OGH vom 26.04.2011, 8Ob126/10b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH *****, vertreten durch Gruböck Lentschig Rechtsanwälte OEG in Baden, gegen die beklagte Partei C***** R*****, vertreten durch Dr. Steiner, Dr. Weber, Mag. Hegenbart, Mag. Steiner GesnbR in Baden, wegen 5.040 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom , GZ 18 R 61/10i 13, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom , GZ 9 C 1121/09a 9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 652,32 EUR (darin 108,72 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.064,98 EUR (darin 74,66 EUR USt und 617 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist aufgrund eines am mit der Klägerin abgeschlossenen schriftlichen Mietvertrags
Mieter eines gewerblichen Bestandobjekts in Baden.
Punkt VIII dieses Vertrags enthält folgende Kautionsbestimmung: „ Der Mieter verpflichtet sich bei Unterfertigung des Mietvertrages der Vermieterin eine Barkaution in der Höhe von 4 Brutto-Mietzinsen, sohin im Betrag von EUR 13.200,-- (...) zu bezahlen. Die Kaution dient zur Abdeckung sämtlicher aus dem gegenständlichen Mietverhältnis anfallender Ansprüche der Vermieterin gegenüber dem Mieter. Sollten Ansprüche der Vermieterin bereits während des aufrechten Mietverhältnisses entstehen (zum Beispiel bei Mietzinsrückstand), so ist die Vermieterin berechtigt, jedoch nicht verpflichtet, diese gesamten Rückstände aus der Kaution abzudecken. In diesem Fall verpflichtet sich der Mieter, binnen 14 Tagen nach schriftlicher Mitteilung durch die Vermieterin den Kautionsbetrag wiederum auf den sich zum Zeitpunkt unmittelbar vor der Inanspruchnahme bestehenden vollen Betrag aufzufüllen.... “
Der Beklagte erlegte die bedungene Kaution bei Vertragsabschluss. Nachdem er den Mietzins für die Monate August und September 2008 bei Fälligkeit nicht bezahlt hatte, entnahm die Klägerin am 10. 8. und die vereinbarten Beträge von jeweils 3.360 EUR aus der Kaution.
Am wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet. Die bestellte Masseverwalterin trat in den Mietvertrag ein und bezahlte die nach Konkurseröffnung fällig gewordenen Mietzinse. Der Aufforderung der Klägerin, entsprechend Punkt VIII des Mietvertrags die Kaution wieder aufzufüllen, kam die Masseverwalterin nicht nach. Die Klägerin meldete ihre Forderung im Konkurs nicht an und erhob auch keinen Einspruch gegen die Schlussrechnung, in der die Forderung nicht berücksichtigt wurde.
Nach Abschluss eines Zwangsausgleichs mit 25%iger Quote wurde das Konkursverfahren mit aufgehoben. Der Beklagte bezahlte der Klägerin am den Betrag von 1.680 EUR (25 % der geforderten Kautionsdifferenz).
In der am eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der weiteren Differenz auf den ursprünglich vereinbarten Kautionsbetrag. Der Anspruch auf Wiederauffüllung der Kaution sei entgegen der Ansicht des Beklagten keine nur quotenmäßig zu befriedigende Konkursforderung, sondern wegen des Eintritts der Masseverwalterin in den Bestandvertrag eine Masseforderung, allenfalls auch ein von den Konkurswirkungen nicht berührter Absonderungsanspruch.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Verpflichtung des Bestandnehmers zur Wiederauffüllung der Kaution sei nach der festgestellten Vereinbarung bereits vor Konkurseröffnung, nämlich im Zeitpunkt der Aufrechnung der offenen Mietzinse für August und September 2008, entstanden. Auf die Fälligkeit der Forderung komme es nicht an. Der Anspruch der Klägerin sei daher nicht als Masseforderung iSd § 46 Abs 1 Z 2 oder Z 4 KO, sondern als Konkursforderung zu qualifizieren und unterliege den Wirkungen des Zwangsausgleichs.
