festgelegt ist. Das Betriebsratsmitglied hat im Rahmen des Betriebsrats und der diesem zugewiesenen Kompetenzen (§§ 113 f ArbVG) bei der Wahrnehmung der Befugnisse der Arbeitnehmerschaft (§§ 89 ff ArbVG) die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmerschaft zu fördern (§ 38 ArbVG), ist dabei an keinerlei Weisungen gebunden und darf wegen dieser Tätigkeit auch nicht benachteiligt werden (§ 115 Abs 2 und 3 ArbVG).
§ 116 ArbVG sieht die Freistellung des Betriebsratsmitglieds unter Fortzahlung des Entgelts zur Erfüllung der Obliegenheiten vor. Die Freistellung nach § 117 ArbVG hängt nur noch von der Anzahl der zu vertretenden Arbeitnehmer ab. Sie bringt den Grundgedanken zum Ausdruck, dass bei einer so großen Zahl von Arbeitnehmern die Aufgaben bei der Vertretung der Belegschaftsinteressen einen so großen Umfang annehmen, dass sie neben den Arbeitspflichten nicht mehr ausreichend wahrgenommen werden können (Winkler in Tomandl [HrsG] Arbeitsverfassungsgesetz § 117, 2). Es wird also pauschalierend angenommen, dass mit der Vertretung der Belegschaftsinteressen bei einer so großen Anzahl von Arbeitnehmern ein so hoher Aufwand verbunden ist, dass den sonstigen Arbeitspflichten nicht mehr nachgekommen werden kann (Resch in Strasser/Jabornegg/Resch, Komm ArbVG § 117 Rz 10 ff; Köck, Betriebsratstätigkeit und Arbeitspflicht, 145). Das freigestellte Betriebsratsmitglied ist auch verpflichtet, sich der Interessenvertretungsaufgabe zu widmen (Resch aaO Rz 57), wenngleich es insoweit keinen Weisungs- und Kontrollbefugnissen des Arbeitgebers unterliegt (Resch aaO Rz 61). Nach der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzes bleibt ihm der Entgeltfortzahlungsanspruch erhalten; ebensowenig findet sich eine Ausnahme von den urlaubsrechtlichen Regelungen.
Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits einmal den Anspruch von freigestellten Betriebsräten auf Urlaub ausdrücklich bejaht (14 Ob 76/86, ZAS 1986/26 [krit Tomandl]). Tomandl (aaO) hat dazu kritisch angemerkt, dass ein zur Gänze freigestellter Betriebsrat keinen Anspruch auf Urlaub gegenüber dem Arbeitgeber erwerben könne, sondern er seine Urlaubsansprüche mit der Belegschaft abstimmen müsse.
Grundsätzlich hat aber auch das Betriebsratsmitglied, wie jeder andere Arbeitnehmer, Anspruch auf Urlaub im Rahmen des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber. Das Arbeitsverhältnis ist die für die Verpflichtung zur Arbeitsleistung maßgebliche Rechtsbeziehung. Für die Urlaubszeit treffen dann den Arbeitnehmer weder die Arbeitspflichten gegenüber dem Arbeitgeber noch die die letzteren - pauschalierend - verdrängenden Vertretungsobliegenheiten für die Belegschaft. Vereinfacht gesagt, ist beim Anspruch auf Gewährung der erforderlichen Freizeit nach § 116 ArbVG immer die Verpflichtung zur Arbeitsleistung die Grundlage, die eben nicht besteht, wenn der Arbeitnehmer auf Urlaub ist. Daran ändert sich im Grundsatz auch nichts, wenn eine pauschalierende Freistellung nach § 117 ArbVG erfolgt. Im Kern lässt der Gesetzgeber ganz klar erkennen, dass auch für die Zeit der Wahrnehmung der Interessenvertretungsaufgabe im Rahmen des Arbeitsvertrags statt der unmittelbaren Arbeitspflichten ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, dass aber solche Arbeitpflichten, die - allenfalls auch pauschal - verdrängt werden könnten dann nicht greifen, wenn der Arbeitnehmer zur Wahrnehmung seines Erholungsbedürfnisses auf Urlaub ist (vgl auch Köck Betriebsratstätigkeit und Arbeitspflicht, 210; Winkler in Tomandl aaO; Mosler in ZellKomm § 117 ArbVG Rz 19). Der Gesetzgeber bewertet eindeutig die Aufgabe der Interessenvertretung in größeren Betrieben in § 117 ArbVG als im Durchschnitt so umfangreich, dass sie nicht einmal mehr eine andere Arbeitstätigkeit zulässt, und verpflichtet somit den Arbeitgeber, die Entgeltszahlung auch für diese Zeit, die der Organisation der Arbeitnehmerschaft im Betrieb zuzurechnen und damit betriebs- und arbeitsbezogen ist, zu erbringen. Der Zusammenhang, der bei den unmittelbar auf die Verrichtung von Betriebsratsobliegenheiten abstellenden Freistellungsansprüchen nach § 116 ArbVG noch offenkundig ist, wird durch den pauschalierenden Freistellungsansatz des § 117 ArbVG nicht durchbrochen. Der Anspruch auf Urlaub ist gegen den Arbeitgeber gerichtet und soll den Arbeitnehmer gerade von betriebs- und arbeitsbezogenen Verpflichtungen freistellen und Erholungsmöglichkeiten eröffnen.
Es hat daher auch für den Bereich der Beklagten dabei zu bleiben, dass auch freigestellte Betriebsratsmitglieder Anspruch auf Urlaub und mangels dessen Verbrauch auf Urlaubsabfindung haben.
Entgegen den Ausführungen der Beklagten hat der Arbeitgeber auch bei anderen Arbeitnehmern keine Möglichkeit, den Urlaubsverbrauch einseitig zu erzwingen (RIS-Justiz RS0070760 mwN, zuletzt 9 ObA 134/07g) und liegt insoweit keine „Bevorzugung" der freigestellten Betriebsräte vor. Die Kontrolle des Urlaubsverbrauchs wurde durch entsprechende Meldepflichten (vgl zur Verpflichtung auch Schneller in Cerny/Gahleitner/Preiss/Schneller, Arbeitsverfassungsrecht Bd 33, § 117 Erl 4) ohnehin gewährleistet. Umstände, aus denen sich ein Rechtsmissbrauch ergeben könnte, hat die Beklagte nicht nachgewiesen (allgemein zur Beweislast RIS-Justiz RS0026205).
Dass die Regelungen des § 119 Abs 2 ArbVG für den Fall der erweiterten Bildungsfreistellung, für den gerade kein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, nicht hier - wo der Gesetzgeber ausdrücklich einen Entgeltfortzahlungsanspruch vorsieht - analog angewendet werden können, hat bereits das Berufungsgericht überzeugend ausgeführt (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO).
Dass die wesentliche Konsequenz im Falle des behaupteten „Hortens" des Urlaubsanspruchs in den Verjährungs- und Verfallsfolgen liegt, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen (9 ObA 51/07a; RIS-Justiz RS0120368). Es wäre der Beklagten hier auch jederzeit freigestanden, durch eine entsprechende Aufforderung zum Verbrauch der ihr ja genau bekannten offenen Urlaubsansprüche die vorgesehenen Mechanismen für den Untergang von überjährigen Urlaubsansprüchen in Gang zu setzen.
Die Revision erweist sich daher insgesamt als nicht berechtigt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG und § 41 iVm § 50 ZPO.