Das Berufungsgericht änderte mit seinem angefochtenen Urteil die Entscheidung des Erstgerichts im klagsstattgebenden Sinn ab. Da die Masseverwalterin den Mietvertrag nicht gekündigt habe, sei sie in dessen Bestimmungen mit allen Rechten und Pflichten, darunter auch der Pflicht zum Auffüllen der Kaution in ursprünglicher Höhe, eingetreten. Nach Aufhebung des Konkurses obliege diese Verpflichtung nun dem Beklagten. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil zur Frage, ob die Masseverwalterin zur Zahlung der bedungenen Kautionsdifferenz in voller Höhe verpflichtet gewesen wäre oder nur die Zwangsausgleichsquote gebühre, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin beantwortete Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zulässig und auch berechtigt.
1. Die materiellrechtlichen Änderungen der Konkursordnung durch das IRÄG 2010 sind im vorliegenden Verfahren gemäß § 273 Abs 1 IO noch nicht anzuwenden. Im Folgenden wird daher zur Verdeutlichung der für den Fall maßgeblichen Rechtslage noch auf die Terminologie der KO zurückgegriffen.
2. Die Vereinbarung in einem Mietvertrag, dass der Mieter zu Gunsten des Vermieters eine Kaution zu erlegen hat, enthält eine Pfandbestellung für künftige Forderungen ( Graf , wobl 1990, 88; Ostermayer , Ablösen Rz 115; SZ 69/246; 10 Ob 2008/96h). Wird der Empfänger durch Vermengung erhaltenen Bargelds Eigentümer des Kautionsbetrags, liegt ein unregelmäßiges Pfandrecht vor (RIS-Justiz RS0010942); eine von diesem Regelfall abweichende Vereinbarung wurde auch im vorliegenden Fall nicht behauptet. Der Pfandbesteller hat beim unregelmäßigen Pfandrecht daher nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Rückzahlung des Geleisteten (einschließlich Zinsen; Hofmann in Rummel , ABGB³ § 447 Rz 7 mwN; SZ 69/246), der Kautionsempfänger hat die Möglichkeit, seine zukünftigen, vereinbarungsgemäß zu sichernden Forderungen aus dem Mietvertrag mit dem Rückforderungsanspruch des Kautionsgebers zu kompensieren (RIS-Justiz RS0011288).
3. Die Vereinbarung einer Barkaution im Zusammenhang mit einem Bestandvertrag regelt das durch den Bestandvertrag geschaffene Dauerschuldverhältnis näher (9 Ob 160/02y). Eine gesetzliche Verpflichtung des Kautionsbestellers zur Auffüllung der durch (berechtigte) Aufrechnung mit offenen Forderungen des Vermieters verbrauchten Kaution besteht nicht. Wurde aber eine Auffüllungspflicht zwischen den Vertragsteilen vereinbart, dient sie analog dem Anspruch des „regelmäßigen“ Pfandinhabers nach § 458 ABGB der Erhaltung der vertragsmäßigen Sicherheit und ihrem Schutz gegen eine Verschlechterung durch willkürliches Verhalten des Pfandgebers (Verletzung seiner laufenden Zinszahlungspflicht).
4. Das Berufungsgericht ist offenkundig von einem vom Anlassfall der konkreten Inanspruchnahme der Kaution losgelösten Dauerrecht auf Erhaltung des Höchstbetrags ausgegangen.
Die festgestellte Vereinbarung lässt eine solche Interpretation allerdings nach ihrem Wortlaut nicht zu. Nach der Formulierung, der Mieter verpflichte sich „ den Kautionsbetrag wiederum auf den sich zum Zeitpunkt unmittelbar vor der Inanspruchnahme bestehenden vollen Betrag aufzufüllen “, sind die Streitteile eindeutig davon ausgegangen, dass die vertragsgemäß wiederherzustellende Summe von der ursprünglich vereinbarten Kautionshöhe abweichen kann. Denkbar ist sowohl eine niedrigere Summe, etwa wenn die Kaution bei früheren Gelegenheiten verringert wurde, ohne dass der Vermieter die Auffüllungspflicht geltend gemacht hatte, als auch eine höhere, insbesondere unter Berücksichtigung mittlerweile abgereifter Zinsen.
In dieser vereinbarten Form stellt die Auffüllungspflicht des Beklagten aber keine Dauerschuld, sondern eine von der Geltendmachung durch den Kläger abhängige Zielschuld dar.
5. Die Ansicht, der Anspruch des Klägers sei auf ein Absonderungsrecht zu stützen und aus diesem Grund nicht von den Konkurswirkungen betroffen, ist verfehlt. Absonderungsrechte sind nach § 48 KO (IO) Ansprüche auf abgesonderte Befriedigung aus bestimmten Sachen des Schuldners. Die vorliegende Kautionsvereinbarung räumt aber dem Kläger für den Fall der Verringerung der Kaution nur einen obligatorischen Anspruch auf künftige Pfandbestellung ein und begründet keine Vorrechte an bestimmten Massebestandteilen.
6. Masseforderungen sind nach § 46 Abs 1 Z 4 KO, unbeschadet des § 21 Abs 4 KO, Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen, in die der Masseverwalter eingetreten ist. Die Aufzählung der Masseforderungen in § 46 KO ist taxativ (RIS-Justiz RS0077987; RS0064815).
Sonstige Forderungen von Gläubigern, denen vermögensrechtliche Ansprüche an den Schuldner zur Zeit der Konkurseröffnung zustehen, sind gemäß § 51 KO (IO) Konkursforderungen. Auch der Anspruch auf Auffüllung einer Barkaution ist als vermögensrechtlicher Anspruch iSd § 51 KO (IO) zu verstehen, wird doch das Vermögen des Schuldners insofern mit seiner Erfüllung vermindert, als er das Eigentum am Kautionsbetrag verliert und dafür nur einen bedingten bzw betagten Rückforderungsanspruch erwirbt.
Sind die geschuldeten Leistungen teilbar und hat der Gläubiger die ihm obliegende Leistung zur Zeit der Konkurseröffnung bereits teilweise erbracht, ist der Gläubiger aber nach § 21 Abs 4 KO mit dem dieser Teilleistung entsprechenden Betrag seiner Forderung auf die Gegenleistung Konkursgläubiger. Dies gilt regelmäßig für Dauerschuldverhältnisse, bei denen Leistungen in einzelnen Perioden abgrenzbaren Gegenleistungen gegenüberstehen (vgl Widhalm-Budak in Konecny/Schubert KO § 21 Rz 262), insbesondere sinngemäß auch für Bestandverträge (8 Ob 166/06d; vgl Widhalm-Budak aaO Rz 47; Gamerith in Bartsch/Pollak/Buchegger , Österreichisches Insolvenzrecht I 4 , § 23 KO Rz 10). Bei teilbaren Leistungen, die sich von der Gesamtleistung nur in der Größe, aber nicht in der Beschaffenheit unterscheiden, erstreckt sich das Wahlrecht des Masseverwalters nach § 21 Abs 1 iVm Abs 4 KO nur auf die bei Konkurseröffnung noch nicht erbrachten Leistungen ( Gamerith aaO Rz 34). Tritt der Masseverwalter ex lege in ein Mietverhältnis ein, sind daher nur die Forderungen des Vermieters für die Zeit nach Konkurseröffnung Masseforderungen.
7. Der Kläger hat durch seine noch vor Konkurseröffnung erklärte Aufrechnung eines Teils der Barkaution mit fälligen Mietzinsforderungen freiwillig einen Teil seiner pfandrechtlichen Sicherstellung aufgegeben und die „für diesen Fall“ vereinbarte obligatorische Verpflichtung des Beklagten zur Auffüllung der Kautionsdifferenz begründet. Die erst an die Masseverwalterin gerichtete Zahlungsaufforderung bewirkte nur mehr die Fälligstellung des bereits vor der Konkurseröffnung dem Grunde nach entstandenen Anspruchs.
Waren zur Zeit der Konkurseröffnung bereits sämtliche Tatbestandserfordernisse für die Entstehung einer Forderung vorhanden, mag sie auch noch nicht fällig und vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig sein (8 Ob 26/03m mwN; 2 Ob 287/08g [Schadenersatz aus einer vor Konkurseröffnung verwirklichten Handlung des Schuldners, selbst wenn der konkrete Folgeschaden erst nach Konkursaufhebung eintritt], RIS-Justiz RS0063809), ist sie eine Konkursforderung. Es liegt nicht in der Hand des Gläubigers, allein durch die Wahl des Fälligkeitszeitpunkts eine Qualifikation als Masseforderung herbeizuführen.
8. Das Erstgericht hat den Auffüllungsanspruch des Klägers daher zutreffend als Konkursforderung qualifiziert, der den Wirkungen des abgeschlossenen Zwangsausgleichs unterliegt.